Berlin
Lucke plant schon den Umzug

Chef der europakritischen AfD läuft sich für Brüssel warm

14.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:42 Uhr

 

Berlin (DK) Da sitzt er, der AfD-Chef. Bernd Lucke holt weit aus. Großer Auftritt in Berlin vor der Hauptstadtpresse. Beim Wahlkampftermin am Mittwoch in der Bundespressekonferenz rechnet er nicht nur mit der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung ab. Er kritisiert auch Hass und Anfeindungen gegen seine Partei im Europawahlkampf: zerstörte Plakate, Störungen bei Kundgebungen und gewalttätige Übergriffe. „Wir fühlen uns dadurch ernsthaft beeinträchtigt“, sagt Lucke.

AfD ante portas? Lucke wähnt sich kurz vor dem großen Ziel: Seine Familie bereitet bereits den Umzug nach Brüssel vor. Der Einzug ins Europäische Parlament ist für die Alternative für Deutschland (AfD) nur noch eine Formsache. Für die erst vor gut einem Jahr gegründete Partei der Euro-Gegner wäre es der große Triumph. Von seiner Universität in Hamburg hat sich der Professor für Wirtschaft und Sozialwissenschaften bis auf Weiteres beurlauben lassen, um genügend Zeit für den Wahlkampf zu haben. Der 51-Jährige gibt den hyperaktiven Parteistrategen: Mit Ex-Industrie-Präsident Hans-Olaf Henkel als prominentem Gesicht der Kampagne will er Stimmen aus dem bürgerlichen Lager gewinnen. Umfragen sagen der AfD inzwischen sechs Prozent und damit mehr als bei der Bundestagswahl voraus.

Bisher versuchten die Parteien, cool zu bleiben und der rechtspopulistischen Konkurrenz der Euro-Gegner möglichst wenig Beachtung zu schenken. Doch das scheint sich nun zu ändern: FDP-Chef Christian Lindner nannte die AfD jüngst „Republikaner reloaded“, der liberale Europapolitiker Michael Theurer bezeichnete Lucke als verkappten Salonfaschisten. Scharmützel, die der Alternative für Deutschland zumindest Schlagzeilen bringen und sie im Gespräch halten.

Die Partei kultiviert ihr Außenseiter-Image. Und sieht sich zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. „Völlig unakzeptabel“, seien die massiven Angriffe und Störungen im Europa-Wahlkampf. Bis zu 40 Prozent der Wahlplakate würden beschädigt. Der Sachschaden betrage inzwischen 360 000 Euro. Deshalb müsse es ein Machtwort des Bundespräsidenten oder des Bundesinnenministers geben.

Wegen der Schäden springt inzwischen Kandidat Hans-Olaf Henkel als Geldgeber ein, half der Partei mit einer Finanzspritze aus und will bis zu eine Million Euro aus seinem Privatvermögen zur Verfügung stellen.

Vor allem Henkel und Lucke, der zuletzt Journalisten auch zu Homestories in seinem Privathaus vor den Toren Hamburgs einlud, prägen das öffentliche Bild ihrer Partei. Sie mühen sich um maximale Geschlossenheit – als Kontrapunkt zu den andauernden Querelen in den Landesverbänden und dem Streit über die Ausrichtung der Partei. In den internen Debatten über die ersten politischen Leitlinien gerieten die Außenpolitik und die Frage der Westbindung Deutschlands überraschend zu den großen Streitthemen.

„Mut für Deutschland“, so der Wahlkampf-Slogan zur Europawahl. Weniger Europa, keine EU-Mitgliedschaft für die Türkei und eine restriktive Asylpolitik – mit diesen Themen aus ihrem Europa-Wahlprogramm versucht die AfD zu punkten. Ein Wahlkampf-Bündnis mit Rechtspopulistin Marine Le Pen vom „Front National“ oder dem Niederländer Geert Wilders aber lehnt Lucke ab.

Jetzt im Endspurt des Europa-Wahlkampfs setzt die AfD wieder auf das Kernthema, die Kritik am Euro-Krisenmanagement: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beschönige die Lage, damit die CDU am 25. Mai ein möglichst gutes Wahlergebnis erhalte. Griechenland könne „nicht einen einzigen Cent Zinsen aus eigener Kraft zurückzahlen“. So läuft sich Lucke allmählich warm für Brüssel.