Linke: Dortmund ist der Angstgegner

02.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:12 Uhr
Thomas Linke, Sportdirektor des FC Ingolstadt. −Foto: Tom Webel

Ingolstadt (DK) 2001 hat mit dem FC Bayern zum letzten Mal eine deutsche Mannschaft die Champions League gewonnen. Einer, der damals beim 5:4-Sieg nach Elfmeterschießen gegen den FC Valencia auf dem Platz stand, war Thomas Linke, heute Sportdirektor des FC Ingolstadt. Unser Redakteur Norbert Roth hat mit dem 42-Jährigen, der in diesen Tagen zum zweiten Mal Vater wird, über den neuerlichen Höhenflug des FC Bayern und das anstehende Finale gegen Dortmund gesprochen.

Herr Linke, haben Sie sich schon Tickets für das Finale in Wembley besorgt?
Thomas Linke: Nein, das wird in diesem Jahr sicher auch nichts. Sollte ich zum Zeitpunkt des Finales etwas Zeit haben, werde ich diese sicher daheim mit Mutter und Kind verbringen Das Endspiel werde ich also auf jeden Fall im Fernsehen sehen.

Rechnet man Hin- und Rückspiel zusammen, hat der FC Bayern Barcelona mit 7:0 geschlagen. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Linke: Die Bayern verkörpern in dieser Saison schon die ganze Zeit Willen pur. Sie rasen in der Liga von Rekord zu Rekord, haben sich dort enorm viel Selbstvertrauen geholt und zeigen dies auch in Champions League. Eine ganz wesentliche Veränderung zur Vorsaison ist dabei, dass die Offensivspieler sehr diszipliniert agieren und so viel nach hinten mitarbeiten, wie man das lange nicht gesehen hat.

Sie meinen Spieler wie Mandzukic und Ribery?
Linke: ...und Roben natürlich. Beide, Ribery und er waren zuletzt ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie gerne Defensivarbeit verrichten. Ich nehme da nur eine Szene aus dem Hinspiel, als Ribery Messi über bestimmt 40 Meter hinterhergelaufen ist. Das ist schon eine neue Qualität.

Spornt das verlorene Finale 2012 die Spieler vielleicht zusätzlich an?
Linke: Die Mannschaft weiß, dass sie beim Finale in München gegen ein schlechteres Team verloren hat, weil sie vorne ihre Chancen nicht entsprechend genutzt hat. In diesem Jahr zeigen die Bayern gerade hier eine enorme Leichtigkeit, arbeiten zugleich sehr aggressiv nach hinten und hören auch nicht auf, wenn sie mal 1:0 führen. In vielen Spielen ist das für den Gegner ja fast beängstigend, das da überhaupt kein Bruch im Spiel ist.

Kann man das mit der „Jetzt-erst-recht“-Stimmung vergleichen, die den Bayern-Kader nach dem verlorenem Endspiel 1999 zum Champions-League-Sieg 2001 getrieben hat?
Linke: Mit Sicherheit. Viele der aktuellen Spieler haben ja auch 2010 unter van Gaal gegen Inter Mailand ein Finale verloren, sind im Grunde also schon zweimal gescheitert. Ich bin mir sicher, dass auch daraus ein besonderer Siegeswille gewachsen ist.

Woran machen Sie diese Veränderung fest?
Linke: Schon vor der Saison war nach den beiden an Dortmund verlorenen Meisterschaften bei den Bayern eine Menge Explosionsstoff drin. Wenn ich mich richtig erinnere, hat der Klub bereits beim Ligapokal eine Sonderprämie für den ersten Sieg gegen den BVB ausgesetzt. Nachdem gerade vorher das Pokalfinale verloren worden war, ging es darum, in Deutschland wieder die Nummer eins zu werden. Das war ein erstes Signal, und das hat sich dann über die gesamte Saison fortgesetzt.

Stichwort Dortmund: Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat vor dem Halbfinale auf das Los BVB gehofft, weil die Borussia der leichteste Gegner sei. Haben die Bayern nun ein vergleichsweise einfaches Finale vor sich?
Linke: In einem Finale gibt es überhaupt keine leichten Gegner mehr. Ich glaube, dass Uli Hoeneß die Dortmunder in der Tat gerne im Halbfinale gehabt hätte, weil sie das Ding dann in zwei Spielen hätten klarmachen können. Da hätten die Bayern für mich auch die wesentlich besseren Chancen. Wenn es nur einen Termin gibt, ist das viel schwieriger. Nach den Niederlagen in den vergangenen Jahren sind die Dortmunder sogar eher so etwas wie der Angstgegner. Ich glaube nicht, dass man sich bei den Bayern mit diesem Endspielgegner wirklich wohl fühlt.

Sind die Bayern dennoch Favorit?
Linke: Aus meiner Sicht ja.

Kurioserweise treffen beiden Mannschaften am Samstag in der Bundesliga aufeinander. Wird das die Generalprobe oder eher ein bedeutungsloses Vorgeplänkel?
Linke: Grundsätzlich wird natürlich jede Mannschaft dieses Spiel gewinnen wollen. Ich gehe aber fest davon aus, dass beide Trainer ordentlich rotieren lassen, um auf gar keinen Fall mit einem Negativerlebnis ins Finale gehen zu müssen. Im Falle einer Niederlage in der Bundesliga kann man dann immer sagen: Naja, es haben ja nicht die Besten gespielt.