Ingolstadt
Lieder im Herbst des Lebens

Im Rentenalter startete Emil Gall seine Karriere als Chansonnier – In Ingolstadt präsentiert er sein Debütalbum "Nichts bleibt wie’s war"

20.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:45 Uhr

Chansons und Plaudereien: Eduard Israelov, Martin Schärtl und Emil Gall (von links) treten am 28. Januar im Diagonal auf - Foto: Downhill Records

Ingolstadt (DK) In einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen, startete er noch einmal durch. Der gebürtige Ingolstädter Emil Gall nahm mit 65 Jahren erstmals Gesangsunterricht und stand ein Jahr später mit Chansons von Edith Piaf, Charles Aznavour, Yves Montand und Jacques Brel auf der Bühne der Neuen Welt. Ein Jahrzehnt danach hat er mit einigen Musikern in München sein erstes Album aufgenommen. Er präsentiert es am 28. Januar im Diagonal in Ingolstadt.

„Nichts bleibt wie’s war“ heißt die CD mit 13 Songs, die im Downhill-Studio im Herzen Münchens eingespielt wurde. Dort, wo sich schon etablierte Musiker wie Konstantin Wecker, Willy Astor und Willy Michl die Klinke in die Hand gegeben haben. Begleitet wurde Gall bei den teils in Deutsch, teils in Französisch gesungenen Liedern von Eduard Israelov (Klavier), Martin Schärtl (Akkordeon), Titus Waldenfells (Gitarre) und Tom Peschel (Kontrabass), der auch als Produzent verantwortlich zeichnete. „Ich war wahnsinnig nervös bei den Aufnahmen“, sagt Gall, inzwischen 76 Jahre alt. Sein Produzent zollt ihm ein Lob. „Emil macht das super, er ist einer der talentiertesten Nachwuchssänger. Wenn er mir nicht von den Machern der Talentshow ,The Voice‘ weggeschnappt wird, kann ich mir durchaus vorstellen, ein weiteres Album mit ihm aufzunehmen“, sagt Peschel. Und manchmal gewinne ein Song gerade deshalb, weil man einen brüchigen Ton auch mal stehen lasse.

Die Liebe zur Musik entdeckte der 1938 im Herzen Ingolstadts geborene Gall Ende der 1950er Jahre. Seine Eltern waren einfache Leute, dem Großvater gehörte der Storchenwirt in der Nähe der alten Anatomie. Gall verließ das Scheiner-Gymnasium mit der Mittleren Reife. Während seiner Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Auto-Union (heute Audi), wo er auch seine spätere Frau Dolly kennenlernte, trampte er regelmäßig mit einem Freund zu Konzerten nach München. Das Ticket für den Auftritt von Ella Fitzgerald in der Kongresshalle für sieben D-Mark hält er noch heute in Ehren. Während eines zehnmonatigen Aufenthalts in London, wo er tagsüber Englisch lernte und abends in einem italienischen Lokal jobbte, saugte er den Jazz regelrecht auf und besuchte Konzerte von Legenden wie Louis Armstrong, Benny Goodman und Duke Ellington. Anfang der 1960er Jahre verschlug es ihn dann für eineinhalb Jahre nach Paris. Dort erlernte er die französische Sprache und entdeckte die Chansonmusik für sich. Nach diversen Jobs in der Finanz-, Automobil-, Immobilien- und Verpackungsbranche ging er mit 59 Jahren relativ früh in den Ruhestand. Das heißt, fast: Er hängte noch sechs Jahre als Präsident des Segel- und Tennisclubs Rot-Weiß Ingolstadt dran („Ein guter Halbtagsjob“).

Im Anschluss daran nahm er seine ersten Gesangsstunden, und 2004 folgte der allererste Auftritt im VHS-Haus am Ingolstädter Carraraplatz. Er spricht nicht gern darüber. „Ich war total aufgeregt und kannte keinen Text mehr – es war ein Fiasko.“ Schlagartig wollte er seine gerade begonnene Gesangskarriere wieder beenden. Sein Sohn Daniel (der Bluesmusiker, der als San2 bekannter ist) war es, der ihn zum Weitermachen überredete. „Wir sind nicht nur Vater und Sohn, sondern auch beste Freunde“, sagt der 76-Jährige. Im selben Jahr folgte der bereits erwähnte erste Auftritt vor zahlendem Publikum an der Seite von Pianist Eduard Israelov in der nahezu ausverkauften Neuen Welt – einen Steinwurf von seinem Geburtshaus an der Schleifmühle entfernt. „Damit ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt er. Es war die Geburtsstunde des Duos Emil & Eduard. Seitdem haben die beiden acht bis neun Auftritte pro Jahr, sie haben sich ein kleines Stammpublikum erspielt. Einmal im Jahr spiele man in einer sehr vornehmen Seniorenresidenz in Fürth, sagt Gall. Für Leute, denen teilweise der Lebensmut abhanden gekommen ist. „Für die ist unser Konzert immer etwas ganz Besonderes, und damit auch für uns.“

Im vergangenen Jahr kamen Emil & Eduard nur auf drei Gigs. Es war ein einschneidendes für Emil Gall. Im März starb nach langer Krankheit seine Frau – wenige Monate vor der goldenen Hochzeit. „Am Schluss war’s eine Erlösung“, sagt er. Er verarbeitete den Verlust auf seine Weise und tauschte sein Haus in der Nähe des Klinikums gegen eine moderne, lichtdurchflutete Wohnung im Monikaviertel der Stadt. Noch mal raus, noch mal was Neues. Anschließend ging es ins Aufnahmestudio, um das erste Album einzusingen. Emil Galls Blick geht nach vorne. Das Verschmitzte, das Humorvolle, das Subtile hat er sich erhalten.

Das Konzert am 28. Januar in seiner Heimatstadt ist aus mehreren Gründen ein besonderes für ihn. Zum ersten Mal hat er eine eigene CD im Gepäck, es ist die Livepremiere seines Debütalbums. Begleitet wird er von seinem Pianisten und Martin Schärtl, der nicht nur Akkordeon spielt, sondern auch bei zwei von Galls selbst verfassten Chansons die Musik komponiert hat „und ein sehr wichtiger Mensch für mich ist“. Ein wenig Bammel hat er davor, das melancholische „Nach all den Jahren“ zum ersten Mal auf der Bühne zu interpretieren. Das von ihm geschriebene Lied ist seiner Frau gewidmet, sie kannte den Text. „Er hat ihr sehr gefallen. Ich hoffe, dass ich nicht in Gefühlswallungen verfalle“, sagt er. Sicherheitshalber wird er die Nummer als letzte vor der Pause spielen.
 
Das Konzert am Freitag, 28. Januar, um 20 Uhr im Diagonal ist ein gemeinsames Konzert von Emil & Eduard und der Formation Trialogo. Karten gibt’s in allen DK-Geschäftsstellen.

 
Weitere Informationen gibt es auf: www.emil-eduard.de.