Ingolstadt
Liebling der Jurys

Der Klarinettist Sebastian Manz ist ein Senkrechtstarter auf dem Klassikmarkt Heute gibt er ein Konzert mit dem Georgischen Kammerorchester

18.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Sebastian Manz: " Es war so, dass ich erst üben musste, bevor ich nach draußen gehen konnte. Da habe ich manchmal geflucht." - Foto: Borggreve

Ingolstadt (DK) Der Klarinettist Sebastian Manz ist der Star des Abonnementkonzerts des Georgischen Kammerorchesters, heute Abend, 20 Uhr, im Ingolstädter Festsaal. Auf dem Programm unter dem Titel "Was ist unvergesslich" stehen Werke von Edvard Elgar, Leos Janácek, Karl Amadeus Hartmann und Béla Bartók. Als Solisten sind auch noch die Mitglieder des CasalQuartetts eingeladen. Wir unterhielten uns mit dem jungen Klarinettisten über seine Karriere, den Dirigenten Teodor Currentzis und das Konzert in Ingolstadt.

Herr Manz, sind Sie ein Liebling der Echo-Klassik-Jury? Jetzt bekommen Sie bereits die dritte Auszeichnung in nur sechs Jahren.

Sebastian Manz (lacht): Als Liebling würde ich mich nicht bezeichnen. Aber es ist sehr schmeichelhaft. Der erste Echo 2011 kam völlig überraschend. Das bezog sich nur auf eine Aufnahme, nicht einmal eine ganze CD. Es war der Live-Mitschnitt des Preisträger-Konzerts vom ARD-Wettbewerb. Da hatte ich das Gefühl, dass die Jury mich fördern und ermuntern wollte. Dann 2013 war es eine Kammermusikaufnahme. Und jetzt bei dem Album mit Werken von Carl Maria von Weber war ich schon sehr ehrgeizig. Das war mein bisher größtes Projekt. Da habe ich alles dafür getan, dass es ein super Produkt wird. Nicht nur eine tolle Aufnahme, sondern auch als CD, die die Menschen gerne kaufen wollen, mit guten Texten und Fotos. Vielleicht wurde das ja auch berücksichtigt.

 

Sie kommen aus einer sehr musikalischen Familie. War das eine Hilfe?

Manz: Mein Elternhaus war eine perfekte Unterstützung für mich. Das sage ich natürlich aus heutiger Sicht. Damals hat es mich immer wieder genervt, gepusht und angetrieben zu werden. Es war so, dass ich immer erst üben musste, bevor ich nach draußen gehen konnte, um Fußball zu spielen. Da habe ich manchmal geflucht. Aber im Rückblick kommt es mir vor, als wenn doch alles sehr natürlich abgelaufen ist. Es war dann auch genau der richtige Augenblick, als ich mit 15 etwas rebelliert habe und gar keine Lust auf Klarinette mehr hatte. Da kam ich meist erst gegen sechs Uhr abends nach Hause, nach Big-Band-Probe und Orchester. Ich hatte einen relativ weiten Schulweg. Ich wollte dann einfach nicht mehr üben.

 

Ihre Eltern haben also einen gewissen Druck aufgebaut?

Manz: Richtig. Die Förderung bestand aber nicht nur im ständigen Ermuntern, sondern auch durch Organisieren von Hauskonzerten und Vorspielen. Sie schickten mich zudem in Nürnberg auf ein musisches Gymnasium. Und: Da ich in der Familie der einzige Bläser war, war ich auch in gewisser Weise immun. Es gab einen gewissen Abstand zu meinen Eltern, die mir nicht sagen konnten, wie ich ein technisches Problem lösen sollte. Sie konnten mir nur musikalische Tipps geben. Ich war Jungstudent bei Sabine Meyer und hatte so nur alle drei oder vier Wochen Unterricht. Ich war also auf eine gewisse Selbstständigkeit angewiesen. Was ich am meisten gelernt habe: unter Druck wirklich Leistung bringen zu können. Das hat mich starkgemacht.

 

Sie sind gleichermaßen Orchestermusiker im SWR-Sinfonieorchester und Solist. Finden Sie eigentlich genügend Zeit, Ihre eigenen Projekte zu verfolgen?

Manz: Es ist ein großes Glück zweigleisig zu fahren und ein Privileg, in einem solchen Orchester eine Stelle zu haben. Das wird immer schwieriger. Wir sind ein fusioniertes Orchester, vorher habe ich im Radiosinfonieorchester Stuttgart gespielt. Nun sind wir rund 180 Musiker, also eigentlich ein sehr großes Orchester. Aber das Orchester teilt sich auch immer wieder. Wir werden aber allmählich schrumpfen, bis wir nur noch 119 Mitglieder sind. Weil der Klangkörper im Moment so groß besetzt ist, habe ich relativ viel Zeit, meine Projekte umzusetzen. Aber natürlich schätze ich dieses Orchester, identifiziere mich damit. Daher bin ich auch so dankbar, dass ein so ungewöhnlicher Dirigent wie Teodor Currentzis die Leitung übernommen hat.

 

Ein großer Exzentriker, er hat kürzlich ein fulminantes Konzert in Ingolstadt gegeben. Was erwarten Sie denn von ihm?

Manz: Currentzis polarisiert. Aber genau so einen Leiter brauchen wir. Er ist in der Lage, uns ein neues Profil zu geben, aus diesen beiden Orchestern etwas Neues zu kreieren. Dazu kommt seine Präsenz in den Medien. Das tut uns gut, durch ihn bekommen wir viele tolle Möglichkeiten, auf bedeutenden Podien zu spielen. Das gibt uns einen Motivationsschub. Natürlich kann es auch zu internen Problemen kommen, es wird wahrscheinlich immer mal wieder knallen. Aber das ist die Natur von Currentzis, dadurch erweckt er eine andere Emotionalität, die uns alle nach vorne bringen kann.

 

Teodor Currentzis ist ja gewohnt, mit seinem eigenen Orchester MusicAeterna zu arbeiten, ein völlig frei schwebender Klangkörper, nur auf ihn persönlich zugeschnitten. Wird Currentzis mit der Mentalität eines bundesdeutschen Tariforchesters überhaupt zurechtkommen?

Manz: Er hat ja schon in Stuttgart dirigiert. Er weiß, auf was er sich einlässt. Wir wissen natürlich auch, worauf wir uns einlassen. Es ist so eine Annäherung von beiden Seiten. In Russland hat er eine enorme Handlungsfreiheit. Er probt Mozart zwölf Stunden lang und beginnt dann um drei Uhr nachts aufzunehmen. Es ist Wahnsinn, man hört Geschichten, da bekomme ich Gänsehaut. Aber seine Konzerte sind absolut außergewöhnlich, man spricht noch wochenlang darüber, selbst wenn man sie nicht mag. Wir hoffen natürlich, dass wir uns in der Mitte treffen können. Dass er sich schon an gewisse Regeln halten kann, Arbeitszeiten etwa. Er aber auch erkennt, dass bei uns unglaublich viel Potenzial vorhanden ist. Wir verheizen uns nicht, wir reflektieren und bereiten uns gut vor. Currentzis kann gerne auch wochenlang für ein bestimmtes Konzert proben, kein Problem. Aber dann bitte nur eine gewisse Anzahl von Stunden pro Tag.

 

Jetzt treten Sie erst mal mit einem ganz anderen Dirigenten auf, mit Ruben Gazarian, den Sie ja seit vielen Jahren kennen. Ist er der Grund, warum Sie nach Ingolstadt kommen?

Manz: Richtig. Ich habe mit ihm viel in Heilbronn gemacht. Ruben hat eine ganz natürliche Art, die Musik in Bewegungen umzusetzen. Ich habe das Mozart-Konzert mit ihm auf einer Tournee gespielt. Wir brauchten eigentlich gar nicht zu proben. Er versteht die Musik. Bei Ruben kommen Musikalität und Technik auf sehr beglückende Art zusammen.

 

Sie spielen in Ingolstadt ein sehr ungewöhnliches und selten gespieltes Werk - von Karl Amadeus Hartmann das Konzert für Streichquartett und Klarinette. Fühlen Sie sich da nicht ein wenig unterfordert?

Manz: Nein, überhaupt nicht. Das Konzert ist ziemlich fokussiert auf die Klarinette. Das solistische Streichquartett operiert eher so wie ein Schatten des Streichorchesters, wie ein Skelett. Das Streichquartett ist wie ein Bindeglied zwischen Klarinette und Orchester. Das ist ein großartiges vielschichtiges Stück mit Anklängen zur Volksmusik, bis hin zum Klezmer. Es steckt vielleicht sogar ein politischer Protest darin, es entstand ja 1935. Ich habe mich jetzt richtig mit diesem Werk auseinandergesetzt, sogar die verblüffend ordentlich notierten Autografen angesehen. Faszinierend.

 

Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.

 

Karten für das Konzert gibt es in den DK-Geschäftsstellen.

 

 

ZUR PERSON

Sebastian Manz wurde 1986 als Sohn der Pianisten Wolfgang Manz und Julia Goldstein, der Tochter des russischen Geigers Boris Goldstein, geboren. Als Sechsjähriger wurde er in den Knabenchor Hannover aufgenommen und kam mit John Eliot Gardiner und Leonard Slatkin zusammen. Seinen ersten Klarinettenunterricht erhielt er mit sieben, und mit elf Jahren wurde er als Jungstudent an der Musikhochschule Lübeck angenommen. Seine erste Tournee als Solist unternahm Sebastian Manz als 13-Jähriger mit dem Orchester der Musikschule Hannover nach Polen. 2008 errang er den 1. Preis beim ARD-Wettbewerb. Mit dem Echo-Klassik wurde er 2011, 2012 und 2017 ausgezeichnet. 2010 wurde Manz Soloklarinettist beim RSO Stuttgart.