Eichstätt (EK) Jeden Auftritt programmatisch unter ein verbindendes, epochenübergreifendes Motto zu stellen, ist eines der Markenzeichen des vor zwölf Jahren in Eichstätt gegründeten, mittlerweile längst überregional etablierten Vokalensembles Crescendo.
Diesmal standen - passend zur Passionszeit - zwei sehr konträre Requiem-Vertonungen im Zentrum beim andachtsvollen geistlichen Konzert im Salesianum. Das zusätzlich Besondere an den beiden A-cappella-Werken: Sie wurden nicht nacheinander dargeboten, sondern dramaturgisch klug ineinander verzahnt, erklangen also in jeweils abwechselnden Blöcken.
Dadurch kristallisieren sich sowohl ihre gemeinsame Grundhaltung als auch die evident hörbaren, facettenreichen Schattierungswechsel umso eindrucksvoller heraus. Beginnend mit dem Introitus aus dem "Officium defunctorum" des spanischen Renaissance-Komponisten Tomás Luis de Victoria gestalten die 30 Sängerinnen und Sänger in homogener Transparenz die ineinander verwobenen Melodiebögen dieser hochexpressiven, auf dem Gregorianischen Choral aufgebauten Vokalpolyphonie aus. Fast ist der Kirchenraum des Klosters zu klein, zu eng, um diese sich stimmgewaltig steigernde sakrale Klangfülle fassen zu können. Streng konstruierte, konzentrierte Kontrapunktik, die ausdrucksstark, wortgetreu und nah am lateinischen Text auskomponiert ist, sich in der substanziell-nuancierten Interpretation des Crescendo-Chores darüber hinaus zu noch magischerer Schönheit entfaltet.
Demgegenüber steht das völlig anders angelegte Requiem des modernen Tonsetzers Herbert Howells, ein mystisch durchwirktes Totengedenken, aus dem das Gesangsensemble ein eindringliches, sphärisch fließendes, luzides Klanggemälde zaubert. Die darin enthaltenen solistisch durchsetzten, souverän und prägnant intonierten englischen Psalmen sowie der ebenfalls solistisch versiert geprägte Satz "I heard a voice from heaven" verleihen der liturgischen Atmosphäre des Abends zudem einen ganz eigenen spirituellen Charakter.
Dirigent Volker Hagemann (unter anderem seit drei Jahren auch künstlerischer Leiter der Würzburger Chormusiktage) unterstreicht die stilistischen Stimmungswandlungen nicht nur optisch, sondern auch akustisch über die Choraufstellung: Immer wieder lässt er durch neue Positionierungen die Stimmen sich mischen, um so gerade in den Renaissance-Passagen das Spannungsverhältnis zwischen ihnen noch stärker auszuloten. Auf solche Weise erreicht er mit schwingenden, weit gefassten Bewegungsgesten vom Pult aus eine vielschichtige, an- und abschwellende, zart schimmernde bis kraftvoll strahlende Intimität und Intensität der Stücke, eine meditativ-kontemplative Klangsynthese.
Eingerahmt wird diese aufbrechend zueinander in Beziehung gesetzte Requiem-Verschmelzung von zwei Motetten: Das eröffnende Gebet "Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens" von Kurt Hessenberg verwebt die Vokalformation zu einem subtil anhebenden, sich immer mehr verdichtenden Klangteppich, lässt sich voll Hingabe ein auf die teils kühne, eigenwillige Harmonik und Stimmführung mit ihren tonalen Reibungen.
Gustav Mahlers romantisch koloriertes "Ich bin der Welt abhanden gekommen" in einer 16-stimmigen Bearbeitung des schlesischen Musikwissenschaftlers Clytus Gottwald bringt der Kammerchor schließlich melancholisch-tröstlich, durchdrungen von einem Hauch himmlischer Entrücktheit, von tiefer Empfindsamkeit, zum Klingen. Ein berührender Abend, der die Themen Tod, Vergänglichkeit und Einsamkeit aus unterschiedlichen musikalischen Blickwinkeln in bald fein austarierter, bald gestochen scharf akzentuierter Deklamation beleuchtet.
Und nicht nur die macht deutlich, warum das Ensemble 2017 den zweiten Preis wie auch den Publikumspreis beim Bayerischen Chorwettbewerb errungen hat oder bereits bei so renommierten Festivals wie dem Mozartfest Würzburg aufgetreten ist. Für diesmal verabschiedet es sich anhand der Zugabe "Te lucis ante terminum" von seinem gebannt lauschenden Auditorium. Man darf sich aber schon jetzt auf das kommende Programm "Spirit" von Crescendo im Herbst mit Bach- und Schütz-Motetten sowie zeitgenössischen "Veni creator spiritus"-Vertonungen in der Heilig-Kreuz-Kirche freuen.
Heike Haberl
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