Lebensmittel "made in Europe"

23.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:45 Uhr
Im Gewächshaus: Öko-Landwirt Christoph Daum aus Preith im Landkreis Eichstätt setzt auf eine vielfältige Bewirtschaftung, hier ist er mit Sohn Niklas und Tochter Theresa zu sehen. −Foto: Belzer

40 Prozent des EU-Haushalts fließen in die Landwirtschaft. Die Subventionen sind umstritten. Sie bevorzugen große Betriebe und bedeuten viel Bürokratie. Bio-Landwirt Christoph Daum aus dem Kreis Eichstätt fordert Verbesserungen, lobt aber die funktionierenden Kontrollen.

Als Christoph Daums Vater vor 30 Jahren auf Bio-Landwirtschaft umstellte, da war er einer der ersten im Landkreis. "Er wurde damals als grüner Spinner bezeichnet ", erzählt der 44-Jährige, der den Bio-Hof im Pollenfelder Ortsteil Preith im Kreis Eichstätt mittlerweile übernommen hat. Heute habe sich die Entscheidung seines Vaters als goldrichtig erwiesen, der Trend geht klar in Richtung Ökolandbau. Gerade erst hat die bayerische Staatsregierung beschlossen, die Bio-Landwirtschaft auf 30 Prozent auszuweiten. "Wir sind ein kleiner Betrieb, würde ich konventionell wirtschaften, könnte ich meine Familie davon nicht ernähren." Bio-Landwirtschaft ist aufwendiger und teurer, der Ertrag nicht so hoch wie bei konventionell wirtschaftenden Betrieben. Dafür werden die Produkte aber auch teurer verkauft.

Dass Daum von seinem kleinen 45 Hektar großen Hof leben kann, liegt aber nicht nur an den höheren Preisen, sondern auch an der EU. Etwa 40 Prozent des gesamten Haushalts fließen in Form von Subventionen in die Landwirtschaft - das sind knapp 60 Milliarden Euro. Die Preise für Lebensmittel im Supermarkt sind daher im Grunde ein Trugschluss - über Steuergelder hat jeder EU-Bürger bereits für Obst, Gemüse, Milch oder Fleisch mitbezahlt. Und zwar 114 Euro pro Jahr.

Die Förderung beruht auf zwei Töpfen. Aus dem ersten erhalten Landwirte 176 Euro pro Hektar - egal, ob sie konventionell oder ökologisch wirtschaften. Um kleinere Betriebe besser zu stellen, werden die ersten 46 Hektar zusätzlich bezuschusst. Dieses Geld bekommen jedoch auch alle größeren Höfe. Seit 2015 müssen die Landwirte Umweltauflagen einhalten - dafür, dass sie zum Beispiel Blühstreifen anlegen, erhalten sie 85 Euro pro Hektar. Im ersten Topf sind etwa 45 Milliarden Euro enthalten. "Die Basisprämie dient der Einkommenssicherung und Risikoabsicherung der landwirtschaftlichen Betriebe sowie auch als finanzieller Ausgleich für die weit höheren Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards in der EU im Vergleich zu den Produktionsauflagen von Mitbewerbern auf dem Weltmarkt", erklärt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Geld aus dem zweiten Topf gibt es für besondere gesellschaftliche Leistungen. Bio-Bauern werden beispielsweise dafür belohnt, dass sie auf chemisch-synthetische Pestizide oder Kunstdünger verzichten. Dieser Topf umfasst etwa 14 Milliarden Euro und ist damit deutlich kleiner als der erste.

Die BLE führt auf ihrer Homepage alle deutschen Landwirte auf, die Gelder aus verschiedenen EU-Fördertöpfen erhalten - was zu großer Transparenz führt. Christoph Daum unterhält auf seinem Bio-Hof in Preith eine relativ kleine Rindermast mit etwa 30 Tieren und baut sowohl Gemüse als auch Getreide an. Nach eigenen Angaben machen die EU-Gelder 25 bis 30 Prozent seines Einkommens aus - den Großteil des Geldes bekommt er, weil er ökologisch wirtschaftet.

"Das ist alles ein großer bürokratischer Aufwand", sagt Daum. "Die Beantragung an sich ist relativ einfach, das geht online über das Landwirtschaftsamt. Aber ich muss in meinen Büchern alles genau aufzeichnen und dokumentieren." Doch die Arbeit sei im Großen und Ganzen gerechtfertigt. "Wo bio draufsteht, ist auch bio drin", da ist er sich sicher. Die Bezeichnungen "bio" und "öko" sind durch die EU-Ökoverordnung geschützt. Erlaubt sind sie ausschließlich für zertifizierte Bio-Produkte. Gäbe es in diesem Bereich einen Skandal, würde das die ganze Branche in Verruf bringen. Daher ist Daum trotz des Aufwandes froh, dass engmaschig kontrolliert wird. Stichprobenartig und einmal jährlich angekündigt prüft eine von der EU zugelassene Stelle seinen Hof. Weil er mit seiner Tierhaltung und dem Getreide- und Gemüseanbau einen vielseitigen Betrieb führt, sind diese Termine sehr aufwendig. Daum muss alle Bücher offenlegen und nachweisen, dass das zugekaufte Saatgut und die Kälber aus ökologischer Erzeugung stammen. Der Kontrolleur schaut sich den kompletten Betrieb an, geht auf die Felder, prüft die Ställe und das Tierwohl.

Christoph Daum ist im ältesten Bio-Verband demeter organisiert, bei dem die Vorschriften weit über die Mindestanforderungen der EU an das Bio-Siegel hinausgehen. Bei der Kontrolle werden auch die demeter-Standards geprüft, sodass Daum das orangefarbene Logo auf seine Erzeugnisse kleben darf. Sein Gemüse verkauft er im Hofladen, an Großküchen und Gastwirtschaften in der Region. Auch an Gemüsekisten beteiligt er sich. Würden die Kontrolleure auf seinen Feldern Unregelmäßigkeiten entdecken, folgt eine Mitteilung an das zuständige Landwirtschaftsamt und eine Kürzung oder gar Streichung der Fördermittel.

"Ohne die Fördermittel würde kleinbetriebliche Landwirtschaft mit Nahversorgungscharakter nicht funktionieren, zumindest nicht zu den Preisen, die wir gewohnt sind." Doch wie alle Bio- und Naturschutzverbände fordert auch er, dass es weniger Geld für die reine Betriebsgröße, sondern mehr für Umweltleistungen geben sollte - also der zweite Topf gestärkt wird. EU-weit geben immer mehr Kleinbetriebe aus Wettbewerbsgründen auf. Das meiste Geld aus den Agrarsubventionen streichen große Betrieben ein, die viel Fläche besitzen. "Ich bin von der Bio-Landwirtschaft überzeugt, weil sie nachhaltig ist. Bei uns werden die Böden nicht ausgebeutet, und die Böden sind unser Kapital." Darüber hinaus spiele der Öko-Landbau eine wichtige Rolle beim Erreichen von Klima- und Nachhaltigkeitszielen. "Er vermeidet Kosten für die Allgemeinheit, wie die Reinigung von Trinkwasser von Nitrat und Pestiziden, und ist enorm wichtig für die Artenvielfalt. Weil Öko-Landbau aber aufwendiger ist, ist er auch teurer." Und so lange die Allgemeinkosten sich nicht im Preis der konventionellen Produktion widerspiegeln, so lange müsse der ökologische Landbau durch gezielte politische Maßnahmen weiter gefördert werden.

 

Geschichte der europäischen Agrarpolitik

Die Agrarförderung der EU geht auf das Jahr 1957 zurück. Sie wurde ins Leben gerufen, als die Versorgung mit erschwinglichen Lebensmitteln nicht selbstverständlich war und Landwirtschaft durch Technik revolutioniert wurde. Vor allem Deutschland war  auf Importe angewiesen. Mit den Römischen Verträgen wollten die Gründerstaaten  der EU den Bauern auf die Beine helfen und die Versorgung der Bevölkerung sichern. Während die Förderung anfangs  an die Produktion gekoppelt war, führte die EU im Kampf gegen Überproduktion 2003  Zahlungen nach Hektar ein. Dennoch wird nach wie vor nicht nur für Europa produziert. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium erlöst ein deutscher Landwirt im Schnitt jeden vierten Euro im Export auf dem Weltmarkt.

Verena Belzer