Ingolstadt
Konsumverzicht und Schoko-Rausch

Raimund Köstler, OB-Kandidat der ÖDP, mag Süßes und findet keinen vernünftigen Grund zu heiraten

17.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:42 Uhr
Zander auf viel Salat: OB-Kandidat Raimund Köstler hat den Teller am Ende nicht ganz leergegessen, sehr zu seinem Verdruss. Trotzdem gab es noch ein Dessert, das ratzfatz verspeist war. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Die einen speisen gern exklusiv.

 

Er lieber inklusiv: Raimund Köstler, OB-Kandidat der ÖDP, wählt für das Mittagsessen mit dem DK das "Holler" aus. Das Restaurant im Piusviertel gehört zu einem Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Behinderung. Der 56-Jährige erklärt, das sei sein Lieblingslokal im Bezirk, quer über die Kreuzung liegt sein Arbeitsplatz im GVZ. Er deutet nach draußen: "In dem gelben Hochhaus dort bin ich aufgewachsen, und da war unser Schlittenberg", erzählt er. "Ich bin zur Grundschule an der Ungernederstraße gegangen und später auf die Herschelschule. " Er ist also einer aus dem Piusviertel - ein Ingolstädter, der bei Audi arbeitet so wie Tausende andere. Ohne den typischen Schanzer Zungenschlag jedoch und auch wegen seiner leicht spröden und nüchternen Art halten viele den Informatiker für einen aus Norddeutschland. "Nur wenn ich zu VW nach Wolfsburg fliege, sagen sie: ,Aha, du bist einer aus Bayern. '. "

Köstler schmunzelt, greift zur Speisenkarte und entscheidet sich für den Zander auf Salat. Fisch am Freitag? Hat das religiöse Gründe? Der Ökodemokrat winkt ab. Überhaupt nicht. Er lebt auch schon seit fast 30 Jahren ohne kirchlichen Segen und Trauschein mit seiner Partnerin zusammen. "Es gab nie einen Grund zu heiraten", so Köstler. "Um etwas zu tun, braucht man kein Siegel oder Zertifikat. Und wegen des Geldes zu heiraten - das kann ja wirklich nur der schlechteste Grund sein. "

Drei erwachsene Kinder hat das Paar, das in einer Doppelhaushälfte in Oberhaunstadt lebt. Die Töchter und die Frau stehen auch auf der ÖDP-Stadtratsliste. Am Valentinstag wäre Köstler vielleicht gern mit ihr abends schön essen gegangen anstatt mit der DK-Redakteurin zum Lunch, aber den Termin hat er selbst bestimmt. Denn immer freitags hat er frei und widmet sich der Politik - vor allem jetzt im Wahlkampf. Köstler schaffte bei der jüngsten Forsa-Umfrage gerade einmal ein Prozent. Trotzdem zieht er es durch, läuft auch von Haus zu Haus, um Flugblätter einzuwerfen "Ich bin optimistisch, dass sich etwas ändern wird. Und ich hoffe, dass es besser wird. "

Früher hat er die Grünen gewählt. "Was mich zur ÖDP gebracht hat, war das Thema Unabhängigkeit. Mich hat der Lobbyismus in der Politik gestört, der extrem ausgeprägt ist. Die Grünen waren auch dabei, als Rot-Grün regiert hat. Da sind sie bei mir durchgefallen. Diese generelle Unabhängigkeit, der sich die ÖDP verschrieben hat, ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. " Ein Arbeitskollege warb ihn 2008 für die örtliche ÖDP an - der langjährige Stadtrat Franz Hofmaier. Grundsätzlich findet Köstler Lobbyarbeit ja in Ordnung. "Im Vergleich zu den Bürgern muss auch die Industrie eine Mitsprache haben. Aber die Verbindungen zwischen Industrie und Politik müssen viel stärker offengelegt werden. " Raimund Köstler fährt, logisch, einen E-Smart - Urlaubsreisen in die Berge oder an die Nordsee werden im großen Familien-Audi seiner Frau unternommen.

 

Der Kandidat redet und kaut mit Bedacht. Das üppige Salatbett unterm Zander schafft er nicht ganz - dabei ist er einer, der am liebsten alles aufisst. Die Bedienung fragt beim Abräumen nett, ob sie den Salatrest einpacken soll - doch irgendwo hat Öko auch seine Grenzen. Aber auf einen Nachtisch hat der 56-Jährige dann doch noch Appetit. Raimund Köstler mag Süßes, "zu gerne", wie er gesteht: "Wenn es sein muss, esse ich auch mal eine ganze Tafel Schokoladen auf einmal. Und wenn die Packung leer ist, ist der Ärger groß. "

Klar, dass er nur Bio-Schokolade nascht. "Seit kurzem gibt es bei uns in Oberhaunstadt einen Edeka, der hat einen unwahrscheinlich hohen Anteil an Bio-Lebensmitteln. " Köstler geht zu Fuß einkaufen, Getränkekisten lädt er auf dem Weg zur Arbeit ins Auto ein. Im Sommer benutzt er einen Fahrradanhänger. "Ich gestehe: Ich bin ein Schönwetterradler. "

Zeit für Hobbys bleiben neben der Politik kaum, so Köstler. Früher habe er über 30 Jahre lang beim TV 1861 Volleyball gespielt. "Inzwischen gehe ich nur noch ab und zu mit meiner Frau ins Fitnessstudio. " Er hört auch gern Musik: Kurz vor Weihnachten hat er sich selber neue Lautsprecher geschenkt, die er sich eigentlich schon zum 50. Geburtstag gönnen wollte. "Jetzt macht mir das Musikhören noch mehr Spaß. Ich mag Klassik, die leichter ist: Operetten, Ouvertüren, ausgesuchte Stücke von Mozart. "

Das mit den Lautsprechern sagt viel aus über Raimund Köstler und sein Verhältnis zum Konsum. "Man kann sich ruhig mal länger auf etwas freuen. Deshalb hat meine Lautsprecher-Beschaffung auch fast sieben Jahre gedauert. " Leider war der kleine Laden in der Innenstadt, den er zum Probehören aufgesucht hatte, am Tag der Kaufentscheidung schon wieder verschwunden von der Bildfläche. Also hat er sie notgedrungen im Internet bestellt.

DK

Suzanne Schattenhofer