Konstruktiv mit Widerständen arbeiten, um Interessen in Einklang zu bringen

28.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:30 Uhr |

Zur Berichterstattung über die Gewerbegebiete in Rohrbach-Ost sowie den umstrittenen Planungen für Alberzell und Singenbach: Wer das liest, hat es mit dem Kern unserer politischen Krise zu tun: "Die Gemeinde nimmt die Hinweise zur Kenntnis, aber es wird an der Planung festgehalten.

Der Gemeinderat stimmte der Flächennutzungsplanung einhellig zu. " Denn wenn das Gewerbegebiet Rohrbach-Ost entgegen der Argumente von Bund Naturschutz und Anliegern einfach trotzdem gebaut wird und wenn es noch nicht einmal zu einem Gespräch darüber kam, ob die gerade erst planierten Gewerbeflächen in Bruckbach eine Alternative gewesen wären, dann ist unser System offenbar nicht dafür ausgelegt, Widerstände der Bevölkerung angemessen zu berücksichtigen.
Doch die Gewalt gegen Minderheiten, das Plattmachen durch Überstimmen und Weghören, sie bringt nur kurzfristig Ruhe: Überall in Bayern gründen sich Bürgerinitiativen gegen neuen Flächenfraß und Schwerlastverkehr. Und sie können durchaus erfolgreich sein, wie Günter Halsbeck mit seiner BI gegen Ilmendorf-Nord (Geisenfeld) zeigte.

Jetzt kämpft man in Gerolsbach gleich an zwei Stellen mit dem Thema und hat einen Bürgerentscheid vor sich. Genau hinschauen mögen die Wähler bei den zwei alten Dauerbrenner-Argumenten Gewerbesteuer und Arbeitsplätze, die sich in vielen Fällen als Nebelkerzen entpuppen: In den Einnahmen der bayerischen Kommunen macht Grundsteuer plus Einkommenssteuer seit 15 Jahren den Löwenanteil aus, erst deutlich dahinter kommt die Gewerbesteuer (Quelle: Kommunaler Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung). Und Arbeitsplätze? Viele moderne Gewerbebetriebe produzieren nahezu vollautomatisch, sie brauchen vor allem Fläche, einen PC-Mitarbeiter für deren Verwaltung und vielleicht noch einen Staplerfahrer. Sicher sind jedoch eine immer gigantischere Bodenversiegelung und der steigende Lkw-Verkehr.

Was tun? Wer sich innerhalb des politischen Systems nicht gehört fühlt, wendet sich gegen das System: Dies zeigt sich an allen Formen von Extremismus, Terrorismus und "hate speech" im Internet. Außerdem rennen ja schon immer mehr Menschen undemokratischen Heilsversprechern nach - ein gefährlicher Rückschritt. Ja, die Demokratie steckt in einer Krise. Doch der Ausweg ist nicht, die Demokratie aufgeben, sondern erneuern! Das gewaltvolle Mehrheitsprinzip - überstimmen oder überstimmt werden - muss endlich der konstruktiven Arbeit mit Widerständen weichen. Die Methode heißt "Systemisches Konsensieren" und ist frei verfügbar, auch für Online-Konsensierungen. Gerade im kommunalen Bereich wäre das ein Weg, bereits in der Planung mehr Optionen zu entwickeln als nur A oder B, dafür oder dagegen, und verschiedene Interessen friedlich und dauerhaft miteinander in Einklang zu bringen.
Annette Hartmann

Geisenfeld

Artikel kommentieren