Ingolstadt - „Vielleicht ist die Bahn schuld“, erlaubte sich Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag, einen kleinen Scherz. Denn der bundesweit erste grüne Fahrzeug-Kongress, zu dem die bayerischen Grünen am Samstag nach Ingolstadt geladen hatten, begann mit einer kurzen Verzögerung. Nicht alle der illustren Gäste und Redner hatten es rechtzeitig in die Ingolstädter Volkshochschule geschafft. Hier diskutierten die Grünen am Samstag gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft und Industrie über die Mobilität der Zukunft. Schwerpunkt der Debatte: Wie schafft die für Deutschland und Bayern so wichtige Automobil-Industrie den Wandel hin zu klimaneutralen Antrieben, ohne dass dabei Zigtausende Arbeitsplätze vernichtet werden? Und welche Rolle spielt dabei die Politik in Berlin und München?
Das sind Fragen, die auch und gerade für die Region rund um Ingolstadt von Bedeutung sind, wie Schulze betonte: „Wir sind mit unserem bundesweit ersten Kongress dieser Art bewusst nach Ingolstadt gegangen“, sagte sie unserer Zeitung am Rande der Veranstaltung. Keine andere Region in Bayern sei derart mit dem Auto verbunden. Da mache sich angesichts der Veränderungen Unsicherheit breit, so Schulze. Das habe sie im Vorfeld des Treffens in Ingolstadt deutlich gemerkt. „Aber wir wollen alles dafür tun, dass das Auto der Zukunft aus Bayern kommt und die Arbeitsplätze weiter sicher sind“, meinte Schulze.
Von der Grünen-Forderung, ab dem Jahr 2030 keine Verbrennungsmotoren und ausschließlich emissionsfreie Autos zuzulassen, rückte Schulze freilich nicht ab. „Die Industrie benötigt Rahmen und damit Planungssicherheit“, sagte die Politikerin. Das könne auch zu neuen Innovationen führen. Ziel sei natürlich ein besserer Klimaschutz. Dafür brauche es jedoch eine Regierung, die „nicht nur verwaltet, sondern auch gestaltet“. Zu lange hätten „konservative Politiker“ am Verbrenner festgehalten, kritisierte sie. Als Oppositionspartei wüssten die Grünen, dass „wir so nicht weiter machen können“.
Ganz ähnlich äußerte sich zudem Anton Hofreiter. Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag war nach Ingolstadt gekommen. Er erklärte mit Blick auf den Klimawandel, die Menschheit habe vielleicht noch zehn bis 15 Jahre Zeit. „Und das nicht um die Welt zu retten. Die hat schon mehr überstanden als uns. Sondern um unsere Lebensgrundlage zu bewahren“. Hofreiter forderte, nicht ohne die eine oder andere Spitze gegen Verkehrsminister und CSU-Mann Andreas Scheuer auszuteilen, es müsse mehr sauberer Strom her, um die E-Mobilität zu stärken. Außerdem müsse Schluss damit sein, den Begriff „Technologieoffenheit“ dafür zu missbrauchen, keine Entscheidungen mehr in puncto Infrastruktur zu treffen.
Wie wenig heute klar ist, wohin die Reise bei der Mobilität und Energieversorgung gehen wird, wurde auch in den zahlreichen Debatten und Vorträgen deutlich. Markus Lienkamp ist Professor für Fahrzeugtechnik an der TU München und davon überzeugt, dass die automobile Zukunft denjenigen Unternehmen gehört, die sich konsequent der Entwicklung der E-Mobilität verschrieben haben. Als Beispiel nannte er Volkswagen. „Herr Diess (Vorstandschef von VW, Anm. d. Red.) hat hier den richtigen Weg eingeschlagen“, so der Forscher. Er betonte zwar auch, dass alle nun neu zugelassenen Autos im Grunde genommen lokal sauber sind, es aber weiterhin die Notwendigkeit weiterer Innovationen gibt. Der Grund ist klar: Ab 2030 müssen es alle Hersteller schaffen, den CO2-Ausstoß ihrer Flotte auf höchstens 60 Gramm pro 100 Kilometer zu begrenzen. So will es die EU. Lienkamp machte unmissverständlich seine Ansicht klar: „Das ist mit dem Verbrenner nicht machbar.“
Die Voraussetzung für klimafreundliche E-Autos sei jedoch regenerativer Strom, sagte der Wissenschaftler. Und in diesem Punkt waren sich tatsächlich alle Redner des Tages einig. Dass die Mobilität der Zukunft komplett elektrisch sein wird, unterschrieb aber nicht jeder. Tobias Brunner, Geschäftsführer der Hynergy GmbH, warb etwa für wasserstoffgetriebene Fahrzeuge. Er plädierte dafür, gerade bei schweren Autos wie etwa den immer beliebteren SUVs und vor allem bei Nutzfahrzeugen auf Wasserstoff zu setzen. Gerade im Freistaat tue sich bei dieser Technologie jede Menge, so Brunner. Aktuell sei etwa eine Wasserstoff-Modellregion rund um München geplant. „Derzeit gibt es einen E-Auto-Hype – und der ist sicher nicht schlecht. Die Fixierung auf eine Technologie ist aber falsch“, sagte Brunner.
Tatsächlich stellt der Wandel vor allem für die Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen eine Herausforderung dar, sagte Oliver Klug vom Münchner Lastwagenbauer MAN. Als Volkswagen-Tochter entwickle man natürlich E-Lösungen. „Unsere Produkte kauft der Kunde aber nicht wie bei Porsche, weil sie ihm gefallen oder er das Geld über hat. Ein Lkw muss sich für den Kunden rechnen“, so Klug. Das bedeute, dass ein E-Lkw die gleichen Lasten tragen und genau so zuverlässig und kostengünstig sein müsse wie ein konventioneller. „Und dafür brauchen wir die richtige Infrastruktur“, appellierte er mit Blick auf Ladesäulen an die Politik.
Vor der Tür der VHS präsentierte dann noch Ex-Audi-Ingenieur und Sportwagenbauer Roland Gumpert seine Vision der Zukunft. Sein Modell „Nathalie“ kann klassisch elektrisch aufgeladen werden – oder es lädt sich einfach selbst. Eine zusätzlich verbaute Brennstoffzelle erzeugt aus einem – im besten Fall regenerativ erzeugtem – Methanol-Wasser-Gemisch Energie, welche dann in der Batterie gespeichert werden kann.
Christian Tamm