Neuburg
Kneippen und Schrothkur in Neuburg

Erinnerungen an den Kurort der 20er Jahre Versuche zur Wiederbelebung gescheitert

27.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:38 Uhr
Wie ein Alchemist bedient Bürgermeister und Arzt Rüdiger Vogt die Wirkstoffe in der stilisierten Apotheke der Barmherzigen Brüder. −Foto: Rein

Neuburg (r) In den 20er Jahren war Neuburg Kneipp-Stadt. Die Nationalsozialisten konnten mit dem zarten Fremdenverkehrszweig nichts anfangen und der Traum vom "Kurbad" war schnell dahin. Später bemühte sich Fritz Seebauer (89), die heilsame Wirkung von Licht, Luft und Wasser bewusst zu machen.

Der Altmeister hatte noch 2017 Kontakt mit Bad Wörishofen und Kneipp-Verbänden, doch ein "Startup" für Kneipp-Tourismus wird in der schnelllebigen Zeit wohl kaum gelingen. Der Markt ist besetzt und starke Mitstreiter hat Fritz Seebauer in der Stadt wenig gefunden. "Dabei hätten wir alles, die Donau, Wälder und eine schöne Landschaft."

Es bleibt die Nostalgie. Im Rathausfletz läuft eine Ausstellung über die Kneipp-Jahre in Neuburg, eröffnet von Bürgermeister Rüdiger Vogt. Er ist prädestiniert dafür, denn in seiner ärztlichen Ausbildung lernte er in Bad Wörishofen Naturheilverfahren kennen. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Wassergüssen, Schrothkuren und Bewegung an der frischen Luft sei wissenschaftlich belegt, "ich wende das auch persönlich an", sagt der Bürgermeister. Turnvater Friedrich Ludwig Jahn propagierte 1811 die körperliche Ertüchtigung mit dem ersten Turnfest, Vincenz Prießnitz führte 1830 das Kurwesen in Bad Gräfenberg und Freiwaldau (Jesenik) ein und Johann Schroth wies in Lindewiese auf den Wert von Fasten und gesunder Ernährung hin.

Die Ideen des schwäbischen Naturheilkundlers und Priester Johann Sebastian Kneipp (1821 -1897) fanden im Neuburg der 20er Jahre starken Widerhall. Der Sägewerksbesitzer und Fabrikant Franz Hoffmann schritt zur Tat und holte mit Dr. Wilhelm Spengler einen Arzt aus München nach Neuburg, der die Lehre Kneipps umsetzen sollte. Bald gab es Wasserbäder, Wärmebehandlungen, Massagen, Kräuterkunde und die Burgwehr als "Wellnessoase". In der Fünfzehnerstraße entstand sogar ein neues Kneippheim und die Hoffnung von Gastronomie und Geschäftswelt auf neue Einnahmechancen blühten auf. Neuburg sei tatsächlich auf dem Weg zu einem "Kurbad" gewesen, sagen die Historiker, aber in den 30er Jahren ging der Traum zu Ende. Die aufkommenden Nationalsozialisten konnten mit dem Kneippen nicht mehr viel anfangen, die Zentrale wandelten sie in ein Gästehaus für Parteigänger um. Der Weggang von Doktor Wilhelm Spengler nach Wörishofen beschleunigte den Niedergang der Kneipp-Zeit in Neuburg. "Eigentlich schade", findet Manfred Hoffmann, Urenkel des damaligen Initiators, "es hätte durchaus etwas werden können mit dem Kurort Neuburg." Das Kneippheim, später Landrats- und Finanzamt, ist 1996 abgerissen worden. Es bleiben Sayle-Fotos, ein Film der 20er Jahre von Franz Hoffmann und Erinnerungen an das Kurbad Neuburg. Eine Ausstellung von Kulturamt und Stadtarchiv hat sie jetzt gekonnt aufbereitet und zeigt Fotos, Gemälde, Dokumente und ein Offizin, einen Arbeitsraum, der alten Brüderapotheke im Rathausfletz. Geöffnet ist die Schau "Sana per Aquam" bis 29. April, Donnerstag und Freitag von 17 bis 19 Uhr, am Wochenende von 11 bis 19 Uhr.