Klare Kante

Kommentar

03.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:33 Uhr

Die Türkei bringt die Bundesregierung ganz schön in die Bredouille. Die Verschärfung der Ankara-Politik und alle eindringlichen Warnungen an Präsident Recep Tayyip Erdogan haben ihre Wirkung verfehlt. Das dortige Regime hat jegliche Hemmungen verloren.

Aufgepumpt mit Nationalismus und chauvinistischem Stolz forcieren Erdogan und seine Büchsenspanner den Konflikt mit Deutschland. Ganz so, als könnte die Bundesrepublik ihm und seinem Land nichts anhaben. Das aber ist kurzsichtig und, mit Verlaub, dumm. Erdogan könnte mit Deutschland einen starken Verbündeten haben, doch er tut alles, um das traditionell enge und freundschaftliche Verhältnis zu vergiften, ja zu zerstören.

Und so degradiert er Polizei und Justiz zu Geiseljägern, lässt sie deutsche Staatsbürger selbst in Drittländern mit fadenscheinigen Vorwürfen festnehmen. Ausgerechnet 200 Tage nach der skandalösen Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel haben Erdogans Häscher erneut zugeschlagen und zwei Deutsche offenbar mit türkischen Wurzeln festgenommen. Nun können sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel nicht mehr mit Drohungen und Nadelstichen aus der Affäre ziehen. Jetzt sind klare Kante und eine Sprache gefragt, die Erdogan versteht. Einschränkung der Hermes-Bürgschaften oder schärfere Reisehinweise - der wirtschaftliche Hebel ist der einzig wirksame.

Auch auf europäischer Ebene müsste angesetzt werden. Mag sein, dass ein Ende des EU-Beitrittsprozesses Erdogans Propaganda zunächst in die Hände spielt. Doch wenn er keine Mittel aus Brüssel mehr bekommt, wenn er sich die Ausweitung der Zollunion abschminken kann, wenn es keine Visaerleichterungen für Türken gibt, wird er schon bald die wirtschaftlichen Folgen zu spüren bekommen.