Keine Lust auf die Heldenrolle

23.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Von Norbert Roth

Mit Bewunderung, Kopfschütteln - oder einfach nur Respekt. Wie soll man diesem Phänomen begegnen, dass da 1980 bei den Spielen in Lake Placid die olympische Bühne betreten hat, fünfmal zu Gold raste, und unmittelbar danach die aktive Karriere beendete? Eric Heiden, 21-jähriger Modellathlet mit einem spektakulären Oberschenkelumfang von 74 Zentimetern, smart und zurückhaltend im Auftreten, wollte ganz offensichtlich nur Eisschnelllaufen. Den Gedanken, sein Talent zu versilbern, heute praktisch untrennbar mit jedem Spitzenathleten verbunden, kam ihm trotz bester Voraussetzungen nicht in den Sinn.

Dabei lag dem in Wisconsin aufgewachsenen Sohn eines Orthopäden die Sportwelt zu Füßen. Schließlich hatte er Besonderes erreicht. Angefangen bei der 500-Meter-Strecke, blieb er auch auf der 1000-, der 1500-, der 5000- und der 10 000-Meter-Strecke unbesiegt. Eigentlich undenkbar. Welcher 100-Meter-Sprinter in der Leichtathletik würde sich im 3000-Meter-Lauf überhaupt nur an den Start trauen? Für Heiden schien es solche Grenzen nicht zu geben. Fünfmal war er der Schnellste - und blieb dennoch bescheiden.

Wenn später die Rede auf seine Medaillen kam, gehörte der Satz "Nicht so wichtig" zu seinem festen Repertoire. Dem Einschnelllaufen treu zu bleiben, dabei seinen Ruhm zu Geld zu machen, das wollte er aber nie. Vom Charakter her eher der Typ Schwiegersohn, wehrte er sich gegen die Rolle als Star, ein zweiter Mark Spitz (1972 siebenfacher Goldmedaillengewinner im Schwimmen und spätere Werbeikone) mochte er einfach nicht werden. "Ich freue mich am Eislaufen - das ist alles", sagte er einmal. Und so beendete er nach den Spielen in Lake Placid, mit 21 Jahren, seine Karriere.

Sein Ehrgeiz galt ab sofort anderen Dingen. So versuchte er sich auf sportlicher Ebene als Radfahrer, war neun Jahre Mitglied eines Profi-Rennstalles und nahm 1986 sogar an der "Tour de France" teil. "Das ist härter als Eislaufen, ich habe allergrößten Respekt vor den Radprofis. Ich glaube, man kann keinem Normalsterblichen vermitteln, was es heißt, die Tour durchzustehen", sagte Heiden, der das Rennen 1986 infolge eines Sturzes nach der 18. Etappe abbrechen musste.

Privat trat er in die Fußstapfen seines Vaters, studierte Medizin, arbeitete später als Sportmediziner und kehrte als Teamarzt der amerikanischen Eisschnellläufer 2002 in Salt Lake City auch noch einmal zu den Olympischen Spielen zurück.

Die Frage, ob er sich denn im Nachhinein einmal geärgert habe, dass er seine aktive Karriere so früh beendet hat, beantwortete er auch Jahre später immer noch zurückhaltend. "Ich wusste sehr genau und sehr früh, was ich nach meiner Karriere machen wollte. Dadurch bin ich nie in Gewissenskonflikte gekommen. Ich hatte doch eine wunderschöne Zeit. Und nach fünf Goldmedaillen: Was hätte da noch kommen können"

Vor nicht allzu langer Zeit tauchte die Meldung auf, wonach Heiden seine Medaillen von 1980 verloren habe. Das passte natürlich ins Bild von dem Mann, der mit seinen fünf Siegen noch immer der erfolgreichste Winterolympionike bei einer Veranstaltung ist, zugleich aber nie ein Held sein wollte. Der inzwischen 59-Jährige gab jedoch Entwarnung, die Abzeichen seien wieder aufgetaucht: "Ich habe sie in einem Wandschank wiedergefunden. Zwischen Socken und Unterwäsche."