Neuburg - Im Sehensander Forst hat am Donnerstagnachmittag die Spezialfirma Witty aus Dinkelscherben (Landkreis Augsburg) damit angefangen, Chlor in das Trinkwassernetz der Neuburger Stadtwerke einzuleiten.
Grund sind Keime des Erregers Pseudomonas aeruginosa, die dort entdeckt worden sind. Bis das Desinfektionsmittel sich überallhin verteilt hat, gilt im Versorgungsgebiet der Stadtwerke seit Mittwoch ein Abkochgebot. Wir haben uns umgehört, was für Konsequenzen das hat.
Zahnärzte stehen vor großen Problemen
Im Gesundheitssektor zeigt sich kein einheitliches Bild. In der KJF-Klinik St. Elisabeth in Neuburg, wo die Verunreinigung bei einer Routinebeprobung bereits in der vergangenen Woche erstmals entdeckt worden war, ist der Betrieb nur geringfügig eingeschränkt. Viele Zahnärzte hingegen stehen wegen der Keime nun vor einer Zwangspause. "Wir sind am meisten betroffen", sagt ihr Sprecher Michael Schmiz. Weil Trinkwasser für die Kühlung beim Bohren und auch zum Spülen eigentlich Standard sei, haben viele Praxen nun erst mal geschlossen. "Andere machen nur das Notwendigste, was noch geht. " Schmiz geht daher von einem richtigen Problem in den nächsten Tagen aus - vor allem für Patienten. Allerdings gilt für ihn: "Lieber kein Risiko und höchste Vorsicht walten lassen. "
Herausforderung für die Pflegeeinrichtungen
Im Alten- und Pflegeheim St. Augustin hat das Personal nach Bekanntwerden der Kontamination umgehend reagiert. "Wir sind durch Corona kampferprobt, machen weiter und helfen alle zusammen", sagt Einrichtungsleiter Klaus Müller. Sämtliche Wasserspender seien nun stillgelegt, für die Mundhygiene haben die Bewohner Mineralwasser bekommen, zum Frühstück gebe es Nescafé und die Küche koche den ganzen Tag Wasser ab. "Das ist natürlich ein Riesenaufwand", erklärt Müller, bei dem auch die Sorge um die Bewohner mitschwingt. Denn völlige Kontrolle sei schlicht und ergreifend unmöglich. Etwas irritiert ist er von der Kommunikation durch die Neuburger Stadtwerke. Diese fiel seiner Meinung nach am Mittwoch eher dürftig aus.
Grünes Licht für den Sommerpark
Der Sommerpark, der an diesem Freitag auf dem Neuburger Volksfestplatz eröffnet wird, kann stattfinden - ohne dass sich Besucher Sorgen um ihre Gesundheit machen müssten, wie Oberbürgermeister Bernhard Gmehling betont. Auch die Julius-Brauerei sieht sich dank eingebautem Filter und dem ohnehin steril gekochten Bier auf der sicheren Seite. Manfred Enzersberger, Marktreferent des Stadtrats und Gastronom, hat sich vom Gesundheitsamt ebenfalls das Okay für den weiteren Betrieb seiner Gastronomie geholt. "Der Keim wird bei 55 Grad abgetötet", sagt er. Moderne Spülmaschinen und Kaffee-Vollautomaten lägen in ihrer Temperatur weit darüber. Auch Obst und Salat dürfen weiter angeboten werden.
Friseursalons dürfen weitermachen
Wegen Corona müssen Friseure und Friseurinnen vor dem Schneiden auch die Haare waschen. Petra Kragler, Inhaberin eines Friseurladens, hat gleich beim Gesundheitsamt angerufen, nachdem sie unzählige Anrufe von besorgten Kundinnen erhalten hatte. "Dort hat man mir gesagt, es gibt keine Geschäftsschließungen. Jeder soll das mit seinem gesunden Menschenverstand angehen. " Der Keim sei ja vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährlich und trete über die Schleimhäute oder offene Wunden ein. "Deswegen weisen wir die Kunden vorher darauf hin und untersuchen dann den Kopf auf Wunden. Bisher hat's gut funktioniert", findet Kragler, die aber auch sagt: "Wir duschen ja niemanden, wir waschen nur die Haare. "
Luftwaffengeschwader bleibt wachsam
Auch beim Luftwaffengeschwader beschäftigt man sich mit den Keimen im Trinkwasser. Der Flugplatz ist zwar nicht an das Netz der Stadtwerke angeschlossen, wohl aber die Wohnbereiche der Soldaten in der Wilhelm-Frankl-Kaserne. Die Duschen dürfen vorerst nicht verwendet werden, sagt Presseoffizier Florian Herrmann. Und zum Händewaschen verwenden die Soldaten jetzt Desinfektionsmittel. Die Truppenküche kocht das Wasser ab, stellt es kalt und bringt es dann noch einmal zum Kochen. "Als Soldaten sind wir erprobt, unter besonderen Umständen zu agieren", sagt Herrmann. "Und zur Not kann man ja zum Duschen rüber zum Flugplatz. " Ob man etwa Soldaten, die in der Kaserne übernachten, früher ins Wochenende entlässt, das werde noch überlegt.
DK
Bis zu sieben Tage abkochen
Am Mittwoch gab das Gesundheitsamt bekannt, dass Keime des Erregers Pseudomonas aeruginosa im Trinkwassernetz der Neuburger Stadtwerke entdeckt wurden und ab sofort ein Abkochgebot gilt. Der Krankenhauskeim steht im Verdacht, bei Menschen mit Immunschwäche, gestörten Haut- oder Schleimhautbarrieren oder chronischen Krankheiten sowie bei Säuglingen und Senioren eitrige Entzündungen auszulösen. Betroffen sind die Kernstadt sowie Oberhausen, rund 28000 Bürger. Sie sind dazu aufgerufen, alles Wasser für den menschlichen Gebrauch für bis zu sieben Tage abzukochen. Vom Duschen, Zähneputzen oder Waschen mit dem Keimwasser rät das Gesundheitsamt ab.
Die Firma Witty aus Dinkelscherben installierte am Donnerstag ein mobiles System zur Notchlorung und Rohrleitungsdesinfektion. Aufgrund des derzeit geringeren Wasserverbrauchs der Bürgerinnen und Bürger dauert es laut Stadtwerke ein bis zwei Tage, bis sich das gechlorte Wasser im Hochbehälter sammelt, von wo es in das Leitungsnetz fließt. Nach Schätzungen der Wasserabteilung der Stadtwerke sollte in fünf bis sieben Tagen ein Wert erreicht sein, der die Nutzung des Wassers wieder möglich macht. Die Aufhebung der Abkochanordnung erfolgt in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt.
DK
Thorsten Stark, Stefan Janda
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