Kapuziner ziehen nach 386 Jahren fort

16.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:34 Uhr

Portrait von Pater Ingbert Naab; gestorben 1935.? Repro: je

Eichstätt (EK) "Eichstätt kämpft um seine Kapuziner." So lautete im August 1982 eine Schlagzeile im EICHSTÄTTER KURIER. Damals ging es um die beiden in jüngster Zeit wohl berühmtesten Ordensmänner Pater Dr. Marinus Mayer und "Hampererfrater" Egdon Lehrmann. Sie sollten versetzt werden. Der Aufstand der Eichstätter und Petitionen an die Ordensleitung aus dem Rathaus nützten nichts. Die beliebten Seelsorger mussten fort.

Pater Guardian Ludwig, befragt nach der Wirkung so eines Protests in der aktuellen Situation, sagt: "Wenn sie mir 30 Männer schicken, die in den Orden eintreten, bleiben wir." Das ist das Problem im 386. Jahr, seit die Kapuziner in Eichstätt einzogen: Es gibt fast keine Kapuziner mehr. Da hilft den Eichstättern auch nicht das so berühmte und viel verehrte heilige Grab und auch nicht, dass die Niederlassung Studienkloster ist. 1979 zählte das Eichstätter Mönchhaus vier Patres, fünf Brüder und sechs Kapuzinerstudenten; 1984 waren 17 Zellen belegt.

1623 Gründung

Der Orden des heiligen Franziskus von Assisi wurde 1209 gegründet. Erst 1574 wurde den Mönchen eine Ausbreitung außerhalb Italiens erlaubt. So kam es 1623 zur Gründung das Klosters Eichstätt. Wie Alfons Sprinkart in der Broschüre "Das Kapuzinerkloster Eichstätt 1623 bis 1988" schreibt, ließen sie sich beim Schottenkloster, bei den Benediktiner aus Irland also, nieder. Diese hatten 1166 die getreue Nachbildung des heiligen Grabens in Jerusalem errichtet. Die Schottenmönche verließen Eichstätt, die Kirche musste 1611 wegen Baufälligkeit geschlossen werden.

Die Kapuziner kamen mit 30 Männern und bauten die Kirche um das heilige Grab neu. Am 12. Oktober 1625 wurde sie eingeweiht. Die Mönche lebten von Woll- und Buttersammlungen und anderen Almosen und wurden vom Bischof unterstützt. Sie verpflichteten sich, im Dom Beichtgelegenheit anzubieten; ein Pater war in der Pfarrkirche als Prediger angestellt. Allein in den Jahren 1668 bis 1723 wurden von den Kapuzinern 521 900 Beichten gehört. Auch in unserer Zeit ist die Heilig-Kreuz-Kirche beliebte Beichtkirche. Wie viele Sorgen, Nöte und Sünden wurden in den Beichtstuhl und das Beichtzimmer getragen und wie oft wurde den Menschen Trost gespendet?

Die Bayerische Kapuzinerprovinz war 1668 selbstständig geworden und bekam so viel Zulauf, dass 1711 eine Teilung vorgenommen werden musste: Die Fränkische Provinz wurde gegründet. Die Franken wünschten Eichstätt in ihre Provinz einzugliedern, doch Eichstätt wehrte sich vehement und bekam Unterstützung von Fürstbischof Johann Anton, der betonte: "Ich werde Eichstätt nur den bayerischen Kapuzinern überlassen."

1802/1803 kam die Säkularisation mit der Enteignung der Kirchenstaaten und der Auflösung der Klöster. Das Eichstätter Kapuzinerkloster konnte zunächst bestehen bleiben; als aber Eichstätt 1806 an die bayerische Krone fiel, wurde es zusammen mit Berching aufgelöst und zum Aussterben verurteilt. Jedoch: 1826 erlaubte König Ludwig I. wieder die Aufnahme von Novizen. Allmählich bekam der Orden Zulauf. In Eichstätt wurde in Laufe der Jahre auch in baulicher Hinsicht investiert und das Kloster zum Studienkloster der Bayerischen Provinz erklärt.

Kapuziner in der dunkelbraunen Kutte mit dem weißen Strick um den Bauch, gehörten zum Bild in der Stadt und den Dörfern. Sie verschlossen sich nicht in den Zellen und hatten auch Gäste in den Klostermauern. Es können nur einige Punkte erwähnt werden, wie etwa der enge Kontakt zu den lustigen Leuten vom Bösen-Buben-Club, die oft in der Kapuzinerkirche festlich sangen, zur Josefi-Vereinigung, die bei den Kapuzinern ihr Patrozinium beging, und zu den vielen Gläubigen, die gerne die Sonntagsmesse bei den Kapuzinern besuchten. Erwähnt werden muss auch der Dritte Orden mit seinen vielen, vielen betenden Laien-Mitgliedern.

Walzer in Kutte

Das waren Sternstunden, die den Kapuzinern unheimliche Sympathien eintrugen, wenn zum Beispiel ein Pater Marinus in seiner etwas abgeschabten Kutte beim Ball der Handwerker einen flotten Walzer mit einer Bäckereiverkäuferin aufs Parkett legte! Oder wenn Pater Rigobert in der Redaktion die Gottesdienstordnung abgab und dann mit seinem Radl über den Marktplatz und die Ostenstraße hinausfetzte.

Das Kloster Eichstätt beherbergte wahrlich große Kapuziner. Pater Gallus Hiller (gestorben am 28. Oktober 1951) war mit überaus großem Humor gesegnet. Er war Krankenhausseelsorger, von dem der Chefarzt sagte: "Ich behandle die Leute mit Spritzen, sie heilen mit Witzen." Der Geistliche machte täuschend echt Hundegebell und Lokomotivenpfiffe nach und spielte Kasperltheater.

Selbst gedrehte Zigaretten

Der schon erwähnte Pater Marinus Mayer (gestorben am 27. Dezember 1986) war gelernter Bäcker, setzte sich auf den Hosenboden und "büffelte" sich bis zum Doktor des Kirchlichen Rechts hoch. Er blieb auch als Akademiker der liebenswerte Pater, den in Eichstätt alle kannten und verehrten. Natürlich zog es ihn oft in die Backstuben zu den Bäckern und überhaupt zu den Handwerkern. In seiner Zeit blühte die Franziskanische Werkjugend auf. Pater Marinus rauchte hie und da eine seiner selbst gedrehten Zigaretten, und man sah es ihm an, dass er Gott zuerst um Verzeihung bat, ehe er seine Zigarettendrehmaschine in Aktion setzte. Ein Markenzeichen des Geistlichen war seine lederne "Rockerjacke", die er zum Mopedfahren anzog. Wenige Jahre vor seinem Tod wurde er nach München versetzt, blieb aber im Herzen den Eichstättern treu.

Allein seit dem Jahr 1900 sind vier Kapuzinerbischöfe zu erwähnen, die in Eichstätt lebten. Diese sind: Bischof Guido Beck, Apostolischer Vikar von Araukanien (Chile), dann Bischof Franz Josef Maximilian Valdés-Subercaseaux, ferner Bischof Simeon Kokov, Apostolischer Vikar von Sofia und Plovdis sowie Bischof Sixtus Parzinger, Apostolischer Vikar von Araukanien.

Priester mit 70

1886 wurde im Eichstätter Dom der Kapuziner Sebastian Englert zum Priester geweiht. Er stammte aus der Familie des Direktors am Eichstätter Humanistischen Gymnasium, Dr. Sebastian Englert, aus der 17 Kinder hervorgingen. Nach dem Tod seiner Frau studierte Englert Theologie und wurde an seinem 70. Geburtstag mit Erlaubnis aus Rom zum Priester geweiht. Das vierte der Englert-Kinder war Pater Sebastian, der in die Kapuzinermission zu den Mapuche-Indianern Südamerikas ging. Große Verdienste hat er sich als Sprachforscher, beim Aufschreiben der Sagen und Legenden der Indianer und um den Erhalt der riesigen Steinfiguren der Osterinseln erworben. Eine seiner Schwestern war Benediktinerin auf der Fraueninsel im Chiemsee; Schwester Eustochium starb im 100. Lebensjahr am 7. März 2006.

Bekannt war natürlich in Eichstätt Pater Chrysostomus Hutter, der Bruder des langjährigen Oberbürgermeisters Dr. Hans Hutter. Er war Guardian und Krankenhausseelsorger und wurde im August 1979 nach Kempten versetzt. Gestorben ist er am 28. Februar 1998.

Mahlzeit und Trost

Unvergessen ist Bruder Egdon Lehrmann, der sich um die Obdachlosen kümmerte, ihnen zu Essen gab und für ein einfaches Nachtlager sorgte. Geduldig hörte er sich ihre Sorgen an und spendete Trost. 40 Jahre war er Eichstätter Pförtner und einer der bekanntesten Almosenbettler für das Kloster. Er musste Eichstätt verlassen, wurde nach Aschaffenburg versetzt, und ist am 1. Juni 1996 in München Nymphenburg gestorben.

Die Kapuziner waren in den Orten weit um Eichstätt bestens bekannt: Sie haben jedes Jahr, meist im Herbst, um Lebensmittel gebettelt. Walli Spreng aus Wolkertshofen erzählte: "Wir haben uns gefreut, wenn die Kapuziner gekommen sind. Sie waren angesehen und jeder hat ihnen gern etwas gegeben." Die Fratres haben ihre Bauernhöfe gekannt, wo sie besonders reich beschenkt wurden. Sie plauderten mit den Leuten, haben gebetet, den Segen erteilt und ein Bildchen zurückgelassen. Zu den Gaben gehörten unter anderem Butter, Fleisch, "a Gsöichts" (Geselchtes), Schmalz, Eier, Brot und Kraut. Oft kam so viel zusammen, dass es der Kapuziner nicht mehr tragen konnte. Dann haben das Sammelgut entweder der "Pfaffel" oder der "Picklwollner" – so die Hausnamen – nach Eichstätt gefahren.

Besondere Gaben bekamen die Klosterbrüder im Kindinger Hopfenanbaugebiet: Einen Sack voll der goldenen Dolden von den Hopfenbauern. Sie wurden nach Eichstätt zur Brauerei Hofmühl gebracht. Dafür bekamen die Kapuziner Bier. Noch in den 1970er Jahren sind die Ordensmänner zum Sammeln in die Dörfer gegangen.

Mitte der 1980er Jahre wurden in Bayern die Kapuzinerklöster Birnbaum bei Aichach und Mindelheim geschlossen. Damals wurden die Neubaupläne für das Eichstätter

Kloster bekannt, und der EICHSTÄTTER KURIER titelte froh: "Kapuziner bleiben der Domstadt erhalten." Das ist etwa ein Vierteljahrhundert her. Jetzt gehen sie doch und die Stadt wird ärmer – wenn nicht bis Weihnachten ein Wunder geschieht.