"Jetzt red i" bei den Freien Wählern

08.04.2008 | Stand 03.12.2020, 6:00 Uhr |

Ingolstadt (DK) Das Ingolstädter Traditionsgasthaus Daniel hat schon viel erlebt. Heute Abend ist es der Schauplatz einer Mitgliederversammlung, die zumindest für die Freien Wähler historische Bedeutung haben könnte, denn die FW-Basis wird darüber diskutieren, ob erstmals seit Jahrzehnten wieder eine engere Zusammenarbeit mit der CSU vereinbart werden soll.

Mit dem Wort Entscheidung muss man derzeit im Zusammenhang mit den Freien Wählern vorsichtig umgehen. Hat es doch schon mehrere Gesprächsrunden gegeben, die einen Durchbruch in der Koalitionsfrage versprachen, dann aber doch nicht brachten.

"Nach unserer Satzung ist das nicht erforderlich", antwortet Vorsitzender Peter Gietl auf die Frage, warum die FW-Führung heute Abend nicht einfach abstimmen lässt und das Votum als bindend für das weitere Vorgehen betrachtet. "Ich persönlich hätte nichts dagegen gehabt", so der FW-Chef, aber Fraktion und Vorstand hätten dafür plädiert, nur ein Meinungsbild von der Basis einzuholen, sich jedoch die Entscheidung selbst vorzubehalten. In den Führungsgremien sei man auch überein gekommen, dass die heutige Diskussion der Mitglieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablaufen soll. Dies ist für einen Parteitag – einem solchen entspricht die Versammlung – äußerst ungewöhnlich.

Die Abschottung der Freien Wähler rührt möglicherweise daher, dass sich bei der Verabschiedung der Stadtratsliste im Sommer 2007 eine kontroverse Debatte über das Fußballstadion entzündete, über die am nächsten Tag der DONAUKURIER ausführlich berichtete. Diesmal will die FW-Führung offenbar unbedingt den Eindruck vermeiden, sie sei in der Koalitionsfrage zerstritten.

Dabei ist es ja kein Geheimnis, dass es Freunde und Gegner einer Annäherung an die CSU gibt. Die Christsozialen wurden zwar im Wahlkampf wegen ihrer "Politik nach Gutsherrenart" kritisiert, sie dürften aber momentan schon deshalb zu einigen Konzessionen bereit sein, da sie von der SPD einen Korb bekommen haben und eine allzu riskante Koalition mit den Grünen scheuen. Zusammen haben FW und CSU im Stadtrat 31 von insgesamt 50 Sitzen.

Beobachter sind sich einig, dass ein Rathausbündnis der beiden Partner aus dem bürgerlichen Lager sicher nicht scheitern wird, weil sich unüberwindliche Differenzen in Sachfragen auftun. Schwieriger könnte es schon werden, die FW geschlossen hinter einem Bürgermeisterkandidaten zu sammeln. Nach wie vor gilt Sepp Mißlbeck als Favorit, der nur zu gern die politische Familientradition fortsetzen würde. Manche Kritiker aus den eigenen Reihen werfen dem Unternehmer aber allzu große Nähe zu OB Alfred Lehmann vor. Für Markus Reichhart oder Hans Stachel als Bürgermeister wird sich wohl kaum eine Mehrheit finden. Schon eher für Gietl selbst. Aber der wäre eigentlich erster Anwärter auf den Fraktionsvorsitz.

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