Ingolstadt
Industriekultur oder Kunst?

22.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:10 Uhr

Die Gießereihalle wäre für den Bezirk Oberbayern der ideale Standort für ein Museum der Industriekultur. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, andere Nutzungsvorschläge gibt es bisher nicht. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Der Bezirk Oberbayern würde in der Gießereihalle gern ein Museum für Industriekultur eröffnen. Das freut alle, die für Ingolstadts industrielles Erbe kämpfen – und für den Erhalt des ehemaligen Verwaltungsgebäudes auf dem Gießereigelände. Der Kulturreferent setzt andere Prioritäten.

In der heutigen Sitzung des Kulturausschusses (Beginn: 15 Uhr im Neuen Rathaus) berichtet Gabriel Engert wie üblich über das aktuelle Kulturgeschehen. Auf Anfrage des DONAUKURIER bestätigte er, dabei spiele das Museum, das der Bezirk errichten möchte, auch eine Rolle. Der Kulturreferent sagt jedoch klipp und klar: "Für mich hat das Museum Dallwigk für Konkrete Kunst und Design absolute Priorität – daraus habe ich nie ein Hehl gemacht."

 
Das klingt schon sehr nach Absage. Der Bezirk Oberbayern allerdings würde ein Museum, das die oberbayerische Industriegeschichte abbilden soll, nicht im Alleingang verwirklichen. "Die Stadt Ingolstadt muss mit ins Boot, auch finanziell", erklärt Pressesprecherin Susanne Büllesbach. Der Bezirk habe bereits mit anderen Standorten geliebäugelt, doch die schieden aus. Ingolstadt indes wäre perfekt. "Wir wollen das Museum nämlich in einem ehemaligen Industriegebäude errichten. Da bietet sich die Gießereihalle natürlich an." Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, die Produktion wurde 1995 eingestellt.

Freilich muss Büllesbach einräumen, dass der Bezirk derzeit weder über geeignete Exponate noch über ein Konzept oder das nötige Geld verfügt. "Aber der Wille ist da. Es geht hier ja auch um eine mittel- bis langfristige Planung", sagt die Pressesprecherin. "Unser Realisierungszeitraum ist mit den Plänen der Stadt kompatibel." Dass Oberbayern nicht nur auf eine bäuerliche Kulturgeschichte zurückblicken kann und die Industrialisierung nicht erst in Zeiten von "Laptop und Lederhose" begann, ist Thema einer Wanderausstellung des Bezirks. "Sie entstand aus diesem gefühlten Vakuum heraus und wurde von einer interfraktionellen Arbeitsgruppe konzipiert", so Büllesbach. Die Schau mit dem Titel "Hartes Brot – gutes Leben" war im Jahr 2008 schon im Stadtmuseum Ingolstadt zu sehen.

Während Kulturreferent Gabriel Engert die Museumspläne des Bezirks eher skeptisch beäugt, herrscht beim Freundeskreis Industriekultur Ingolstadt (Finis!) große Freude. "Wir sind um jede Initiative froh, die das Gießereiensemble aufwertet", sagt Harald Kneitz, einer der drei Initiatoren, zum DK. "Wenn sich so eine Lösung ergeben würde, wäre das wie ein Sechser im Lotto. Wir würden eine Kerze stiften – wo auch immer."

Für Kneitz bietet es sich geradezu an, in der Gießereihalle ein Museum für Industriekultur zu errichten. "Um eine sinnvollere Verwendung zu finden, müsste man lange suchen. Da sind so viele tolle Exponate – aus der Brauereigeschichte, aus der Nudelfabrik, aus der Tabakverarbeitung und natürlich aus der Gießerei selbst. Es gibt sogar noch eine kleine Lokomotive aus der Despag-Zeit."

Der Freundeskreis Industriekultur soll am Donnerstag, 8. April, im Gasthof Anker gegründet werden. Er versteht sich als außerparlamentarische Interessenvereinigung, die für den Erhalt der Ingolstädter Industriedenkmäler kämpfen und Vorschläge für deren Nutzung entwickeln will. Dazu zählt auch das ehemalige Verwaltungsgebäude auf dem Gießereigelände, das für die Neubauten – Fachhochschulerweiterung, Hotel- und Kongresszentrum, Audi-Akademie – abgerissen werden soll.

Das Landesamt für Denkmalpflege hat erneut mitgeteilt, sich für den Erhalt des Direktionsgebäudes einzusetzen. "Die Entscheidung darüber liegt jedoch nach Gesetzeslage bei der Stadt Ingolstadt als zuständige Genehmigungsbehörde", heißt es in einer Erklärung, die der DK gestern erhielt.