Schrobenhausen
In die Stille gehen

Ein bisschen Entspannung in Zeiten von Corona gefällig? Petra Neumann erklärt verschiedene Möglichkeiten der Meditation

29.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:27 Uhr
Petra Neumann bietet Interessenten in ihrer Praxis Entspannungstraining, Shiatsu und psychologische Beratung an. −Foto: privat

Schrobenhausen - Nachdem unsere kleine Yoga-Serie nun zu Ende ist, wollen wir auch andere Entspannungstechniken für zu Hause vorstellen.

 

Heute antwortet auf unsere Fragen Petra Neumann, die in ihrer Praxis Entspannungstraining, Shiatsu und psychologische Beratung anbietet.

Was ist Meditation?
Petra Neumann: Traditionell wird Meditation übersetzt mit innehalten, sich zentrieren oder auch zur Ruhe kommen. Ich konzentriere mich aufs Wesentliche. Ich wende mich entweder meinem Innenleben zu, konzentriere mich auf einen Gegenstand, ein Geräusch oder eine Tätigkeit. Für mich ist Meditation eine Begegnung mit sich selbst. Bei der Meditation erschließen sich neue Erfahrungsräume. Das, was sich uns in der Meditation zeigt, ist individuell verschieden. Es ist ein Abenteuer, das jeder für sich alleine bestehen darf.

Welche verschiedenen Arten gibt es?
Neumann: Es gibt zwei Haupt-Strömungen in der Meditation:
Die Grundausrichtung beim Vipassana ist die Schulung der Achtsamkeit - den Alltag begreifen und sehen. Gedanken beobachten, Atemtechniken, Gegenstände oder Geräusche wahrnehmen. Den Körper spüren. Jede ausgeführte Tätigkeit kann als Vipassana erfahren werden. Beim Zen hingegen geht es um die Haltung von Körper und Geist, in der sich unser Alltag widerspiegelt. Nur sitzen und die Haltung spüren. Im Sitzen aufrecht sein. Zen ist absichtslos, ohne Wünsche und Ziele. Es geht darum, leeren Raum zu schaffen, damit was Neues eintreten kann. Durch Zen in der Wirklichkeit leben. Mir ist es seit jeher ein Anliegen, Meditation alltagstauglich zu machen. Wir sind keine Mönche im Kloster, sondern leben in einer Leistungsgesellschaft, wo wir auch für unseren Unterhalt sorgen müssen. Das heißt, die Meditationsform kann individuell gewählt werden, so dass ich sie in meinem Alltag entsprechend einsetzen kann. Positive Effekte können sich nur einstellen, wenn es mir Freude bereitet.

Es gibt unzählige Formen der Meditation. Wie finde ich die richtige?
Neumann: Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass jeder Mensch die für ihn passende Methode finden kann. Das kann zum Beispiel der Angler am Fluss sein, dessen Blick für längere Zeit auf dem Wasser ruht und bei voller Präsenz auf den nächsten Biss wartet. Würde er sich aber gleichzeitig seinem Handy widmen, dabei essen und sich von jedem Geräusch ablenken lassen, so kann es nicht als Meditation bezeichnet werden. Es geht darum, sich einer Sache ganz gewahr zu werden und voller Achtsamkeit zu sein.
Atemmeditation: Hierbei wird der Fokus auf den Atem gelenkt. Dieser kann entweder im natürlichen Rhythmus beobachtet werden oder ich verändere ihn willentlich. Atme tiefer oder langsamer, beziehungsweise verändere meinen Rhythmus. Die Atemmeditation bringt uns innerhalb von wenigen Atemzügen ins Hier und Jetzt. Sie ist so effektiv wie beliebt.
Mantren/Affirmationen rezitieren: Durch das Sprechen der immer gleichen Wörter meine Schwingung verändern. Können auch gesungen werden.
Geführte Meditation an Fantasieorte: Hierbei begebe ich mich innerlich auf eine Reise in eine andere Welt. Möglicherweise in eine Fantasiewelt oder auch an einen mir bekannten Ort aus dem realen Leben. Hier geht es um die Erfahrung, jederzeit willentlich an einen Fantasieort gehen zu können, der mir Sicherheit, Freude oder Wohlgefühl vermittelt.
Gedanken beobachten: Ein Gedanke nach dem anderen wird wahrgenommen und im Anschluss weitergeschoben. Eine sehr wertvolle Meditation, die der sogenannten Gedankenhygiene dient. Eine gute Möglichkeit aus dem Gedankenkarussell auszusteigen.
Bodyscan: Hier nehme ich ein Körperteil nach dem anderen bewusst wahr. Diese Methode dient der Selbstwahrnehmung und der muskulären Entspannung.
Lichtmeditation: Durch Imagination der Verbindung mit Himmel und Erde erlaube ich mir einen weißen Lichtstrahl in meinen Körper einströmen zu lassen. In jede Zelle meines Körpers. In mein Blut, in meine Knochen, in meine Muskulatur, in alle Organe, in die Lymphflüssigkeit, in alle Knochen, ins Bindegewebe, in alle Zellen der Haut und der Haare. In schmerzhafte Körperregionen kann ich eine extra Ladung Licht strömen lassen. Anschließend lass ich in mein ganzes Energiefeld Licht strömen. Diese Methode wird zum Beispiel in Schweizer Kliniken bei Schmerzpatienten erfolgreich angewendet.
In meinen Meditationsabenden, die momentan über Livestream stattfinden, biete ich einen Mix aus den verschiedensten Meditationsformen an, es gibt Dutzende Varianten. Je nachdem, was die Teilnehmer gerade benötigen, fließt die Meditation von einer Methode in die andere.

Wie wirkt Meditation auf Körper und Geist oder auch die Seele?
Neumann: Die regelmäßige Meditation dient nachweislich der Gesundheitsförderung und Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Regelmäßig heißt zum Beispiel 3 mal 20 Minuten pro Woche. Unser Gehirn wird bei der Meditation geschult, sich ganz und gar auf eine Sache zu konzentrieren. Sich körperlich, geistig und seelisch wahrzunehmen. Meditation führt auf Dauer zum "Selber leben statt gelebt zu werden. "
Großangelegte Studien belegen die positiven Auswirkungen von Meditation auf die körperliche Gesundheit: Blutdruck, Insulin, Arteriosklerose, Herzfrequenz, Muskelentspannung Auch auf die geistige Gesundheit wirkt sie sich positiv aus: Durchblutung des Gehirns, Stabilität des Nervensystems, Reaktionsvermögen, Geistige Leistungsfähigkeit. Für die seelische Gesundheit bedeutet das: Psychischer Stressabbau, Zufriedenheit, Emotionale Intelligenz, Empathie, Selbstverwirklichung, Innere Haltung.

Haben Sie eine Anregung für zu Hause, zum Beispiel eine Meditations- oder Achtsamkeitsübung? Oder beides?
Neumann: In die Stille gehen: Der Geheimtipp schlechthin, um auf Dauer sich selbst zu erkennen und innere Blockaden aufzulösen. Gerade in Krisensituationen kann ich so meinen Blockaden auf den Grund gehen: Eine bequeme Sitzposition einnehmen. Sie sollten ungestört sein. Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen warm genug ist. Jetzt spüren sie, welche Stellen Ihres Körpers die Unterlage berühren. Wie sitzen Sie? Wie fühlt sich der Rücken an? Wie die Schultern? Wo liegen meine Arme und Hände auf? Wie nehme ich meinen Kopf wahr? Ein paar Atemzüge bewusst beobachten. Jetzt widme ich mich ganz meiner Seelenwelt. Was ist da, was mich gerade berührt? Wie fühlt es sich an? Wo im Körper nehme ich es wahr? Was macht es mit mir? Welche Farbe hat es? Welche Form nehme ich wahr? Wie alt ist das Thema? Wie lange will es noch bei mir bleiben? Gehört das Thema wirklich zu mir? Kann ich es an den Absender zurückschicken? Welche Botschaft verbirgt sich darin für mich? Kann es sich lösen? Was ist die Erkenntnis aus dieser Erfahrung? Wie bringt es mich im Leben voran? Nachspüren und noch eine Minute in der Stille sitzen. Bedanken Sie sich abschließend bei sich selbst, dass sie in sich gehorcht haben.
All diese Fragen sollten nicht gedacht werden, sondern gefühlt. Unser Gehirn kann uns da leider nicht weiterhelfen. Doch unsere innere Stimme kann uns erzählen, was lange im Verborgenen gegoren hat.
Achtsames Essen: Essen Sie heute mal Ihr Frühstück in aller Stille. Nehmen Sie wahr, wie Sie sitzen. Wie Sie atmen. Und jetzt schauen Sie Ihr Frühstück an. Als nächstes riechen Sie daran. Und jetzt ist es soweit. Der erste Bissen. Wie fühlt es sich an reinzubeißen. Wie schmeckt es. Kauen Sie mindesten 15-mal und beobachten Sie den Geschmack. Bleibt er. Verändert er sich. Dann schlucken Sie und verfahren mit ihrem restlichen Frühstück genauso. Guten Appetit. ?

Wie können die Menschen mit den Folgen der Corona-Krise umgehen und vielleicht sogar gestärkt daraus hervorgehen?
Neumann: Wir können aus jeder Krise gestärkt herausgehen. Die Themen, die mich persönlich bewegen ,wollen dazu angeschaut werden. Also weniger "Augen zu und durch", sondern viel mehr "Nur mit dem Herzen sieht man gut". Die oben beschriebene Meditation kann uns gut dabei unterstützen.
Auf jeden Fall die positiven Seiten im Auge behalten beziehungsweise diese sogar zelebrieren. Ich nehme aktuell wahr, dass sich Menschen dafür schämen, wenn sie die freie Zeit als positiv empfinden.
Mein Tipp: Alles Positive aus vollem Herzen zelebrieren. Ja, ich darf mich freuen: - die Sonne scheint, - das unliebsame Meeting in fernen Ländern fällt aus, - mein Leben findet nur in der engsten Familie und im Garten statt. Und diese Freude darf auch nach der Krise andauern. Vielleicht spür ich, wie viel wertvoller ein Tag in der Natur ist, als ein Tag im Shoppingcenter. Neue Werte können geschöpft werden. Unliebsame Gewohnheiten können nun dauerhaft abgelegt werden. Das geschieht nicht automatisch, da braucht es Bewusstsein, welches auf jeden Fall durch regelmäßige Meditation geschult wird.

Manche Menschen empfinden die Krise als beängstigend oder haben vielleicht sogar Angst um Ihre Existenz. Was raten Sie denen?
Neumann: Vom Unterdrücken der Angst rate ich dringend ab. Ängste sollen auf jeden Fall wahrgenommen und zugelassen werden. Bei Bedarf den Experten zu Rate ziehen. Wer geübt ist, kann sich der Angst in der Meditation stellen und sie genau beleuchten. Wenn ich mit meinem Angstthema vertraut bin, kann ich es besser einschätzen. Das Angstthema verliert so meist den Schrecken. Daraus entsteht ein großes Potential. Jetzt kann ich wieder voller Kraft aktiv/kreativ werden. Die Lösung ist immer schon da, nur können wir sie noch nicht sehen, wenn die Angst uns die Sicht vernebelt. Neue Lösungen können unsere Existenz bereichern.
In Krisen oder Stressphasen ist es wichtig, in einer hohen Frequenz zu schwingen, das hält das Immunsystem aufrecht. Man kann sich das vorstellen wie bei frisch Verliebten. Da ist das Immunsystem nachweislich hoch aktiv. Erreicht werden kann dieser Zustand auch durch gefühlte Freude, Mitgefühl, Liebe, Dankbarkeit und das Gefühl von Frieden. All das kann ich mir in der Meditation initiieren.

Wie verändert Corona unseren Alltag und unsere Routinen?
Neumann: Die Corona-Krise und der Lockdown verändern unseren Alltag total. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das ist seine Natur, und wenn er seine Routinen verliert, ist das sehr unbequem. Es kann uns den Halt nehmen und sprichwörtlich den Boden unter den Füßen wegziehen. Spätestens jetzt sollte sich jeder Mensch mit Meditation vertraut machen. Die kann uns stabilisieren. Nur wenn ich mich und meine Muster kenne, kann ich den nächsten Schritt gehen. Die Welt nach Corona wird nicht mehr die Alte sein. Wir gehen alle gemeinsam in eine neue Zeit. Es gibt zwei Sprichwörter die hier passen: Aller Anfang ist schwer oder auch Jedem Anfang liegt ein Zauber inne. Unser freier Wille lässt uns entscheiden, was wir darüber denken wollen. Was mich betrifft - ich kann bereits den Zauber spüren.

Die Fragen stellteJulia Röder