Ingolstadt - Die Botschaften sind eindeutig. Erstens: Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Zweitens: Die Corona-Impfung "funktioniert und rettet Leben". Drittens: Die Pandemie kann auch Ungeimpfte treffen. Vor allem dann, wenn alle Intensivplätze belegt sind und Patienten - sei es nach einem Unfall oder einem Herzinfarkt - nicht mehr untergebracht und in ein anderes Krankenhaus, etwa nach Regensburg oder München, gebracht werden müssen.
Deshalb richtete das Ingolstädter Klinikum über die Direktorin für Anästhesie und Intensivmedizin, Privatdozentin Martina Nowak-Machen (kleines Foto), und zwei Pflegekräfte aus der Corona-Intensivstation am Dienstag einen Impf-Appell an die Menschen im Raum Ingolstadt. Denn auch hier ist sichtbar, wovon viele Kliniken in Deutschland derzeit berichten: Auf den Intensivstationen liegen fast ausschließlich ungeimpfte Covid-Patienten. Von zehn Covid-19-Patienten, die am Dienstag intensivmedizinisch im Klinikum behandelt wurden, sind acht ungeimpft. Bei einem ist der Impfstatus unklar. Das ist der Fall, wenn sich der Patient selbst nicht äußern kann und auch über die Angehörigen nichts über den Impfstatus zu erfahren ist. Nur ein Patient ist vollständig geimpft. Neun der zehn Covid-Patienten auf der Intensivstation werden beatmet, drei sind an eine sogenannte ECMO-Maschine angeschlossen, eine künstliche Lunge. Das Klinikum verfügt als einzige Klinik der Region über Geräte zur Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO). "Schwerer krank sein geht nicht", sagt Nowak-Machen, um zu verdeutlichen, in welchem Zustand die Patienten sind, wie groß ihr Leid und das ihrer Familie ist und wie immens der technische Aufwand für ihre Betreuung.
Die insgesamt 50 Intensivbetten, über die das Klinikum verfügt, wären auch ohne Corona gut ausgelastet, sagt Nowak-Machen. Weil ein Teil davon als reine Covid-Intensivstation genutzt wird, sind Intensivbetten am Klinikum für andere Patienten rar. Am Dienstagmorgen waren gerade mal "so ein bis zwei" Intensivbetten frei. Als Notfall versorgt werde jeder, betont die Chefärztin, doch danach könne durchaus sein, dass ein intensivpflichtiger Patient in eine weiter entfernte Klinik gebracht werden müsse. Auch, wenn die offizielle Krankenhaus-Ampel in Bayern auf Grün steht, können die Plätze in einzelnen Kliniken belegt sein.
"Nach der Schicht wollen wir nur noch auf die Couch sinken", sagt Lisa Brucklacher, stellvertretende Stationsleiterin in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, über ihre schwere Arbeit. "Man ist fix und fertig", pflichtet die langjährige Intensivschwester Claudia Weise bei. Sie sind zwei von etwa 70 Pflegekräften, die die Covid-Patienten auf der Intensivstation rund um die Uhr versorgen. Die physische und psychische Belastung ist enorm. Immer wieder sehen die Pflegekräfte Ungeimpfte mit schwerstem Verlauf. Etwa 90 Prozent davon seien im erwerbsfähigem Alter. Der Jüngste war 33 Jahre alt mit guter Konstitution. Er kam knapp an einer invasiven Beatmung vorbei, hat es geschafft. Ab 40 sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Patienten künstlich beatmet werden müssen. Warum viele nicht geimpft sind, können die Schwestern nicht verstehen. "Ich kann's nicht hören", sagt Brucklacher über Patienten, die mit Ausreden kommen. Sie findet: "Jeder hat die Chance, sich impfen zu lassen." Und appelliert, sich die Spritze geben zu lassen. Auch, um das Krankenhauspersonal zu entlasten.
Auch Geimpfte können an Covid 19 erkranken. "Aber es geht ihnen deutlich besser." Von 137 Covid-Patienten, die von 1. August bis 30. September stationär und ambulant im Klinikum behandelt wurden, waren 85 ungeimpft. 36 waren vollständig geimpft. Sie hatten einen zumeist leichten Verlauf. Bei 11 Patienten ist der Impfstatus unklar, 5 waren nicht vollständig geimpft. 17 Covid-Patienten sind in dieser Zeitspanne gestorben. 8 ungeimpft, bei 5 war der Impfstatus unklar, 4 waren vollständig oder teilweise geimpft. Bei ihnen handelte es sich um Senioren aus Pflegeheimen, so Nowak-Machen.
Auch Ingolstadts OB Christian Scharpf appellierte erneut, sich impfen zu lassen: "Jeder und jede Geimpfte mehr bedeuten ein Ansteckungsrisiko weniger, für unsere Angehörigen, Familien, Verwandten im Pflegeheim und unsere Freunde."
DK
Ruth Stückle
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