Ein Kilometer Abstand zwischen Windrädern und Siedlungen - ja oder nein? Darüber, und ob fünf Häuser eine Siedlung sind, ist ein offener Streit ausgebrochen. Peter Altmaier bekommt aus den eigenen Reihen Rückendeckung. Die Umweltminister setzen hingegen ein Zeichen.
Für die neuen Abstandsregeln zwischen Windrädern und Wohnhäusern erntet die Bundesregierung immer mehr Kritik. Die kommt nicht mehr nur von der Opposition, Umwelt- und Energieverbänden.
Am Freitag meldeten sich die Umweltminister und -ministerinnen der Länder zur Sache. In Hamburg sprachen sich Ressortchefs sowohl von SPD als auch CDU einstimmig gegen die Pläne der Bundesregierung aus. Und auch innerhalb der großen Koalition ist ein offener Streit darüber ausgebrochen, wie nah neue Windräder künftig an Wohnsiedlungen stehen dürfen.
Mindestens 1000 Meter sollen es sein - darauf hatten sich Bundesregierung und Koalitionsspitzen geeinigt. So solle bei Anwohnern die Akzeptanz für Windräder vergrößert werden. Fünf nebeneinander stehende Häuser sollen als Wohnsiedlung gelten, wie es in dem Gesetzentwurf des zuständigen Wirtschaftsministeriums heißt.
Vor allem an der Fünf-Häuser-Regel gibt es Kritik, auch von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Den Bundesländern steht es laut Gesetzentwurf frei, den neuen Mindestabstand umzusetzen oder abzulehnen.
Die Umweltministerinnen und -minister erklärten, die angedachte Regelung sei „ein falsches Signal“ für den fast zum Erliegen gekommenen Ausbau von Windenergie an Land. „Die Windkraft an die Wand zu fahren - das kann nicht der Weg sein, wenn wir Klimaschutz ernst nehmen“, sagte der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne).
Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, erklärte in Hamburg, dass er als Beteiligter an diesem Beschluss diesen jetzt nicht mehr so fassen würde. Ich muss sagen, da ich an den Verhandlungen beteiligt war, dass weder ich noch Peter Altmaier (...) vor Augen hatten, in welchem Umfang damit Flächennutzungspläne entwertet würden.“ Dass nun fast die Hälfte der Pläne neu geschrieben werden müssten, passe überhaupt nicht zur Notwendigkeit, die Windenergie an Land auszubauen.
Zehn Bundesländer hatten zuvor in einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Pläne der Bundesregierung scharf kritisiert. Darin warfen sie Altmaier Planlosigkeit vor, zum vergangenen Windkraft-Gipfel „augenscheinlich ohne ein Konzept für die Branche oder zur Rolle der Windenergie an Land“ gekommen zu sein. Die Länder forderten ein erneutes Treffen zu dem Thema. Altmaier solle dort konkrete Vorschläge unterbreiten, wie Arbeitsplätze auch in strukturschwachen Regionen erhalten werden könnten.
Die angedachte Verschärfung des Mindestabstands hatte auch bei Umwelt- und Energieverbänden einen Sturm des Protests ausgelöst. Sie kritisierten, dass die Regel einen weiteren Ausbau der Windkraft in Deutschland verhindere.
Die geplanten „pauschalen Bauverbote für Windkraftanlagen im Abstand von weniger als 1000 Metern schon zu einer Handvoll von Häusern“ führten zu einer „massiven Reduzierung“ des Ausbaupotenzials der Windenergie“, heißt es in dem Schreiben der Grünen, das der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorlag. Sie forderten Altmaier auf, von der geplanten Neuregelung abzurücken: „Wir appellieren dringend an Sie, die vorgesehenen Abstandsregelungen für Windkraftanlagen vollständig zurückzunehmen.“
Altmaier selbst hatte die Pläne zum Mindestabstand verteidigt. Es gehe um Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Widerstand von Bürgern gegen Windkraftanlagen sei enorm gestiegen, damit müsse sich die Politik auseinandersetzen. Der Ausbau der Windkraft an Land war in diesem Jahr fast zum Erliegen gekommen. Als Hauptgründe gelten lange Genehmigungsverfahren, zu wenige nutzbare Flächen und zahlreiche Klagen von Bürgerinitiativen.
Rückendeckung erhielt Altmaier aus den eigenen Reihen. 17 Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag wiesen Kritik am geplanten Mindestabstand zurück. Die Regelung sei „angemessen und ausgewogen“, schrieben die zumeist dem Wirtschaftsflügel zugehörigen Abgeordneten.
„Nicht Mindestabstände gefährden die Ziele der Energiewende, sondern die fehlende Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung“, hieß es weiter. Die Unterzeichner sind überzeugt, dass „die Energiewende nur dann zum Erfolg wird, wenn die Bürger vor Ort mitgenommen und ihre Interessen hinreichend berücksichtigt werden“. Der Ansatz, „den Windenergieausbau notfalls auch mit der Brechstange durchzusetzen“, sei zum Scheitern verurteilt.
Dagegen schreiben die Länder: „Für die immer wiederholte These, dass bundesweit festgelegte pauschale Abstände die Akzeptanz erhöhen würden, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.“ Sie zitieren eine Studie, wonach „78 Prozent derjenigen, die eine Windkraftanlage im direkten Wohnumfeld haben, damit einverstanden“ seien.
Neben dem Nein zum 1000-Meter-Abstand wollen die Umweltministerinnen und -minister ab 2030 nur noch klimaneutrale Kraftfahrzeuge zulassen. Weiter stimmten sie am Freitag in Hamburg für das von vielen Landwirten kritisierte Insektenschutzprogramm der Bundesregierung. Die dafür eingeplanten 100 Millionen Euro kämen vor allem den Bauern zu Gute, hieß es. 30 Jahre nach dem Mauerfall soll zudem das „Grüne Band“ an der innerdeutschen Grenze zum Weltnatur- und Weltkulturerbe erklärt werden.
dpa
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