Im Zentrum des Hurrikans

Nach Bronzemedaille im Teamwettbewerb: Pförringer Judoka Sebastian Seidl ist ein heiß begehrter Mann - und reif für Urlaub

05.08.2021 | Stand 23.09.2023, 20:11 Uhr
Nach dem Sieg im entscheidenden Kampf ließen die Teamkollegen Sebastian Seidl hochleben. Am Münchner Flughafen wurde der 31-Jährige von zahlreichen Freunden und Bekannten begrüßt. −Foto: DOSB

München/Pförring - Es ist vollbracht.

Nach Jahren voller Schmerzen, Schweiß und zum Teil bitteren Enttäuschungen hat sich Sebastian Seidl im wahrscheinlich letzten Anlauf doch noch seinen großen Traum erfüllt: Von den Olympischen Spielen in Tokio kehrte der Pförringer Judo-Kämpfer mit der Bronze-Medaille zurück - und ist seither ein gefragter Mann.

"Die Ankunft in München war sensationell. Es waren locker 50, 60 Leute da, die mich am Flughafen empfangen haben", sagt der Judoka vom Bundesliga-Rekordmeister TSV Abensberg. Am vergangenen Samstag noch hatte Seidl seine mentale Stärke eindrucksvoll unter Beweis gestellt und trotz seines erneut frühen Ausscheidens im Einzel den entscheidenden Kampf im Teamwettbewerb um Bronze gegen den Niederländer Tornike Tsjakadoea für sich entschieden. Das deutsche Mixed-Team um Polizeioberwachtmeister Seidl hatte Geschichte geschrieben.

Einen Tag später landete der 31-Jährige bereits wieder in Deutschland - und wurde trotz später Stunde gebührend gefeiert. Familie, Freunde, Polizei, Heimatverein, bayerischer Judo-Verband und der Olympia-Stützpunkt München: Alles, was Rang und Namen habe, sei vor Ort gewesen. "Sogar Kumpels, mit denen ich gar nicht so viel zu tun habe, waren dabei", sagt Seidl. Es waren überwältigende, emotionale Momente: "Da sind alle Dämme gebrochen, ich musste zum ersten Mal richtig weinen. "

Auch jetzt, knapp eine Woche nach dem großen Coup in Tokio, kehrt noch längst keine Normalität zurück. Allein auf der Heimreise aus Japan hätten ihn über 150 Glückwünsche auf WhatsApp erreicht - und es gehe nahtlos weiter. "Gefühlt befinde ich mich immer noch in der Mitte des Hurrikans. Jeder will etwas von mir. " Doch das stört den 31-jährigen Bronze-Gewinner nicht, vielmehr genießt Seidl den ungewohnten Rummel um seine Person. "Ich bekomme viel positives Feedback, auch außerhalb meiner Sportart. Das ist unfassbar schön und ein gebührender Dank für unsere Sportart. "

Seine olympische Medaille übe dabei eine ganz besondere Anziehungskraft aus: "Bei der Gepäckkontrolle am Flughafen in Tokio hatten die Security-Mitarbeiter Tränen in den Augen, weil sie die Medaille in die Hand nehmen durften. Kaum zu glauben. Das ist alles surreal, was man erlebt", sagt Seidl, der das Edelmetall auch als Ansporn ins Kindertraining seines Vereins Abensberg mitbringen will.

Aktuell weilt Seidl bei seinen Eltern in Pförring, um Impressionen zu erzählen und Geschenke wie einen japanischen Fächer oder Tee zu überreichen. Aber auch "für ein paar Tage Ruhe", wie er sagt. Denn das Interesse am Medaillengewinner bleibt hoch: Am 26. August sei für den Judo-Kämpfer ein "Riesenempfang in Pförring" vorgesehen, auch der TSV Abensberg habe eine kleine Feierlichkeit organisiert, und bereits an diesem Freitag sei er zu seinem Förderer, der Bayerischen Bereitschaftspolizei, eingeladen.

Ob diese Termine nun auch einer Abschiedstournee aus dem internationalen Spitzensport gleichkommen, steht für den 31-Jährigen indes noch nicht fest. Klar ist jedenfalls, dass Seidl das Aufhören ohne Medaille leichter gefallen wäre. "Das wäre jetzt zwar ein guter Abschluss, aber ich bin in der Form meines Lebens. Warum sollte man aufhören, wenn man am besten ist? "

Eine Teilnahme an der Judo-WM im nächsten Jahr kann sich Seidl zumindest derzeit noch gut vorstellen. Zunächst steht aber Erholung auf dem Programm: "Nach 20 Jahren Leistungssport ist eine unbeschreibliche Last abgefallen. Mein ganzer Körper schmerzt, weil diese Anspannung weg ist. Er fährt runter und nimmt sich die Pause, die er jetzt braucht. " Da trifft es sich bestens, dass bei Seidl bereits eine Einladung der Olympischen Sporthilfe reingeflattert ist - für eine Woche bezahlten Urlaub in Spanien. "Das ist für alle olympischen Champions. Das will man sich nicht entgehen lassen. "

DK

Benedikt Schimmer