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Im Golden Tulip in Marseille

07.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:34 Uhr

37 Grad, Südfrankreich zeigt sich von seiner heißesten Seite. Marseille ist mit gut 850 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs und die wichtigste französische Hafenstadt. Eine zweifelsfrei pulsierende Metropole, die aber nicht nur in diesen Tagen für Westeuropäer ziemlich dreckig erscheint.

Mein holländischer Vermieter meint sogar, dass die Stadt wegen des Fußballs sauberer sei.

Meine Unterkunft diesmal: eine Wohnung mit acht Minuten Fußweg zum Stadion. Gefunden nach 550 Autobahnkilometern von Évian nach Marseille - bei einem Deutsch sprechenden Holländer. Netter Kerl, noch habe ich ihn nicht gefragt, wie eigentlich die Holländer abgeschnitten haben.

Am späten Abend sprachen mich am Alten Hafen drei Fans aus der Heimat an, die seit drei Wochen von Spiel zu Spiel fahren, aber bei der Kartenverlosung Pech hatten, dass nie die deutschen Spiele dabei waren. Bis gestern. Wie klein ist die Welt: Der Vater von einem der Kerle war mein Bankberater zu Hause. Die Jungs waren sich einig: Jede Kontrolle im heimischen Hamburger Volksparkstadion ist intensiver als das, was die Franzosen an den Stadien veranstalten.

Apropos: Wie kommt einer, der dort nicht hingehört, ins Mannschaftshotel? Er fährt mit vier Freunden vor, die zufällig auch das Mannschaftshotel gebucht haben. Raus aus der Taxe, am freundlich die Tür öffnenden Pagen vorbei. Die Kontrollen grüßen alle freundlich. Und schon öffnet sich der herrliche Außenbereich am Pool. Die Mannschaft hat gerade den durch eine rote Kordel abgetrennten Frühstücksbereich verlassen. Die DFB-Delegation hat das oberste Stockwerk komplett gemietet, im Gegensatz zum Mannschaftshotel in Évian sind aber auch "normale" Hotelgäste im Golden Tulip.

Woher ich das weiß? Diese Zeilen entstehen im Golden Tulip am Strand von Marseille. Im Mannschaftshotel. Draußen stehen die Kollegen von den Fernsehanstalten. Natürlich hinter den Absperrungen. Neben mir sitzt Mannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und macht sich Notizen. Ich frage ihn nicht nach der Fitness von Bastian Schweinsteiger. Weil Sie beim Lesen dieser Zeile die Antwort alle kennen. Sofern Sie gestern Abend auch das Spiel gesehen haben.

 

Wolfgang Stephan berichtet in einem Tagebuch von der EM in Frankreich.