Regensburg
"Ich ging zunächst von 14 Tagen aus"

Seit einem Jahr führt Gertrud Maltz-Schwarzfischer die Geschäfte der Stadt Regensburg

29.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:53 Uhr

Gertrud Maltz-Schwarzfischer führt die Amtsgeschäfte im Regensburger Rathaus. - Foto: Jädicke

Regensburg (DK) Politik machen hatte sie sich einst anders vorgestellt. Vor gut einem Jahr, am 18. Januar 2017, kam der regierende Oberbürgermeister von Regensburg in Untersuchungshaft. Wenig später wurde Joachim Wolbergs (SPD) vorläufig suspendiert. Seither führt die zweite Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) seine Geschäfte.

Frau Maltz-Schwarzfischer, der 18. Januar hat ihr Leben verändert.

Maltz-Schwarzfischer: Ja, das kann man so sagen!

 

Als sie hörten, der OB sitzt im Gefängnis, ahnten Sie, was da auf Sie zukommt?

Maltz-Schwarzfischer: Nein, ich habe das erst einmal nicht so richtig realisiert. An dem Tag war ich krank. Ich wollte gerade anrufen, als die Nachricht aus dem Alten Rathaus kam: Ich soll sofort kommen. Mein erster Gedanke war: Und jetzt? Pressekonferenz ja oder nein? Es war schwierig. Wir wussten ja noch nicht viel. Aber dann war mir schon klar: Ich bin jetzt die Stellvertreterin und das Stadtoberhaupt.

 

Hat Sie der Gedanke erschreckt?

Maltz-Schwarzfischer: Ja, wahrscheinlich war es ein kleiner Schockzustand. Aber auch ein ziemlich zielgerichtetes Verhalten. Ein bisschen wie bei einem Ausnahmezustand, in dem man die Dinge wie im Tunnel sieht. Aber es gibt ja zum Glück Regeln für eine solche Stellvertretung. Mit allen Rechten und Pflichten.

 

Können Sie sich eine Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer vorstellen?

Maltz-Schwarzfischer: Natürlich kann ich es mir vorstellen. Ich mache das jetzt ein Jahr. Obwohl ich nie Oberbürgermeisterin werden wollte, ehrlich gesagt nicht mal Bürgermeisterin. Stadträtin war so das, an das ich gedacht hatte. Als die SPD stärkste Kraft wurde, hatte ich dann schon vor, gerade im sozialen Bereich in Regensburg etwas zu leisten. Das Klima in der Stadt ist davon abhängig, wie man mit Menschen umgeht, die Unterstützung brauchen. Die Aufgabe als Sozialbürgermeisterin hat mir auch sehr gut gefallen. Oberbürgermeisterin wollte ich nie werden. Ganz bewusst nicht, weil dieses Entscheiden alleine an der Spitze, das war am Anfang erschreckend.

 

Wollen Sie OB werden?

Maltz-Schwarzfischer: Das weiß ich nicht. Wirklich nicht. Bisher musste ich mich nicht vorne hinstellen und anpreisen: "Ich bin die Beste, die Größte, ihr müsst mich wählen!" Der Weg in diese Position war ja ein anderer. Vor allem aber mag ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts dazu sagen. Es ist die Partei, die Kandidaten aufstellt, und es ist ein demokratischer Prozess, wie diese gekürt werden.

 

Sie müssen die Stadt ohne demokratische Legitimierung regieren. Halten Sie Joachim Wolbergs Weigerung zurückzutreten für verantwortlich? Oder ist sie egozentrisch?

Maltz-Schwarzfischer: Naja (schnauft). Ich kann einen egozentrischen Ansatz verstehen. Es geht ja um keine Anschuldigung, wo man mit einer Geldstrafe belegt wird und dann ist gut. Es geht ja tatsächlich um seinen Lebensentwurf und um seine berufliche Karriere. Er hält sich ja für unschuldig. Warum soll er also auf etwas verzichten, wofür er Jahre lang gelebt hat. Insofern kann ich diesen Ansatz natürlich verstehen.

 

Ist es demokratisch verantwortlich, den Weg für Neuwahlen nicht freizugeben?

Maltz-Schwarzfischer: Für die Stadt wäre es natürlich besser, wenn im Rathaus wieder ganz normale Verhältnisse herrschten. Dass er in seiner Situation darauf keine Rücksicht nimmt, kann ich aus seiner Sicht verstehen. Auch wenn es für die Stadt anders besser wäre.

 

Macht es denn keinen Unterschied, ob ein Oberbürgermeister in einer Situation wie dieser nach persönlichen Gesichtspunkten entscheidet, statt mit Blick auf Stadt und Demokratie?

Maltz-Schwarzfischer: Darüber maße ich mir kein Urteil an. Ich werfe es ihm jedenfalls nicht vor.

 

Viele Regensburger glauben, Sie werden bis zur nächsten Wahl 2020 die Geschicke der Stadt lenken. Wollen Sie eigene politische Impulse setzen oder verwalten Sie fremde Politik?

Maltz-Schwarzfischer: Am Anfang war mir wichtig, Amtsgeschäfte auch im Sinne des Oberbürgermeisters weiter zu führen. Ich bin ja zunächst von einer Vertretung von 14 Tagen ausgegangen. Und ja, jetzt mache ich mir schon Gedanken. Aber ich war ja auch Bürgermeisterin, genauso wie Jürgen Huber der dritte Bürgermeister, der jetzt leider durch Krankheit ausfällt. Wir hatten von Anfang an diese Koalition. Und es war nie so, dass der Oberbürgermeister ganz allein neben der Koalition her agiert hat.

 

Gut, aber Herr Wolbergs ist ein, sagen wir, gestaltungsfreudiger Mensch. . .

Maltz-Schwarzfischer: Das ist absolut richtig und das hat er auch intensiv in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Insofern hatten wir uns schon verständigt auf eine politische Richtung und in vielen Fällen auch auf einzelne Projekte. Und die Koalition steht ja nach wie vor. Außerdem habe ich in diesem Jahr einen wesentlich größeren Überblick gewonnen, als ich ihn schon hatte, als Bürgermeisterin. Und da ist es ganz klar, dass man gestalten will und Impulse setzen muss, weil die Stadt sich entwickelt.

 

Also von der Verwalterin hinzu zur Oberbürgermeisterin, die eigene Akzente setzt?

Maltz-Schwarzfischer: Das würde ich so nicht sagen: "Hin zur Oberbürgermeisterin". Für mich läuft immer mit: Ich bin nicht die Oberbürgermeisterin. Es gibt einen Unterschied. Der OB ist direkt gewählt. Als Stadträtin bin ich das auch und auch als Bürgermeisterin. Als OB aber nicht. Aber natürlich habe ich als die Stellvertreterin nicht nur alle Pflichten des OB, sondern auch alle Rechte, zumindest in der Verwaltung. Die Politik muss immer den Anspruch haben, Ideen weiterzuentwickeln. Wir haben eben eine Sondersituation in Regensburg. Und ich kann jetzt nicht so tun als wäre es das Gleiche - als ob ich die Oberbürgermeisterin wäre und jetzt entwerfe ich mal ein Programm.

 

Sie halten sich also zurück mit Impulsen?

Maltz-Schwarzfischer: Inhaltlich nicht. Aber ohne Legitimation ist es anders. Ich setze mehr auf ein Team. Darauf bin ich angewiesen. Die drei Bürgermeisterjobs kann ohnehin niemand alleine in allen Facetten erfüllen. Wir haben das Glück, dass die Koalition hervorragend zusammenarbeitet. Bei den unterschiedlichen Schwerpunkten ist das nicht selbstverständlich. Grüne und FDP sind mit im Boot. Allein da gäbe es ja genügend Zündstoff. Bislang ist das Arbeitsklima gut, auch mit den Freien Wählern. Alle wissen, es kommen auch wieder Wahlen. Bis dahin wird jede Partei ihr eigenes Programm entworfen haben. Es wird kein Koalitions-Wahlkampfprogramm geben.

 

Das Gespräch führte

Flora Jädicke.