Hilpoltstein
"Höchste Zeit für mehr Solidarität"

EU-Abgeordnete Kerstin Westphal (SPD) warnt im Kreuzwirtskeller vor rechten Populisten

02.05.2019 | Stand 02.12.2020, 14:04 Uhr
EU-Abegordnete Kerstin Westphal zeigt zum 1. Mai im Kreuzwirtskeller Solidarität, nicht nur mit Hilpoltsteins SPD-Ortsvereinsvorsitzendem Josef Götz (li.) und Bürgermeister Markus Mahl (re.). −Foto: Rodarius

Hilpoltstein (HK) "Was hat der 1. Mai mit der anstehenden Europawahl zu tun"?

fragte die EU-Parlamentarierin Kerstin Westphal (SPD) die Gäste im Kreuzwirtskeller, denn kaum jemals zuvor stand der Tag der Arbeit ganz im Zeichen der anstehenden Europawahl. Die Antwort schob die Gastrednerin in Hilpoltstein gleich selbst hinterher: "Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit, ein auch für Europa passendes Motto. ,In Vielfalt geeint' lautet schließlich das Motto", so die Abgeordnete.

"Wir haben sicher schon einiges erreicht auf dem Weg zu einem besseren Europa, dennoch ist an vielen Stellen noch daran zu arbeiten, denn für mehr Solidarität in Europa ist es höchste Zeit", mahnte Westphal. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Staaten wieder vor allem auf ihr eigenes Wohlergehen bedacht seien, könne es wirtschaftlicher Selbstmord sein, wenn die Europäische Union in 27 Klein- und Kleinststaaten zerfiele. "Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, wie gut Europa ist, aber wir müssen auch darüber reden", forderte die 56-jährige Hamburgerin. Man müsse sich immer wieder klarmachen, dass die europäische Einheit kein Selbstläufer ist. "Deshalb sollten wir wachsam sein und aufpassen, dass die Europafeinde nicht die Oberhand gewinnen. " Die europäische Politik sei für die Bürgerinnen und Bürger schon länger schwer zugänglich, kaum verständlich und gefühlt weit weg.

"Unser Ziel muss ein Kontinent der guten Arbeit sein", sagte Westphal. Gegen den Widerstand der konservativen und wirtschaftsliberalen Kräfte habe die SPD das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort durchgesetzt". Die Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern nannte sie eine Schande für Europa. Was nütze es, die europäische Jugend-Garantie feierlich per Gesetz zu beschließen, wenn dann keine Taten folgten, kritisierte sie. Eine gute Ausbildung sei wichtiger denn je, das duale System in Deutschland ein Erfolgsmodell. Und genau deswegen müsse dieses Modell auch nach Europa getragen werden. Auf die Umsetzung komme es an. Jeder jugendliche Arbeitslose müsse das Recht haben, innerhalb von vier Monaten ein Beschäftigungsangebot, einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz - wohlgemerkt bezahlt - oder eine Fortbildung zu bekommen. "Europa muss für eine Jugend stehen, die Zukunft hat", sagte Westphal.

Solidarität höre natürlich nicht bei jungen Leuten auf. In ganz Europa gebe es heute noch massive Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern, kritisierte die EU-Abgeordnete. Sogar in Deutschland verdienten Frauen 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Da helfe es auch nicht, wenn der EU-Durchschnitt bei "nur" 17 Prozent liege. Diese Einkommensunterschiede führten zu finanzieller Abhängigkeit der Frauen und später in die Altersarmut.

Als weiteres Beispiel für Menschenrechte führte Westphal bezahlbaren Wohnraum an. "In ganz Europa, dafür muss Geld in die Hand genommen werden. Kommunen müssen in den sozialen Wohnungsbau einsteigen, dafür muss Europa einen Fördertopf bereitstellen. Das ist nicht schändlich, im Gegenteil", sagte sie.

Westphal machte auch deutlich, dass auch in Bayern viele Städte und Gemeinden von der EU profitieren: "Keiner spricht darüber, wie viele europäische Gelder in die Kommunen fließen. Die Konservativen in Bayern tun immer so, als käme alles Fördergeld aus München. " Die Kommunen könnten vieles nicht allein schultern, dafür gebe es viele gute Fördertöpfe in der Europäischen Union, ob den Sozialfond, mit dem auch Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft wird, oder das EU-Förderprogramm Leader, von dem Projekte in den Bereichen Kultur und Tourismus, Natur und Umwelt oder demographischer Wandel sowie Jugend im ländlichen Raum bezuschusst werden. Bereits seit 2003 profitiere auch der Landkreis Roth in erheblichem Maße von diesem europäischen Förderprogramm.

Westphals Fazit: "Wenn es die Europäische Union nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Die EU hat dafür gesorgt, dass wir in Europa seit Jahrzehnten in Frieden leben. " All das lasse sich in Europa nur gemeinsam erreichen. "Die Rechtspopulisten und Nationalisten in Europa bieten keine Lösungen - im Gegenteil: Die Brexit-Abstimmung in Großbritannien und ihre Folgen haben gezeigt, wohin es führt, wenn diejenigen die Oberhand gewinnen, die Ängste schüren, aber keinerlei Konzepte für die Zukunft haben. Zeigen wir klare Kante gegen Rechts und alle, die unser Land und Europa spalten wollen", appellierte Westphal.