Ingolstadt
Ho, ho, ho

Herrlich komisch: Weihnachts-Special der Literalounge im Kleinen Haus

13.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:23 Uhr
Zwischen Beziehungsfrost und Tannenglühn: Donald Berkenhoff, Jan Gebauer, Jens Rohrer, Ingrid Cannonier, Sascha Römisch, Carmen Mayer, Ralf Lichtenberg, Peter Reisser, Sarah Horak und Renate Knollmann (von links) lesen unheilige Weihnachtsgeschichten im Kleinen Haus. −Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) Glühweinkrise! Ausgerechnet im verflixten siebten Jahr der Weihnachts-Literalounge "Stille Nacht allerseits" hat niemand an den Glühwein gedacht.

Den hatte nämlich Donald Berkenhoff immer selbst besorgt (und in den ersten Jahren auch selbst bezahlt) und jetzt, da er nicht mehr Chefdramaturg am Stadttheater Ingolstadt ist, sondern Romancier in Berlin, hat sich keiner gekümmert. Bedauerlich! "Bei der Auswahl der Texte bin ich davon ausgegangen, dass Sie beim Hören schon zwei Glühwein intus haben", sagt er und grinst verschmitzt. Immerhin gibt es "aus privaten Restbeständen" ein paar Flaschen Schnaps. Und so gestärkt beginnt die natürlich ausverkaufte Lesung im Kleinen Haus. Bitterböse Weihnachtsgeschichten lesen die Schauspieler - von chaotischen Bescherungen, ausgebufften Geschenkduellen, familiären Katastrophen.

Das Weihnachts-Literatur-Special ist Kult. "Sowie die Supermärkte anfangen, Dominosteine rauszulegen, fange ich an, Weihnachtstexte zu lesen", erklärt Donald Berkenhoff. Diesmal sind es Geschichten von Ephraim Kishon, Barbara Noack, Doris Dörrie und Herbert Rosendorfer. Und weil man an Weihnachten ja gerne Gäste einlädt - "immer die gleichen" - sind auch die Ingolstädter Autoren Carmen Mayer und Jens Rohrer dabei.

An einer langen, festlich geschmückten Tafel nehmen beide zusammen mit den Schauspielern Jan Gebauer, Ingrid Cannonier, Sascha Römisch, Ralf Lichtenberg, Sarah Horak, Renate Knollmann und Peter Reisser Platz - und legen los. Lesen beispielsweise von einem Ehepaar, das sich jedes Jahr mit Geschenken überbietet: Sie schenkt ihm eine komplette Fechtausrüstung, eine Schreibtischgarnitur aus carrarischem Marmor oder eine persische Wasserpfeife, er revanchiert sich Jahr für Jahr mit "zauberhaften" Stehlampen. Nach der elften zauberhaften Stehlampen beschließen die beiden, sich nichts mehr zu schenken, um dann schließlich doch insgeheim fürs Fest aufzurüsten, nicht ohne die Geschenkversuche des anderen zu sabotieren.

Ephraim Kishons Weihnachtssatire "Vertrauen gegen Vertrauen" (vorgetragen von Sascha Römisch und Ingrid Cannonier im wüsten Paargefecht) wird ebenso belacht wie Carmen Mayers mörderische Geschichte, in der ein untreuer Ehemann und eine riesige Tiefkühltruhe tragende Rollen spielen. Jens Rohrer sorgt mit seinen plastischen Schilderungen eines restalkoholisierten Weihnachtsmannes in der Kita Marienkäfer für große Heiterkeit. Renate Knollmann lässt eine junge Frau vor dem Weihnachtstrubel nach L.A. fliehen, damit sie am Ende dort Spekulatius backt. Und Jan Gebauer legt sich für Herbert Rosendorfers "Weihnachtsdackel" Adolar ins Zeug, der Familie Besenrieder ein unvergessliches Fest bereitet, an dessen Ende ein verhungerter Hund, eine verwüstete Wohnung, eine Familie am Rand des Nervenzusammenbruchs und eine Scheidung stehen.

Es sind skurrile, rabenschwarze und ziemlich unheilige Weihnachtsgeschichten, die aus der Normalität entstehen und in der Katastrophe enden: Einkaufsorgien, nervige Kinder, besonders originelle Geschenke, Beziehungsfrost und Tannenglühn, falsche Nikoläuse und echte Emotionen - aber von Friede auf Erden keine Spur. Eine herrlich komische Einstimmung auf das Fest der Feste, die mit viel Applaus bedacht wird. Zum Nach-, Vor- und Weiterlesen seien empfohlen: "Wenn der Christbaum brennt" (LangenMüller), "Auf die Plätzchen, fertig, los: Geschichten für fröhliche Weihnachten" und "Früher war mehr Lametta" (beide Diogenes).

Anja Witzke