Ingolstadt (DK) Kaum eine Region in Deutschland ist wirtschaftlich derart erfolgreich wie der Raum Ingolstadt. Audi, Airbus, Hipp und viele weitere Firmen agieren weltweit. Was viele nicht wissen: Den Anfang der wirtschaftlichen Entwicklung Ingolstadts markieren die Vorläufer der heutigen Rieter Ingolstadt GmbH - die damals noch wenig mit Spinnereimaschinen zu tun hatten.
Einer dieser Vorgänger war der erste nennenswerte Industriebetrieb auf Ingolstädter Boden. 1883 zog aus München das Königlich Bayerische Hauptlaboratorium an die Donau. Hier wurde Munition für kleinere Geschütze aus dem Artilleriebereich gefertigt. Aus Sicherheitsgründen errichtete man die Produktionsstätten auf einem Gelände etwa zwei Kilometer außerhalb der Festungsmauer. Das Risiko, innerhalb der Mauer eine Munitionsfirma zu bauen, war schlicht zu groß. Auf dem damals ausgewählten Areal befindet sich heute der Sitz der Rieter GmbH. Einige der historischen Gebäude werden noch immer genutzt und die nahe gelegene Laboratoriumstraße erinnert an die frühe Vergangenheit des ersten Ingolstädter Industriebetriebes.
Im Jahr 1885 nahm dann die Königlich Bayerische Geschützgießerei und Geschossfabrik ihre Arbeit auf. Sie wurde durch die Zusammenlegung der bestehenden Ingolstädter Geschossfabrik mit der von Augsburg hergezogenen Geschützgießerei aus der Taufe gehoben. Der so entstandene Betrieb trug bereits damals maßgeblich zum Ruf der Schanz als Industriemetropole bei. In dieser Zeit begann auch der Bau einer neuen Gießerei direkt an der Donau - heute noch schlicht als Gießereigelände bezeichnet.
1918 ging das Deutsche Kaiserreich im Zuge der Niederlage im Ersten Weltkrieg unter. Auch das Königreich Bayern verschwand. Die Siegermächte erlegten damals der jungen Weimarer Republik strenge Beschränkungen bei der Rüstungsproduktion auf. Um die einschlägigen Betriebe zu retten, schlossen sich 13 Rüstungsfirmen - darunter auch die Ingolstädter Geschützgießerei und Geschossfabrik - zur Deutschen Werke Aktiengesellschaft zusammen. Sie stellten ihre Produktion auf zivile Produkte um. Ab 1925 wurde der Riesenkonzern nach und nach wieder in Einzelunternehmen umgewandelt. Es entstanden Firmen wie die Industriewerke in Berlin-Spandau, die Motorräder und Eisenbahnwaggons baute, oder aber die ehemalige Großwerft Deutsche Werke Kiel AG. Ein weiterer Ableger war die Deutsche Spinnereimaschinenbau Aktiengesellschaft in Ingolstadt - meist nur Despag genannt. Sie produzierte Gussteile, die für Spinnereimaschinen benötigt wurden. Auch an diese Epoche erinnert ein Straßenname: die Despag-Straße.
1938 gingen die Ingolstädter Werke der Despag an die Chemnitzer Schubert & Salzer Maschinenfabrik AG. Die Wirren des Zweiten Weltkriegs überstand die ostdeutsche Firmenmutter, die bis heute in Ingolstadt und Umgebung als Schubsa bekannt ist, einigermaßen unbeschadet. Doch die DDR beeinflusste die Historie - auch der hiesigen Standorte. 1945 wurde der Konzern durch die Führung des sozialistischen Staates enteignet. Die Zentrale zog daraufhin 1949 nach Stuttgart und nur ein Jahr später weiter nach Ingolstadt.
In den Jahren des Wirtschaftswunders kehrte ein wenig Ruhe ein. Das Unternehmen litt aber zunehmend an einem schwierigen Geschäftsumfeld und einbrechenden Auftragszahlen. Anfang der 80er-Jahre beschäftigte Schubsa rund 2700 Mitarbeiter. Bis Ende der 80er-Jahre verschlechterte sich die Situation weiter. Immer wieder musste Schubsa in dieser Zeit Kurzarbeit anmelden. In der Belegschaft machten Gerüchte die Runde, dass die Firma verkauft werden solle.
Am 7. Januar 1987 bestätigte sich die Annahme: Hans Ziechnaus, der damalige Vorstandsvorsitzende, offenbarte der damals 2800 Kräfte zählenden Belegschaft, dass die Firma Rieter aus der Schweiz die Aktienmehrheit am Ingolstädter Unternehmen erworben hatte. Der Konzern wurde aufgesplittet: Die Data GmbH und die Control Systems GmbH firmieren auch heute noch unter dem Namen Schubert und Salzer. Der Maschinenbau nahm jedoch 1992 den Namen Rieter Ingolstadt Spinnereimaschinenbau AG an. Seit 2008 ist sie eine GmbH.
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