Allersberg
Hexentanz verbindet Akrobatik und Brauchtum

40 bis 50 Auftritte absolvieren die Allersberger Flecklashexen in der Faschingssaison - Trainingsbesuch vor dem großen Höhepunkt

15.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:58 Uhr
Aufwärmen und dehnen ist wie bei jedem Sport essenziell. −Foto: Tschapka

Allersberg (HK) Seit September trainieren die Allersberger Flecklashexen für ihre Faschingsauf-tritte. Bei ihrem Hexentanz kombinieren sie schnelle Schritte, Sprünge und Hebefiguren zu moderner Instrumentalmusik. Ihre Kostüme und Masken gehen jedoch auf einen über 500 Jahre alten Brauch zurück.

Die Allersberger Flecklashexen, das sind 18 junge Männer zwischen 17 und 33 Jahren. Zwei von ihnen sind sogar schon Väter. Sie tragen schwarze Turnschuhe, Hosenträger und handgenähte Fleckenkostüme. Jedes Kostüm besteht aus rund 2000 bunten Stoffstreifen, manche sind gepunktet, andere gestreift und wieder andere einfarbig. Ihre Gesichter verbergen sie hinter handgeschnitzten Holzmasken mit übergroßen schwarzen Augenbrauen, krachigroten Lippen und krummen Nasen. Wenn sie sich bewegen klingeln kleine goldene Glöckchen an den Masken.

Ein fetziges Instrumentalstück tönt aus einem großen Lautsprecher in der Ecke der Turnhalle der Allersberger Mittelschule. Die Hexen warten konzentriert auf ihren Einsatz. Neun von ihnen sind in die Hocke gegangen, die anderen neun stehen in einem Pulk dahinter. Auf ein Zeichen der beiden Trainerinnen Sarah Heinrich und Stephanie Holetzky springen sie auf, laufen durcheinander und schlenkern mit Armen und Beinen. Dann formieren sich die Männer in zwei Gruppen. Zwei Hexen werden in die Höhe gehieft, in die Luft geworfen und mit gespreizten Beinen wieder aufgefangen. Holetzky stoppt abruppt die Musik: "Das war noch nicht synchron, das müssen wir nochmal machen." Ein leises Murren geht durch die Reihen.

Heinrich schmunzelt und sagt: "Jungs zu trainieren ist schon schwieriger. Die wuseln immer herum und hören oft nicht zu." "Von den Jungs haben wir nicht umsonst Trillerpfeifen bekommen, damit wir uns besser durchsetzen können", fügt Holetzky hinzu. "Und zur Motivation gibt es dann Bier," ergänzt Heinrich. Aber im Allgemeinen seien die Männer bei den Flecklashexen sehr ehrgeizig und es gebe einen großen Zusammenhalt innerhalb der Gruppe. "Das Angenehme ist, es gibt kein Gezicke. Wenn mal etwas nicht passt, wird das gleich geklärt und nicht hintenrum geredet."

Vertrauen sei ohnehin das Wichtigste. Dieser Ansicht ist auch Hexenmeister Samuel Schirmer, der gerade eine Ausbildung zum Polizisten macht. Der 27-Jährige erklärt, mit der Holzmaske zu tanzen sei wirklich anstrengend. "Man kriegt kaum Luft und sehen tut man durch die zwei kleinen Augenlöcher nur so viel." Schrimer formt mit Daumen und Zeigefinger einen kleinen Kreis. Trotzdem ist er mit großer Leidenschaft und mit zwölf Jahren schon am längsten bei den Flecklashexen dabei. "Das Gefühl, wenn man fertig ist mit dem Tanzen und die Leute jubeln, ist einfach klasse."

Die Allersberger Flecklashexen haben einiges in petto um ihre Zuschauer zum Staunen zu bringen. Sie klettern sich gegenseitig auf die Schultern und bauen so eine dreistöckige Menschenpyramide. Außerdem haben sich die Trainerinnen neue Hebefiguren ausgedacht, die sich Baby, Pirat oder Grelevator nennen. Heinrich erklärt: "Der Grelevator ist wirklich anspruchsvoll. Da müssen unten ganz starke Jungs stehen, denn die tragen die ganze Last." Bei dieser Figur heben drei Hexen zwei weitere hoch und halten sie an den Füßen fest, während eine sechste Hexe auf die Schultern der beiden oberen klettert. Dann lässt sie sich nach hinten fallen und wird von zwei Tänzern aufgefangen.

Die Flecklashexen sind nicht einfach nur eine Tanzgruppe, sie führen einen jahrhundertealten Brauch fort. Die Männer können auf eine Geschichte zurückblicken, die ihre Anfänge um 1475 nahm. Die Kostüme aus dieser Zeit sind jedoch im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Mit der Gründung des Allersberger Faschingskomitees 1969 wurde der Brauch wieder aufgegriffen und mit Georg Braun fanden die Allersberger einen Schnitzer, der neue Hexenmasken anfertigte.

"Zuerst waren die Flecklashexen nur als Deko bei Kappenabenden dabei", erzählt Schirmer. Da die Allersberger jedoch keine Garde hatten, kam man auf die Idee, dass die Hexen auch tanzen könnten. Sie begannen einfache Tänze mit Besen einzustudieren. Nach und nach wurden die Tänze immer anspruchsvoller und akrobatische Elemente kamen hinzu.

Das Markenzeichen der Flecklashexen ist der sogenannte Todessprung. Hierfür stellen sich 15 Tänzer mit ausgestreckten Armen in einer langen Zweierreihe auf. Zwei weitere Tänzer stehen an der Spitze der Reihe, heben eine Hexe hoch und werfen sie in die Menge. Was auf den ersten Blick einfach aussieht, muss immer wieder geübt werden. "Leon, du musst deine Beine hinten festmachen. Du musst dich spannen", ruft Holetzky und Heinrich erklärt: "Jeder Wurf ist ein Unikat. Das hat viel mit Körperspannung zu tun." Leon Mayer macht einen zweiten Versuch und es klappt. Ein Raunen geht durch die Reihe. "Wenn sie den Sprung schaffen, feiern sie sich immer selber", freut sich Holetzky gemeinsam mit den Tänzern.

Die Allersberger Flecklashexen sind inzwischen auch über Franken hinaus bekannt und bekommen sogar Anfragen aus Österreich. Sie tanzen pro Saison 40 bis 50 Auftritte, manchmal sind es sogar vier Auftritte an einem Abend. Ein Höhepunkt wird auch in diesem Jahr wieder der Fernsehauftritt bei "Fastnacht in Franken" in Veitshöchheim sein. Auch wenn die Flecklashexen hier nicht tanzen, sondern nur mit ihren Masken in die Kameras lachen.

Bianca Hofmann