Herb-schöner Melodienkosmos

17.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:57 Uhr

Zum zweiten Mal Deutscher Meister: Die 3BA Concert Band im Festsaal. - Foto: Schulze-Reimpell

Ingolstadt (DK) Erwartungsvolle Stille. Das Orchester hat den Ingolstädter Festsaal längst betreten, aber der Dirigent gibt keinen Einsatz. Immer wieder blickt er nach hinten, auf die Empore. Dort, über die Sicht versperrenden Tüchern hängt eine matte Lampe. Sie ist ausgeschaltet.

In der Tat: Es ist schwierig, mit der dreiköpfigen Jury der Deutschen Brass Band Meisterschaft zu kommunizieren. Denn bei diesem Wettkampf herrscht höchst mögliche Objektivität. Die Brass-Band-Experten Corsin Tuor, Dirigent in der Schweiz, der belgische Komponist Jan van der Roost und der österreichische Band-Leader Hannes Buchegger sitzen unsichtbar hinter Vorhängen. Sie kennen lediglich das Programm, über die Ensembles erfahren sie nichts.

Am Ende zeichnen sie erneut den Sieger des vergangenen Jahres aus: Deutscher Meister ist zum zweiten Mal die Concert Band der Bayerischen Brass Band Akademie (3BA), die wieder unter ihrem langjährigen Chefdirigenten Franz Matysiak spielte. Die Auszeichnung kommt nicht überraschend. Das Ensemble mit Sitz in Ingolstadt musizierte an dem Tag hinreißend, als einziges Ensemble weitgehend ohne Schwächen. Auf dem Programm stand heuer wieder ein Pflicht- und ein Wahlstück. Für jede Kategorie – für die Ensembles der "Mittelstufe", der "Oberstufe" und der "Höchststufe" – hatte die Jury jeweils ein Werk herausgesucht. Für die "Höchststufe" – in dieser Kategorie bewarb sich die Concert Band der 3BA – musste Gilbert Vinters (1909–1969) "James Cook-Circumnavigator" vorgetragen werden – ein Werk, mit enormen technischen Schwierigkeiten, einer kleinen Fuge, einem hymnusartigen Schluss in Fortissimo, aber auch mit getragenen, leisen Passagen, die mit großer Intensität und Leidenschaft gespielt werden sollen. Die 3BA gestaltete das Werk geradezu mühelos. Alle Probleme, die man bei den drei konkurrierenden Ensembles wahrnehmen konnten, waren hier überhaupt kein Thema. Da gab es keine Unsicherheiten bei den Posaunen-Einsätzen oder holperige Trompeten wie etwa bei der Brass Band Oberschwaben-Allgäu, keine wackligen Übergänge oder schlecht intonierende Tuben wie bei der Folkwang Brass Band und der Brass Band A7. Hier stimmte eigentlich alles.

Zur Höchstform lief das bayerische Ensemble allerdings erst beim Wahlstück auf: "Hymn of the Highlands" von Philip Sparke (dem wohl gegenwärtig bekanntesten lebenden Komponisten für Brass-Band-Musik). In dem mehrsätzigen Werk verwebt Sparke volksliedhafte Melodien mit moderner, höchst raffinierter Kompositionstechnik. Das Stück steckt voller Effekte, Bläser, die im Off spielen, melancholisch-tänzerische Abschnitte und gewaltige Schlagzeugattacken. Die Musiker der 3BA musizierten das mit überwältigendem Sinn für diesen herb-schönen Melodienkosmos.

Dirigent Franz Matysiak, der so zurückhaltend wirkende, offenbar höchst effiziente Orchestererzieher und Motivationskünstler, kann sich nach der Preisverleihung schier kaum zurückhalten vor Freude. Wie nur konnte er dieses Wunder des zweimaligen Sieges überhaupt erkämpfen? Die Antwort kommt, ohne zu zögern: "Man muss eine gute Stimmung erzeugen, die Musik wirken lassen. Die einzelnen Musiker bei ihren Stärken, bei ihrer Begeisterung packen."

Einen großen Tag hatte auch der 3BA-Vorsitzende und Motor der bayerischen Brass-Szene Claus-Peter Wittmann, dem es gelungen war, bereits zweimal den Wettbewerb nach Ingolstadt zu holen. In drei Formationen spielte er am Samstag mit, darunter auch bei der siegreichen Concert Band. Und das ausgerechnet an seinem Geburtstag. Für ihn war es das beste Geschenk. "Was kann es Schöneres geben", sagte er lachend, "als mit 300 Freunden zu feiern, ohne etwas dafür zu bezahlen."