Ingolstadt (DK) Arnulf Rating hat zwei klar formulierte Feindbilder, die beiden großen „Bs“: Bertelsmann und die „Bild“- Zeitung. Der Megakonzern mit bundesweiten Meinungsinitiativen zieht sich als Auftragsgeber eines Stresstests für Deutschland durch das Programm.
Und die Schlagzeilen auf der Titelseite der Boulevardzeitung sind dem scharfsinnigen Altmeister des Politkabaretts Grund genug für atemlose Tiraden und bissige Kommentare. Spätestens dann muss man sich ernsthafte Sorgen über den Zustand der Republik machen.
Aber das Publikum in der Neuen Welt in Ingolstadt lernt an diesem Abend auch, dass „bei Dieter Bohlen das Brett vorm Kopf schon im Namen“ ist, dass sich Rating bei dem raschen Präsidentenwechsel eine Drehtür für Schloss Bellevue wünscht und dass er gerne verstehen würde, „warum wir am Horn von Afrika kämpfen und die Piraten im Berliner Parlament sitzen“.
Arnulf Rating lässt bei seinem Rundumschlag im Rahmen der Kabaretttage nichts an politischen und gesellschaftlichen Schieflagen aus: Parteienschelte („Warum man FDP wieder mit ,Fast drei Prozent’ buchstabieren kann“) und Eurokrise, Wahlkampf nach Naturkatastrophen („Früher haben sich die Politiker noch auf die Dämme gestellt. Neben die anderen Sandsäcke.“) und brauner Untergrund, soziale Netzwerke („Lieber ein Profil bei Facebook als gar keines.“), Meinungsmache und aberwitziges Motivationstraining. Staccato-Pointen am Stück sind Ratings Sache dabei nicht. Er erzählt auch gerne Geschichten, entwickelt Kritik in Schleifen oder spitzfindigen Bezügen.
Originell ist sein Rollenspiel. Für das Stresstest-Panoptikum („Wir wollen testen, ob Sie überhaupt körperlich in der Lage sind, die ganzen Schirme zu halten“) verwandelt sich Rating in die bezopfte, energische Krankenschwester Hedwig, in Dr. Mabuse, den 400-Euro-Jobber Herrn Kalkowski, den Berater auf Zeit oder in den aalglatten Manager im Nadelstreifenanzug aus der Bertelsmann-Zentrale in Gütersloh. Der fragt dann auch locker-flockig in den Raum, warum hier denn alle im Dunkeln sitzen. – Weil man dem bissigen Welt-Erklärer Rating nur allzu gerne zuhört.