Berlin
Großstädte investieren zu wenig in sicheren Radverkehr

28.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:47 Uhr
Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland 382 Fahrradfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben. −Foto: Silas Stein

Kopenhagen und Amsterdam gelten als Vorreiter in Sachen Radverkehr in Europa. Im Vergleich dazu geben deutsche Städte zu wenig aus, kritisiert der Umweltverband Greenpeace. Doch es tut sich einiges.

Die sechs größten deutschen Städte investieren aus Sicht des Umweltverbandes Greenpeace viel zu wenig Geld in sicheren Radverkehr. Laut einer Greenpeace-Untersuchung gab keine der Städte im Durchschnitt der vergangenen Jahre mehr als 5 Euro pro Kopf und Jahr für den Radverkehr aus.

Städte wie Amsterdam und Kopenhagen dagegen investierten seit Jahrzehnten ein Vielfaches dessen. Dort werde deutlich mehr Rad gefahren, gleichzeitig verunglückten Radfahrende etwa zehnmal seltener. Einige der deutschen Städte widersprachen jedoch und nannten andere Zahlen.

Greenpeace hat für die Untersuchung die öffentlichen Haushalte der Städte Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main und Stuttgart unter die Lupe genommen. Demnach gab im Durchschnitt der vergangenen Jahre Stuttgart 5 Euro pro Kopf und Jahr für den Radverkehr aus, Berlin 4,70 Euro und Frankfurt 4,30 Euro. Danach kommen Hamburg mit 2,90 Euro, Köln mit 2,80 Euro und München mit 2,30 Euro. Zum Vergleich: In Amsterdam sind es laut Greenpeace 11 Euro, in Kopenhagen sogar 35,60 Euro. Für die Berechnungen hat Greenpeace unterschiedliche Zeiträume herangezogen.

Die Stadt München wies die Vorwürfe zurück. Laut einem Sprecher der Stadt stehen pro Jahr 10 Millionen Euro, also weit mehr als 6 Euro pro Kopf, zur Verfügung. Dieses Geld werde komplett investiert. Auf Nachfrage relativierte Greenpeace, dass die für München genannte Zahl nur eine grobe Kennzahl sei, die auf Basis der letzten Haushaltspläne erstellt wurde. Ein genauer Betrag könne nicht genannt werden, da die Städte manche Ausgaben für den Radverkehr nicht als solche kennzeichneten. Der Wert könne daher in der Tat „deutlich von der tatsächlichen Höhe der investierten Mittel abweichen“.

Das Ergebnis der Studie sei möglicherweise auch dadurch zu erklären, dass München bereits ein sehr dichtes Radverkehrsnetz habe. Vorstellbar sei, dass sich andere Städte noch mehr in der Bauphase befinden, wodurch höhere Ausgaben ausgewiesen werden. In München müssten dagegen Radwege zu einem großen Teil lediglich saniert und ausgebessert werden.

In Berlin teilte ein Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung mit, die Greenpeace-Studie zeige, dass in der Vergangenheit zu wenig für den Radverkehr in Berlin getan worden sei: „Sie bestätigt unseren Kurs, endlich mehr Geld in die Radinfrastruktur zu investieren.“ Gut 50 Millionen Euro pro Jahr stünden für Ausbau und Erhalt bereit, das entspreche etwa 14 Euro pro Einwohner. Die Hauptstadt soll künftig so geplant werden, dass mehr Menschen das Auto stehen lassen. Dafür gibt es ein neues Mobilitätsgesetz: Fahrräder, Bus und Bahn bekommen in der Verkehrsplanung Vorrang vor dem Autoverkehr.

Greenpeace verwies auch auf Rad-Unfälle. Wie das Statistische Bundesamt im Juli mitgeteilt hatte, kamen in Deutschland im vergangenen Jahr 382 Fahrradfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben. Während die Zahl der Verkehrstoten insgesamt zwischen 2010 und 2017 um 13 Prozent sank, blieb die Zahl der tödlich verunglückten Radfahrer nahezu konstant. Besonders schwere Folgen haben Unfälle mit Lastwagen.

„Die Bundesregierung muss Geld bereitstellen, damit Menschen mit dem Rad künftig sicher durch die Stadt kommen“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann. Bis zu 30 Prozent aller Autofahrten in Ballungsgebieten ließen sich auf das Fahrrad verlagern. Der Radverkehr könne enorm helfen, die Verkehrs- und Luftprobleme vieler Städte zu lösen.

dpa