Wettstetten
Großer Bahnhof für kleine Züge

Manfred Schneeweiss' Modelleisenbahn ist noch bis Sonntag im Wettstettener Bürgersaal zu besichtigen

20.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:00 Uhr
Manfred Schneeweiss erklärt großen wie kleinen Besuchern gerne seine derzeit im Wettstettener Bürgersaal ausgestellte Modelleisenbahn. −Foto: Gülich

Wettstetten (DK) Im Rahmen der Kulturzeit im Bürgersaal ist diese Woche die Modelleisenbahn von Manfred Schneeweiss im Bürgersaal ausgestellt. Die komplett von dem Wettstettener selbst gebaute Anlage lockt mit liebevollen Details und manchen Besonderheiten.

Die Schlange der Kinder, die auch mal einen Zug auf der großen Modelleisenbahn-Anlage steuern wollen, ist lang. Gerade steht Felix am Regler: Vorsichtig gibt er mit der schwarzen Dampflok ein bisschen mehr Gas. Allerdings muss er noch auf den Güterzug achtgeben, der auf derselben Spur unterwegs ist. Kollisionen gilt es natürlich unbedingt zu vermeiden. "Ich war noch nie Zugführer", bemerkt der 6-Jährige und lacht. Hinter ihm warten schon Marco und Leon, die auch mal einen der Züge steuern wollen. Aber nicht nur Kinder bestaunen die Lokomotiven, Kräne, Häuser und die vielen Finessen der Anlage - auch älteres Publikum ist ausgiebig vertreten.

Schneeweiss' Modelleisenbahn ist rund neun mal fünfeinhalb Meter groß und von den Standbeinen bis zu den Häusern und Felsen zu über 90 Prozent selbst gebaut. Aber nicht nur das: Auch 20 Züge hat der Ingenieur im Ruhestand in langer detaillierter Handarbeit selbst konstruiert. "400 bis 500 Stunden braucht es schon, bis so eine Lok fertig ist", sagt er mal eben so in einem Nebensatz. Die verwendeten Materialien sind vielseitig: Sperrholz und Wellpappe für die Häuser, eine Holzkonstruktion, darüber ein Fliegendraht, dann Spachtelmasse für die Felsen. Darauf Abtönfarbe in verschiedenen Nuancen. Für die Züge selbst verwendet Schneeweiss vor allem Messing.
 

Der begeisterte Eisenbahner erzählt die Geschichte der Spur 0, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa ein Nischendasein fristete, bis der Hersteller Lenz Elektronik 2007 als absolute Neuerung Spur-0-Gleise und Fahrzeuge plante. Schneeweiss baute parallel dazu im Austausch mit der Firma seine Modellbahn - bevor das Material überhaupt wirklich auf dem Markt war. "Aber es hat dann tatsächlich alles gepasst und so war meine Anlage eine der ersten mit dieser Spurbreite, die in Deutschland existierte", erzählt der 78-Jährige. Die Renaissance der Spur 0: Schneeweiss hat sie hautnah miterlebt und durfte seine Anlage damals gleich auf der Intermodellbau-Messe in Dortmund ausstellen.

Aber wie kam der Wettstettener zu seinem großen Hobby? "Ich habe mit acht Jahren einen Holzbaukasten geschenkt bekommen, mit dem ich das Konstruieren angefangen habe. Alles habe ich gebaut: Häuser, Brücken, Kräne und Maschinen", erzählt der in Wien aufgewachsene Schneeweiss. Die Frage "Wie funktioniert das?" hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Als Ingenieur ist er schließlich 1963 bei der Auto-Union gelandet, hat dort entwickelt und geplant, auch diverse Patente angemeldet. "Kreativ zu sein, hat mich immer schon gereizt. Technisch Interessantes zu überlegen, ein bisschen zu knobeln und neue Ideen zu entwickeln, fällt mir leicht", berichtet er lachend. Auch seine Anlage ist mitnichten beendet, sondern wird stets erweitert, mit Neuem ausgestattet, mit Besonderheiten bereichert.
 

Als seine Kinder und später die Enkel mit einer Holzeisenbahn spielten, fand Schneeweiss die Waggons und Züge der Standardmarken viel zu klein für die Schienen. Das Ergebnis: Die Holzschienen durften bleiben, Züge baute er eigene - in doppelter Größe und gleich mit Motor. In den Wettstettener Bürgersaal hat er die Kisten mit der Holzeisenbahn mitgebracht und auf Extratischen aufgebaut, weil Kinder hier alles unbedenklich anfassen dürfen - im Gegensatz zu seiner großen Modellanlage, bei der nur Gucken erlaubt ist.

Während der Ausstellung bekommt Schneeweiss Unterstützung von seinen Kollegen vom Ingolstädter 0-Stammtisch, die auch beim Aufbau geholfen und eigene Züge mitgebracht haben. Die Männer bekommen viele Anfragen, ihre Bahnen aufzubauen und vorzuführen, sind normalerweise aber zurückhaltend. Zu groß ist der Aufwand, zu kostbar das Material. "Aber bei so einem Heimspiel ist das natürlich was anderes", erklärt Schneeweiss die Ausstellung an seinem Wohnort.

"Eisenbahn ist ja kein Spiel-Hobby, sondern extrem vielseitig, hat mit Modellbau, Konstruktion, Elektrik, Handwerk und Programmierung zu tun", verdeutlicht Hans-Peter Bopp vom 0-Stammtisch, der als Helfer während eines Kindergartenbesuchs eingeteilt ist und normalerweise die historische Modelleisenbahn im Ingolstädter Stadtmuseum betreut. Langeweile ist deshalb ein Fremdwort für die Eisenbahn-Fans. Und jeder von ihnen weiß: Eine Modellbahn wird sowieso nie fertig.

Der "Bahnhof Bürgersaal" hat am Mittwoch und Donnerstag von 15 bis 17 Uhr geöffnet, von Freitag bis Sonntag (letzter Ausstellungstag) jeweils von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden zugunsten von Sternstunden e.V., der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks, sind willkommen.
 

Anne Gülich