Ingolstadt/Gaimersheim (DK) Ein Verbrechen, das weite Teile der Bevölkerung aufgewühlt hat, und das möglicherweise nicht aufgeklärt werden kann: Der Vergewaltiger von Gaimersheim, der im Sommer vorigen Jahres eine junge Frau überfallen und brutal missbraucht hat, ist auch ein Dreivierteljahr nach der Tat noch auf freiem Fuß.
Es ist der Albtraum jeder Frau, und für eine Besucherin des Electric Summer Open Air auf dem Volksfestplatz der Marktgemeinde wurde er am 1. Juli 2017 wahr: Auf dem Heimweg von der Musikveranstaltung ist die 30-jährige Gaimersheimerin spät nachts überfallen und missbraucht worden.Äußerst brutal und mit massiver Gewalt, so die Schilderung des Opfers, hat ein bis heute unbekannter 20- bis 30-jähriger Mann die Frau am Eck Ingolstädter Straße/Am Anger zum Sex gezwungen.
Die Tat hatte und hat zusätzliche Brisanz, weil der Täter der Beschreibung nach mit hoher Wahrscheinlichkeit im Kreis von Asylbewerbern zu suchen ist: Es soll sich um einen Dunkelhäutigen (etwa 1,70 Meter groß, seinerzeit mit sehr kurzen, schwarzen krausen Haaren) gehandelt haben. Keine Frage, dass dieses Verbrechen auch ohnehin bestehende dumpfe Ängste vor Überfremdung und steigender Kriminalität durch Flüchtlinge in der einheimischen Bevölkerung bedient und neu geschürt hat.
Auch wenn die Polizei eine Häufung solch eklatanter Vorfälle generell und erst recht in Zusammenhang mit Asylbewerbern nicht bestätigen kann (Steigerungen sind hier allein in der Kleinkriminalität statistisch belegt) - die Tat von Gaimersheim war und ist geeignet, ein fremdenfeindliches Klima in Stadt und Land zu befördern.
Wohl auch aus diesem Grund hatte die Ingolstädter Kripo zur Fahndung nach dem Täter die Ermittlungsgruppe "Festival" gebildet, (nach Gerichtsbeschluss) großangelegte DNA-Reihenuntersuchungen auf freiwilliger Basis in Flüchtlingsunterkünften in Ingolstadt und im südlichen Landkreis Eichstätt auf den Weg gebracht und die Bevölkerung über Fahndungsplakate in fünf Sprachen, die teils bis heute aushängen, um Mithilfe gebeten. Die Belohnung für den entscheidenden Tipp beträgt nach wie vor 5000 Euro.
Allein: All dies hat bislang nicht zum Erfolg geführt. Neun Monate nach dem Verbrechen muss das Polizeipräsidium Oberbayern Nord bekennen, dass "trotz des gegebenen Ermittlungsaufwandes . . . der Täter noch nicht ermittelt" werden konnte, wie der DK jetzt auf Anfrage erfuhr. Es seien zwar noch nicht alle der knapp 800 genommenen DNA-Proben ausgewertet, doch dass sich unter den restlichen noch jener Volltreffer ergibt, der die Fahnder zum Täter führt, ist nicht unbedingt zu erwarten.
"Es ist noch immerin den Köpfen."
Bürgermeisterin Andrea Mickel über das Verbrechen von Gaimersheim
Viel wahrscheinlicher ist, dass der Vergewaltiger, wenn er denn seinerzeit in einem Flüchtlingsheim in Ingolstadt oder Umgebung gelebt haben sollte, im vorigen Sommer schnellstens untergetaucht ist. Die Polizei muss konstatieren, dass "rund 40 Personen an ihren registrierten Aufenthaltsorten nicht angetroffen werden konnten", wie es in der jüngsten Stellungnahme zum Gaimersheimer Fall heißt.
Es ist wie schon so oft im Zuge der Flüchtlingskrise belegt und beklagt: Im Gewusel der Massenunterkünfte geht den zuständigen Behörden schnell mal der Überblick und damit auch die Kontrolle über einzelne Bewohner verloren. "Da sind einige, die dort nicht gemeldet sind, und andere, die dort sein sollten, sind nicht mehr da", beschreibt ein Polizeifachmann, was seine Kollegen nicht nur in der Region, sondern bundesweit bei Recherchen in den Flüchtlingsquartieren erleben. Sicher längst nicht immer hat das Verschwinden von Bewohnern mit kriminellen Machenschaften zu tun - gelegentlich, und womöglich auch in diesem Fall, kann es aber durchaus so sein.
Und in Gaimersheim? Wie ist dort die Stimmung in der Bevölkerung, aus der sich kurz nach dem schlimmen Ereignis eine von Sorge und Mitgefühl getragene größere öffentliche Solidaritätskundgebung für das Opfer entwickelt hatte, jetzt, ein Dreivierteljahr später?
"Es ist noch immer in den Köpfen", beschreibt Bürgermeisterin Andrea Mickel die wenn auch nicht lauten, so offenbar doch beständigen Ängste und Vorbehalte vieler Einwohner. Immer wieder mal werde sie auf den Fall vom vorigen Sommer angesprochen, sagt die Gemeindechefin - auf ein Verbrechen, über das man in der beschaulichen Marktgemeinde einfach nicht hinweggehen kann und will. Natürlich ist der öffentliche Protest abgeebbt, aber in den Gesprächen daheim, beim Einkaufen und am Stammtisch, so scheint es, bleibt die unaufgeklärte Straftat präsent.
Für die Kommune hat der Vorfall die unausweichlichen Weiterungen in Sachen öffentliche Sicherheit gehabt. "Viele sind jetzt vorsichtiger geworden", so Andrea Mickel; für die Gemeinde habe sich die Frage nach geeigneten Präventivmaßnahmen gestellt: "An dunklen Ecken werden wir Lampen aufstellen." Auch die Diskussion über Kameras an bestimmten Plätzen sei in Gang gekommen - und mit ihr das Gezerre um den Datenschutz.
Wo es Sinn macht, wird die Gemeinde also in die "gefühlte" Sicherheit investieren - das einmal Geschehene ungeschehen machen kann aber nichts und niemand. Die vergewaltigte Frau, das wissen Polizei und auch die Bürgermeisterin, leidet schwer unter dem Erlebten, befindet sich nach wie vor in psychologischer Betreuung. Ob ihr die Überführung und Festnahme des Täters weiterhelfen würden, ist kaum zu sagen. Die Polizei wird das weiter versuchen. Und vielleicht kommt ihr eines Tages ja doch noch der berühmte Kommissar Zufall zu Hilfe.
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