Pfaffenhofen
Gollum lebt

Andreas Fröhlich liest auf der Winterbühne aus "Der Hobbit" – und plaudert mit Denis Scheck

07.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:53 Uhr

Dem »Hobbit« Leben eingehaucht haben Synchronsprecher Andreas Fröhlich (von links) und Literaturkritiker Denis Scheck bei einer Lesung am Freitagabend - passend zum deutschen Kinostart von »Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere« am kommenden Mittwoch - Foto: Grindinger

Pfaffenhofen (PK) Zwei absolute Tolkien-Kenner haben auf der Pfaffenhofener Winterbühne den „Hobbit“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet: Andreas Fröhlich, die deutsche Synchronstimme von Gollum, und TV-Literaturkritiker Denis Scheck.

Krächzend, schnarrend, mal flüsternd, mal schreiend erweckte Andreas Fröhlich Gollum aus J .R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“ am Freitagabend in Pfaffenhofen zum Leben. Der erfahrene Synchronsprecher – unter anderem leiht er John Cusack, Edward Norton und Bob Andrews aus „Die drei “ die Stimme – las die „Hobbit“-Schlüsselszene „Rätsel im Dunkeln“. Darin findet Bilbo den Ring und begegnet zum ersten Mal der Kreatur.

Als Fröhlich in die Rolle des Gollum schlüpfte, änderte sich nicht nur die Stimme. Sein Gesichtsausdruck wurde abrupt verkniffen und der ganze Körper begann zu beben. Unangenehm und verschlagen – eine „Mischung aus kotzender Katze und Donald Duck“ – stand das Krächzen in krassem Gegensatz zu Fröhlichs sonorer Sprechstimme, der man wohl stundenlang zuhören könnte. Das Publikum lauschte gebannt und brach beim ersten Auftritt Gollums in spontanen Beifall aus.

Selbst Denis Scheck, der Fröhlichs Gollum schon mehrfach gehört hatte, verriet, dass er spätestens beim Schlusssatz „Dieb! Beutlin! Wir hassen es auf immerdar“ jedes Mal Gänsehaut bekäme. „Ich habe lange gebraucht, bis ich die Gollum-Stimme endlich gefunden hatte“, erzählte Andreas Fröhlich. Er orientierte sich nicht an Tolkien selbst, bei dem Gollum eher harmlos und „wie ein kleiner Kobold“ klingt. Vorbild sei vielmehr Andy Serkis, der Gollum im englischen Original verkörpert und das genial hinbekomme. Nachdem er lange probiert und sich anfangs die Stimme ruiniert hatte, lag er eines Abends neben seiner Frau im Bett. Er begann an ihr herumzuzupfen und schnarrte ihr „Mein Schatz“ zu. „Da hatte ich sie!“

Als Dialogregisseur und Übersetzer für die deutsche „Herr der Ringe“-Filmfassung gewährte Andreas Fröhlich Einblick hinter die Kulissen. Jeder Elb, jeder Zwerg und jeder Ork, der mehr als zwei Sätze zu sprechen hatte, wurde gecastet, erzählte er weiter. Zu jeder Figur wurden drei Sprecher aufgenommen und die Aufnahmen zur Auswahl an Regisseur Peter Jackson nach Neuseeland geschickt. Bis zwei Monate vor Filmstart hat er noch am Material geschnitten, „und zwar heftig“, fügte Fröhlich an. Für die Übersetzung aus dem Englischen hatte er schlussendlich eineinhalb Wochen Zeit. „Unglaublich viel, wenn man bedenkt, dass ‚Titanic‘ in 48 Stunden übersetzt wurde“, bemerkte er. „Man weiß ja, wie das ausgegangen ist“, quittierte Denis Scheck augenzwinkernd.

Denis Scheck, bekannt aus der ARD-Literatursendung „Druckfrisch“, ist bekennender Tolkien-Fan und hält das Werk für ein „unglaubliches Kunstereignis“. Vor Jahrzehnten lernte er an einem Übersetzerstammtisch Margaret Carroux kennen, die erste Übersetzerin von „Herr der Ringe“. Scheck erinnert sich noch gut daran, dass die anderen Teilnehmer sie nicht für voll nahmen und zu ihr sagten: „Du mit Deinen schmutzigen Zwergen.“ „Wie unrecht sie doch hatten“, sagte Denis Scheck. J. R. R. Tolkien habe sich seit jungen Jahren für Sprache interessiert und künstliche Sprachen erfunden. Da diese blutleer und leblos blieben, fing er an, in seinen Kunstsprachen Geschichten zu erzählen. Das war die Geburtsstunde von Mittelerde – und eines Epos.

„Viele sagen ja, Fantasy sei keine Literatur“, kritisierte Denis Scheck eingangs. Eskapismus, Flucht aus der Wirklichkeit, laute der „Killer-Vorwurf“ gegen Fantasy. Nach Ansicht von Denis Scheck unterschlagen Kritiker jedoch, dass die Flucht aus dem Alltag eben Sinn und Zweck des Lesens ist. Abschließend zitierte er Tolkien: „Die einzigen, die etwas gegen Eskapismus haben, sind die Gefängniswärter.“