Neuburg
Gitterstäbe selbst montiert

Schlosserausbildung in der JVA: Mit Feile, Flex und Säge im Gefängnis

23.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:45 Uhr

Neuburg (DK) Alle Werkzeuge, die ein Häftling für einen gescheiten Gefängnisausbruch brauchen könnte, findet er in der hausinternen Schlosserei. Damit Feile und Flex da bleiben, wo sie hingehören, sind die Sicherheitsvorkehrungen in der Jugendjustizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth scharf.

Funken fliegen, Schweißflammen blenden, Stahlspäne rieseln: „Im Prinzip sind wir ausgerüstet, wie jede normale Metallbauer-Firma“, erklärt Betriebsleiter Peter Sontheimer. Drei Häftlinge lernen hier zur Zeit Schlosser, weitere zehn verdienen sich ein paar Euro. Ein ganz normaler Betrieb ist es dennoch nicht, denn alles spielt sich hinter schwedischen Gardinen ab – montiert von den JVA-Schlossern versteht sich. „Die müssen ihre eigenen Gitter anbringen“, sagt Sontheimer.

Flex, Stahlsäge, Bohrhammer: Die Lehrlinge hantieren jeden Tag mit Profiwerkzeug, von dem der Graf von Monte Christo im Château d’If nur träumen konnte. Deshalb werden jeden Abend die Feilen durchgezählt. „Wenn nur ein Teil fehlt, geht keiner aus der Werkstatt“, erklärt Wolfgang Berndt, der für die Wartung der Schließanlagen zuständig ist. Vor der Arbeitsstube, vorbei an einer barbusigen Kalenderschönheit und den Umkleiden, müssen alle Häftlinge außerdem durch eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen. Und trotzdem entdecken die Wärter in den Zellen immer wieder Gegenstände, die dort nicht landen dürften.

„Das Gängigste sind die Tätowiernadeln“, erzählt Ernst Meier-Lämmermann, der Leiter der JVA: Aus Kugelschreibern und Nadeln gefertigt, mehrfach verwendet, sind sie echte Infektionsquellen. Auch elektrische Tätowiermaschinen wurden bei den regelmäßigen und unregelmäßigen Durchsuchungen schon gefunden. Der Einfallsreichtum ist bemerkenswert. „Selbstgebaute Tauchsieder sind auch beliebt“, sagt der JVA-Leiter. Umgebaute Radios zum Funkempfang oder Waffen: „2012 fanden wir ein umfunktioniertes Rasiermesser.“ Das meiste stamme von draußen.

In der Schlosserei hat ein Scherzbold in einem unbeobachteten Moment ein Schwert geschmiedet. Eigentlich werden hier Teile für örtliche Automobilzulieferer und Hersteller landwirtschaftlicher Maschinen gefertigt. 1,28 Euro bekommt ein Lehrling dafür in der Stunde. Ein Drittel davon darf er gleich ausgeben: im Gefängnisladen. Zwei Drittel bekommt er bei der Entlassung ausbezahlt. Das Gros des Stundenlohns von zwölf Euro behält der Staat.

Die Schlosser-Stellen sind begehrt unter den Häftlingen. „Man macht jeden Tag was anderes, hat Abwechslung“, sagt ein 21-Jähriger. Ein anderer hat sich hier bereits den Beruf ausgeschaut, den er in der Freiheit verfolgen will. Dann freue er sich auf das Feierabendbier. „Hier drin gibt’s bloß Feierabendtee.“ Vielleicht rührt daher die Nachfrage nach Tauchsiedern.