Pfaffenhofen
Gemeinwohl statt Profit

Pfaffenhofener Unternehmer informierten sich über ein revolutionäres Wirtschaftsmodell

21.02.2019 | Stand 25.10.2023, 10:29 Uhr
Smaranda Keller sprach in Pfaffenhofen über eine neue Wirtschaftsordnung. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Nicht der eigene Profit soll bei Geschäftsleuten im Vordergrund stehen, sondern der Nutzen für die Allgemeinheit. Diese Vorstellung war Gegenstand eines Vortragsabend im Moosburger Hof, den ProWirtschaft veranstaltete.

Martin Bornemann, Erster Vorsitzender des Unternehmer-Netzwerks, hatte Smaranda Keller eingeladen, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Gemeinwohl-Ökonomie Bayern. Sie erklärte das visionäre Wirtschaftsmodell und stellte auch Unternehmen vor, die schon jetzt danach handeln.

Dennoch war die Skepsis der Zuhörer groß. Wer gründet und führt schon ein Unternehmen, ohne die eigene Gewinnmaximierung an erster Stelle im Kopf zu haben? Stattdessen soll er sich Gedanken darüber machen, ob er mir seiner Firma die soziale Gerechtigkeit fördert, ökologische Nachhaltigkeit sicherstellt oder transparent und demokratisch mit Mitarbeitern, und Kunden umgeht.

So utopisch das klingen mag - diese Ziele haben seit 1946 in Bayern Verfassungsrang. In Artikel 151 heißt es: "Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschwürdigen Daseins für alle." Und: "Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und die sittlichen Forderungen der Gemeinwohls."

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Smaranda Keller stellte Statistiken vor: Ein Prozent der Deutschen besitzt 36 Prozent des Gesamtvermögens, 50 Prozent gehören zusammen nicht einmal 1,4 Prozent. Und zwei von drei Arbeitnehmern erledigen ihren Job "ohne Herzblut".

Aber es regt sich offenbar Widerstand. Denn fragt man die Deutschen, so Keller, dann wollen 90 Prozent aller Bürger eine neue Wirtschaftsordnung mit mehr sozialem Ausgleich und Umweltschutz. Für seine Lebensqualität wichtig ist mehr als jedem Zweiten ein friedliches Zusammenleben, soziales Engagement und der Schutz der Umwelt. Schlusslicht in dieser Skala ist mit gerade mal zwölf Prozent der Punkt "Geld und Besitz mehren". Bei der jungen Generation, den 16- bis 26-Jährigen, sieht das EU-weit ähnlich aus. Spannend wurde der Abend in der Diskussion. Wie kann ein Pfaffenhofener Geschäftsmann die Ziele der "Gemeinwohl-Matrix" erreichen? Dass Wachstum um jeden Preis, Eigennutz, Gewinnstreben und Ellenbogenkonkurrenz als Wirtschaftsmodell langfristig vor die Wand fährt, daran zweifelte niemand. "Meine Kinder wollen anders leben", sagte der Optiker Dieter Andre. Mit seinem Geschäft sieht er sich schon jetzt der Nachhaltigkeit verpflichtet, stößt aber immer wieder an Grenzen, wenn er etwa von Lieferanten wissen will, wo und unter welchen Bedingungen sie produzieren lassen. Selbst deutsche Firmen gäben kaum Auskunft. Letztlich, glaubt Andre, "werden wir mit weniger Gewinn auskommen". Natürlich, so Referetin Keller, sei es kaum möglich, alle Ziele zu 100 Prozent zu erreichen. Aber jeder Unternehmer könne tun, was in seinen Möglichkeit steht. Sie berichtete von einer Genossenschaftsbank, die für ihre Kundenberater Provisionen für den Verkauf bestimmter Finanzprodukte abgeschafft hat.

So nachhaltig, ökologisch, transparent und demokratisch ein Unternehmen auch geführt sein mag - letztlich entscheidet der Konsument, ob ihm diese Werte wichtig sind. Und ob sie ihm gegebenenfalls einen höheren Preis wert sind. Keller setzt da auf die junge Generation. Die Orientierung am Gemeinwohl "ist in deren DNA verankert".

Damit Unternehmen Unterstützung bekommen und von anderen lernen, können sie sich dem Verein Gemeinwohl-Ökonomie anschließen. Sieben Regionalgruppen gibt es in Bayern, ebenso viele sind im Aufbau. Stadtrat Manfred "Mensch" Mayer sieht nicht nur für seine Ein-Mann-Fraktion "Gemeinsam für Gemeinwohl" und seinen "Verein für nachhaltiges Wirtschaften" Potential. Auch Gustav Neumeir, stellvertretender Kreisvorsitzender der ÖDP, hofft auch einen Neubeginn: Seine Kinder hätten eine Regionalgruppe gegründet, "aber die ist wieder eingeschlafen".

Albert Herchenbach