Geballte Bildung

27.09.2006 | Stand 03.12.2020, 7:30 Uhr

Hilpoltstein (HK) Iwo Neumann hat bescheiden angefangen. Sieben Kurse und acht Vorträge umfasste das erste Programm des Hilpoltsteiner Volksbildungswerkes. Heute Abend feiert die VHS in Abenberg 50 Jahre Erwachsenenbildung.

"Die Leute, die im Krieg waren, hatten einen ungeheuren Heißhunger auf Vorträge, Theater, Konzerte und Kultur", erinnert sich Iwo Neumann, 1956 der erste Leiter des Volksbildungswerkes (VBW) , an die Anfänge vor 50 Jahren. Der heute 88-jährige Hilpoltsteiner stand 26 Jahre an der Spitze. Neumann, der 1954 als Lehrer an die damalige Mittelschule kam, erledigte seine Arbeit ehrenamtlich. Er hatte ein kleines Büro im Rathaus, am Samstag hielt er seine Sprechstunde.

Nähkurse, Rechnen mit dem Rechenschieber, Maschinenschreiben und Steno standen in den Wirtschaftswunderjahren hoch im Kurs. Ein Diavortrag befasste sich 1959 mit "Heimgestaltung", ein anderer mit dem "Erwachen der farbigen Menschheit" oder mit "Ernährungsschäden". Die Referenten waren hauptsächlich Lehrer. Das Honorar bestand aus einem Buchgutschein über zehn Mark.

Das Volksbildungswerk beschäftigte sich mit der "Einsamkeit des modernen Menschen" oder den Auswirkungen der EWG auf die hiesige Landwirtschaft. "Sag Du es Deinem Kinde" hieß ein Vortrag über die Probleme der Aufklärung, der sich "wegen der Problematik" ausdrücklich nur an Eltern richtete.

Spiegel der Gesellschaft

"Ich habe immer die mo?dernsten Themen aufgegriffen", sagt Iwo Neumann heute. "Die Themen haben sich kaum geändert", bestätigt Neumanns Nachfolger Kornelius Schleh?lein, seit 22 Jahren Vorsitzender der VHS im Landkreis. "Sie spiegeln immer die Probleme der Gesellschaft wieder."

Geändert hat sich vor allem die Organisation. Inzwischen gibt es 15 Außenstellen in einem landkreisweiten Zweckverband. Die VHS sitzt in der jeweiligen Gemeindeverwaltung. "Es hat 15 Jahre gebraucht, um diese Vernetzung hinzubekommen", sagt Schlehlein. Als hauptamtlicher Leiter der VHS hat er es mit 15 Verbandsräten zu tun. Rund 900 Veranstaltungen werden im Durchschnitt angeboten. Der Zuschuss beträgt über 100 000 Euro pro Jahr.

Iwo Neumann unterstand noch unmittelbar der Stadt, später dem Landkreis. Seinen Haushalt hat er anfangs handschriftlich auf zwei Din-A-4-Seiten dokumentiert. 2300 Mark betrug 1959 der Etat. Ein Jahr zuvor hatte Neumann seine erste Außenstelle eingerichtet. In Greding leitete der Allgemeinarzt Kurt Grasser das VBW. In anderen Kommunen waren es meist Lehrer. 1972 hatte das VBW im Altlandkreis Hilpoltstein 25 Außenstellen. Auch in Altenheimen war das VBW vertreten. "Wir waren führend in Bayern", erzählt Neumann stolz.

Wohl auch deswegen kam das bayerische Fernsehen am 28. Januar 1962 nach Hilpoltstein, um einen Film über das VBW zu drehen. "Die große VBW-Schau des Iwo Neumann", titelte damals der Hilpoltsteiner Kurier . 1979 verlieh Bundespräsident Walter Scheel Neumann das Bundesverdienstkreuz, Bayerns Kultusminister Hans Meier überreichte es.

1984 beendete Neumann seine Arbeit beim VBW. "Ich war an der Grenze dessen, was ich leisten konnte." Ganz aufgehört hat Iwo Neumann aber nie mit der Volksbildung. Im Seniorenwohnheim in der Heidecker Straße – ein Projekt das Neumann als Seniorenbeirat ins Rollen gebracht hat – wohnt er nicht nur, er hält auch noch Vorträge. Er zeigt Lichtbilder aus Breslau, hält Vorträge über Römer und Kelten. Im Frühjahr 2007 hat Iwo Neumann eine Diaschau über Paris geplant. Und so wird die Caritas-Begegnungsstätte doch wieder zu einer von Neumanns vielen Außenstellen.