München
"Für uns ist diese Oper ein Glücksfall"

Die Bayerische Theaterakademie entstaubt ein seit etwa 180 Jahren nicht mehr aufgeführtes Musikdrama von Simon Mayr

21.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:28 Uhr

Simon Mayrs „Adelasia ed Aleramo“ ist eine dramatische Geschichte um Liebe, Krieg und Verrat. Nach der Premiere in München kommt die Oper als Gastspiel auch ans Stadttheater Ingolstadt - Foto: Theaterakademie

München (DK) Über 200 Jahre sind seit der Premiere an der Mailänder Scala ins Land gegangen, die handgeschriebenen Partituren und Orchesterstimmen schlummerten vergessen in den Archiven. Am heutigen Freitag hat nun der Dornröschenschlaf ein Ende.

Die Oper „Adelasia ed Aleramo“ aus der Feder des Mendorfer Komponisten Johann Simon Mayr wird im Münchner Prinzregententheater wieder aufgeführt. Unsere Mitarbeiterin Sabine Busch-Frank sprach mit der Dramaturgin und Akademiestudentin Cordula Demattio (23, kleines Foto), die auch die Regieassistenz für die Aufführungsserie übernommen hat.

Mozart war schon lange tot, als „Adelasia ed Aleramo“ 1806 uraufgeführt wurde – sind in dieser Oper dennoch Anklänge an den großen Klassiker zu hören?

Cordula Demattio: Ich denke, dass Mayr viel von Mozart hat. Als wir die Ouvertüre das erste Mal mit dem Orchester gehört haben, haben wir uns angeschaut und gesagt: „Da ist ja der Komtur drin!“ Mayr hat aber seine eigene Formensprache weiterentwickelt, er steht zwischen Mozart und Rossini. Das ist eine spannende Situation, so am Beginn einer neuen Phase, er gibt beispielsweise das Nummernprinzip zugunsten szenischer Komplexe auf. Er ist unterwegs zur Romantik, zu Bellini und Donizetti.

 

Liebe, Krieg, Verrat. Es sind die großen Themen, die die Oper aufgreift und von einem Happy End ist bei ausbrechendem Kriegsgetöse zum Schluss vermutlich wenig zu spüren. Wie setzt das die Inszenierung der Theaterakademie um?

Demattio: Dem Regisseur Tilmann Knabe ist vor allem wichtig, dass man nicht die rührenden Momente dieser Story, die Familiengeschichte, in den Vordergrund stellt, sondern die machtpolitischen Strukturen. Das wird dann zwar von den Gefühlsmomenten konterkariert, aber es geht tatsächlich um die Gefährdung der Macht und um den Kampf darum. So wird irgendwann die zentrale Figur nicht eine der Titelrollen, sondern die große Gegenspielerin des Kaisers in Gestalt der eigenen Ehefrau.

 

Mayr ist wenig bekannt, außerhalb Bayerns vielleicht sogar ganz vergessen. Hat so eine Wiederentdeckung für Sie als Absolventin der Theaterakademie einen besonderen Reiz oder ist es eigentlich vergebliche Liebesmüh, weil Sie später doch überwiegend mit dem Standardrepertoire der Opernliteratur arbeiten werden?

Demattio: Im Gegenteil! Es ist absolut reizvoll. Eine großartige Gelegenheit selbst zu recherchieren, die Versionen zu vergleichen und die Aufführungsgeschichte zu rekonstruieren. Es ist auch wirklich ein sehr gutes Libretto. Für uns ist das ein Glücksfall, das machen zu dürfen! Und man muss ja auch nicht immer die gleichen 100 Stücke machen und kann so etwas ja später an einem anderen Theater durchaus wieder bringen!

 

Es ist ja auch nicht gerade Standard, ein Projekt auf dem Spielplan zu haben, für das es anfänglich nicht einmal eine Partitur, geschweige denn eine CD-Aufnahme gab?

Demattio: Ich habe die Arbeit etwa im Juni bekommen, da hatte ich immerhin schon mal einen Text, bald habe ich dann aber noch weitere Versionen gefunden. Daraus musste dann erst mal eine Fassung hergestellt werden, mit der man noch etwas herumspielen konnte. Übrigens war dann auch die Hochschule mit ihrem musikwissenschaftlichen Institut involviert, weil ja auch das Notenmaterial entziffert und neu gesetzt werden musste. Da gab es dann auch eine Menge Überraschungen. Wir haben alle hart gearbeitet, aber wir haben auch jetzt eine Fassung, die wir wirklich gerne spielen.

 

„Teutschland hat England einen Händel, Frankreich einen Gluck und Italien einen Mayr gegeben“, zitieren Sie in Ihrem Programmheft einen Zeitgenossen. Wie viel Italien und wie viel Deutschland steckt in Mayrs Werk?

Demattio: Er war seinerzeit ja einer der bekanntesten und gefragtesten Opernkomponisten und seine Biografie ist auch in die Politik seiner Zeit eingebettet – er komponierte für Napoleon, hätte Operndirektor in Paris, St. Petersburg, Wien oder London werden können, hat aber andererseits auch die Wiener Klassik sehr gefördert. Er blieb aber zeitlebens in Bergamo und hat sich dort gewissermaßen etwas zurückgezogen, auch seinen Namen italienisiert. Zu 75 Prozent war er Italiener!

 

Was wünschen Sie den Kollegen auf und hinter der Bühne und im Graben für die Premiere am Freitag?

Demattio: Ich wünsche einfach nur allen, dass sie die Früchte ihrer wirklich großartigen Arbeit genießen können!

 

Die Vorstellungen im Münchner Prinzregententheater finden am 22. und 26. Februar sowie am 3., 6. und 8. März, jeweils um 19.30 Uhr statt, jeweils mit einer Werkeinführung eine Dreiviertelstunde vor der Vorstellung. Die Gastspiele am Theater Ingolstadt werden am 22., 25. und 27. März ebenfalls jeweils um 19.30 Uhr gegeben.