Für Tausende wird Roth zum Teil der Biografie

19.02.2021 | Stand 23.09.2023, 17:06 Uhr
Kasernenkommandant Stefan Ballak ist nicht der einzige, der für den Bundeswehrstandort Roth eine große Zukunft sieht. Für die Feldjäger mit ihren frisch bezogenen neuen Gebäuden (rechts) ist klar, dass Roth für lange Zeit ihr Dreh- und Angelpunkt bleibt. −Foto: Fotos: Auer

Der Bau der Luftwaffenoffiziersschule auf dem Gelände der Otto-Lilienthal-Kaserne ist in vollem Gange. Die Hälfte der Unterkünfte ist fast fertig. Jetzt liegt der Fokus auf dem zentralen Lehrgebäude. Wenn Corona keinen Ärger macht.

Die traditionsreiche Otto-Lilienthal-Kaserne in Roth erfindet sich gerade wieder einmal neu. Nach wechselhaften Jahren, in denen zwischendurch sogar einmal der gesamte Standort in Gefahr war, wird jetzt gebaut, gebaut, gebaut: Im Osten des weitläufigen Kasernen-Geländes entsteht ein riesiger Campus, auf dem voraussichtlich ab Spätherbst 2023 sämtliche Offiziere der deutschen Luftwaffe aus- und fortgebildet werden. Die Luftwaffenoffiziersschule zieht nämlich von Fürstenfeldbruck nach Roth, für das diese Neuausrichtung kaum hoch genug einzuschätzen ist.

Einen Zwischenstand über die gewaltigen, 200 Millionen Euro schweren Baumaßnahmen gaben jetzt - coronabedingt in Form einer Telefonkonferenz - Baudirektor Aynsley Röder vom Staatlichen Bauamt Nürnberg und Oberstleutnant Peter Günther, Teamleiter im Kompetenzzentrum Baumanagement der Bundeswehr in München. Eine der Informationen: Vor Weihnachten gab es auf der Großbaustelle auch Corona-Fälle, und weil bei einem Projekt dieses Kalibers ein Rad ins andere greift, stand für kurze Zeit das zentrale Bauprojekt "Schulungszentrum" still.

Röder sagt: "Auch uns auf der Baustelle haben Corona-Fälle erreicht, und wir können derzeit Verzögerungen nicht mehr ausschließen. Ein anderer Punkt: Der Winter ist dann doch etwas härter geworden als uns die letzten, sehr milden Jahre gezeigt haben. Auch das wird zu diversen Verzögerungen führen." Ob diese zeitlich ausgeglichen werden können, werde derzeit geprüft.

Es ist ein ganz neuer Komplex, der da im Osten der Otto-Lilienthal-Kaserne aus dem Boden schießt. Und gebaut wird dabei nicht ausschließlich für die Luftwaffenoffiziere. So wurde an die Feldjäger, die schon vor einigen Jahren von Amberg nach Roth übergesiedelt sind, soeben ein nagelneues Büro- und Verwaltungsgebäude übergeben - das sollte dann auch die Garantie sein, dass die Feldjäger dauerhaft in Roth bleiben. Oberstleutnant Günter sagt dazu: "Die Feldjäger sind durch ihren Neubau jetzt in Roth fest verankert. Sie sind von der Personenanzahl natürlich ein kleinerer Nutzer der Kaserne - aber die gehören auch mit dazu, genauso wie die Sanitätskräfte, die sich auch schon in Roth befinden." Zwei nach Roth ausgelagerte Grundausbildungskompanien des Luftwaffenausbildungsbataillons in Germersheim werden hingegen voraussichtlich nur bis zum Jahr 2025 bleiben.

An allen Ecken und Enden wird im Osten des weitläufigen Kasernengeländes gebaut - oder es läuft die Einrichtung von Baustellen. Erst im Herbst wurde der riesige Großparkplatz fertig. Wie Baudirektor Röder schildert, sind bis auf das Wirtschafts- und Betreuungsgebäude und das Sanitätsversorgungszentrum fast alle Baumaßnahmen in der Umsetzung. Am weitesten fortgeschritten sind die zwölf Unterkunftsgebäude. Im Frühjahr soll der erste Teil der Unterkünfte komplett fertiggestellt sein. Der zweite wird dann bis Jahresende fertig. Das Lehrsaalgebäude befindet sich im Rohbau: Dort wird - auch bei Schnee und Regen - geschalt und betoniert, fünf große Kräne drehen sich. Ein Stück weiter wird gerade das Gelände für ein Sportgebäude vorbereitet, Rohre ragen aus dem Schnee. Aber im Unterschied zum Lehrsaalgebäude eilt es hier nicht so. Oberstleutnant Günther stellt klar: "Das Lehrsaalgebäude ist der Dreh- und Angelpunkt, auf den wir uns im Wesentlichen konzentrieren müssen. Alles andere ist vom baulichen Aufwand her nachrangiger."

Die Kostenprognose von 200 Millionen Euro gilt nach wie vor. Aber in Corona-Zeiten gibt es da immer Fragezeichen. Röder spricht unter den momentanen Vorzeichen von einem "Blick in die Glaskugel".

Wenn es aber soweit ist, wird für jede einzelne Führungspersönlichkeit der Luftwaffe die Stadt Roth zum Teil der persönlichen Biografie. Der aktuelle Rother Kasernenkommandant, Hauptmann Stefan Ballak, sagt später bei einem kurzen Besuch auf dem Gelände: "Der Nachwuchs der gesamten deutschen Luftwaffe kommt hierher, wird die Region kennen- und mit Sicherheit auch schätzen lernen." Das gelte nicht nur für die Einsteiger in ihren ersten sieben Ausbildungsmonaten: "Im Laufe des Berufslebens wird der künftige Offizier immer wieder zu Fortbildungen an die Offiziersschule kommen, bis hin zur Kommandeursschulung." Dazu kämen Tagungen und Symposien (siehe Kasten).

Wenig begeistert ist man bei der Bundeswehr, dass zwischendurch öffentlich vor lauter Begeisterung der Vergleich zum Hollywood-Actionfilm "Top Gun" gezogen wurde. Da könnte bei der Bevölkerung leicht der völlig falsche Eindruck entstehen, dass am Himmel über Roth eines Tages Jungpiloten ihre ersten Flugmanöver üben, sorgt sich Oberstleutnant Günther und stellt klar: "Das ist reine Theorie, was in Roth ausgebildet wird."

Noch in der Planungsvorbereitung ist, wo auf dem Kasernengelände ein Rechenzentrum des Verteidigungsministeriums errichtet werden könnte. Die Idee dafür tauchte erst im Jahr 2019 auf und sieht vor, dass Roth einer von mehreren Standorten in der Republik wird, in dem die Bundeswehr wichtige Daten als Ersatzversion sichert. Es handelt sich also um eine Art besonders gesicherte Server-Farm. Derzeit läuft aber noch die Festlegung des endgültigen Bauplatzes - da geht es auch um die Aspekte Umwelt- und Naturschutz. Personell betrachtet wird dieses Rechenzentrum aber eine kleine Sache sein. Kein Thema ist hingegen offenbar der Vorschlag, den der CSU-Abgeordnete Christian Schmidt im Sommer 2019 bei einem Besuch in der Kaserne machte. Er brachte ein "Zentrum für Cyber-Sicherheit" in Roth ins Spiel. Dazu sagte nun der Pressereferent des Bundeswehrbundesamts für Infrastruktur, Klaus Sasse: "Zu derartigen Plänen liegen keine Informationen vor."

Jedenfalls steht die Otto-Lilienthal-Kaserne nach manchen Jahren des Dornröschen-Daseins und früherer Fehlplanungen jetzt voll im Fokus. Oberstleutnant Günther meint: "Ich glaube mit einem gewissen Stolz behaupten zu können, dass es ein zentrales Großbauprojekt innerhalb der Bundeswehr ist. Wir sehen auch, wie weit das Interesse in der Hierarchie nach oben geht." Bei Bundeswehr und Staatlichem Bauamt würde man diesen Stolz hie und da gerne öffentlich zeigen. Aber auch hier bestimmt Corona die Spielregeln. Baudirektor Röder sagt bedauernd: "Das Richtfest zum Lehrsaalgebäude, das im Frühjahr anstehen würde, wird aufgrund der aktuellen Lage so nicht stattfinden. Das kann die öffentliche Hand nicht verantworten."

HK

Richard Auer