Eine oder zwei Schienen? Elektrisch absenkbar? LED-Beleuchtung? Und welcher Gardinenstoff? Wenn Maik Hentschke mit seinen Kunden die Sonderausstattungsliste durcharbeitet, geht es weniger um Sitzheizung, Navigationssystem oder Abstandstempomat. In dem kleinen Autohaus mit angeschlossener Werkstatt am Stadtrand von Lüneburg werden schließlich keine herkömmlichen Fahrzeuge verkauft.
Wer hierher kommt, bestellt einen Bestattungswagen. Seit Ende der 80er-Jahre schon sind Maik und sein Bruder Dirk im Geschäft mit den Autos für die letzte Reise. "Eigentlich sind wir durch Zufall zu den Bestattungswagen gekommen", erzählt Maik Hentschke schmunzelnd. Die beiden Brüder waren in ihrer Jugend erfolgreiche Kanuten und hatten Probleme, ihre Boote zu transportieren - bis sie eines Tages einen ausrangierten Leichenwagen auftaten: Der war das perfekte Transportfahrzeug für die überlangen Sportgeräte. Und es sorgte für Aufsehen im Bekanntenkreis: "Immer mehr Leute fragten uns, ob wir ihnen auch so ein Auto besorgen können", blickt der Geschäftsmann auf die Anfänge des Unternehmens zurück. Zunächst handelten die beiden mit gebrauchten Transportern, später nahmen sie auch Neuwagenbestellungen an und ließen VW Bus und Co. selbst umbauen. Und schließlich kamen die Limousinen ins Angebot; so nennt die Branche die umgebauten Kombis mit den langen Seitenfenstern.
Heute verkaufen Hentschkes pro Jahr circa 200 Fahrzeuge; 70 Prozent davon sind Neuwagen. Damit zählen sie zu den ganz Großen in der Branche, die deutschlandweit nur rund 350 Neufahrzeuge pro Jahr absetzt. Die Transporter lassen die beiden inzwischen in Tschechien fertigen, die Limousinen werden vorwiegend in Bremen umgebaut - exklusiv für die beiden Brüder. Die Umrüstung der Großraumlimousinen zum Bestattungswagen ist relativ einfach: Aufwändige Arbeiten an der Karosserie sind nicht nötig, da die Länge in der Regel ausreicht. Doch auch der Innenausbau nimmt etwa vier bis sechs Wochen in Anspruch. Sargschienen müssen eingebaut, die Wände abwaschbar und trotzdem ansehnlich verkleidet und eine stilvolle Beleuchtung montiert werden. Und natürlich eine Trennwand zum Cockpit, denn für den Gesetzgeber sind Särge in erster Linie Ladung, und die muss gesichert sein.
Das gilt freilich auch für die Limousinen, von denen die Hentschkes vor allem Modelle auf Mercedes-, Ford- und Volvo-Basis im Angebot haben - letztere werden direkt in Schweden umgebaut. Gegenüber den Transportern ist bei den Kombis deutlich mehr Aufwand nötig: Je nach gewünschter Fahrzeuglänge muss vor allem mehr oder weniger stark angebaut werden. Die Verlängerung kommt entweder komplett als Überhang hinten dran, oder es wird auch noch das Fahrwerk gestreckt. Die Fondtüren werden in der Mitte durchgeschnitten, mehrere Serviceklappen und Staufächer müssen eingebaut und die großen Fensterscheiben angefertigt werden. So dauert es fünf bis sechs Monate, bis eine Bestattungslimousine fertig ist, und das treibt den Preis in die Höhe: "Einen Transporter kriegen Sie für rund 35 000 Euro", erklärt der Händler, "für eine Limousine muss man schon 75 000 Euro einkalkulieren." Oder mehr, denn elektrisch bedienbare Gardinen oder eine absenk- und ausfahrbare Sargschiene kosten natürlich extra. Hinzu kommt Sonderausstattung wie beleuchtete Namensschilder für die Seitenfenster, LEDs an der Decke oder Urnen- und Blumen-Halter; nicht immer wird schließlich ein Sarg transportiert.
Wer es sich als Bestatter leisten kann, hat übrigens nicht nur eine Limousine, sondern auch einen Bus im Angebot: "Vor allem wenn der Tote daheim abgeholt wird, fahren die meisten Bestatter mit der Limousine vor", betont der Händler. Das wirke doch persönlicher als mit einem Transporter, indem manchmal bis zu acht Särge auf einmal gefahren werden können. "Doch gerade Alten- und Pflegeheime bitten sogar oft darum, dass ein neutraler VW-Bus kommt", schließlich sei es für den Ruf nicht sonderlich gut, wenn mehrmals die Woche ein Leichenwagen vor der Tür stünde. Außerdem ist bei der Fahrzeugwahl auch immer ein bisschen Politik dabei: Hentschke erzählt von der Bestattung eines Sportvereinspräsidenten, dessen Hauptsponsor aus Rüsselsheim kam - der Bestatter aber fuhr Mercedes. In solchen Fällen versuchen die Brüder schnell zu helfen, und fahren schon mal über Nacht mit einem Ersatzwagen quer durch die Republik.
Und dann halten sie auch noch ganz spezielle Fahrzeuge bereit, zum Beispiel für Staatsbegräbnisse. Als jüngst ein Bundespräsident a. D. zu Grabe gefahren wurde, kam ein Hentschke-Auto mit Glasdach zum Einsatz. So war der Sarg mit der Deutschlandflagge auch von oben gut zu sehen. Für solche Ereignisse stellen die beiden Brüder ihre Fahrzeuge gerne zur Verfügung. Denn bei allem Respekt vor dem Anlass, ist das natürlich auch Werbung für das Unternehmen, das inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Erst jüngst orderte der Präsident des kroatischen Bestatter-Verbands ein Fahrzeug in Lüneburg und auch aus der Türkei gingen kürzlich Bestellungen ein. Gestorben wird schließlich überall. ‹ŒDK
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