Weilach / Schrobenhausen
Für den Fahrtwind sorgt der Ventilator

Die Kettensprenger des RSV radelten auf der Terrasse virtuell nach Rom - Spenden für Kinderdorf gesammelt

19.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:59 Uhr
Tino-Ingo Richter
Laptop statt vorbeirauschender Straßenasphalt: Die Kettensprenger des Schrobenhausener Radsprotvereins bei Radeln nach Rom - auf der Terrasse der Familie Freundl in Weilach. −Foto: Tino-Ingo Richter

Weilach / Schrobenhausen - Eine Radtour der ganz anderen Art hat die RSV-Gruppe der Kettensprenger am vergangenen Wochenende bewältigt: Die für die Pfingstfeiertage in diesem Jahr vorgesehene, Corona-bedingt ausgefallene Nonstoptour nach Rom wurde nachgeholt - virtuell.

 

Es sollte im Mai die mittlerweile sechste Tour der Kettensprenger werden. Nach früheren Fahrten an den Gardasee, nach Prag, Berlin, Hamburg sowie im vergangenen Jahr nach Amsterdam stand für dieses Jahr die bisher größte Herausforderung auf dem Programm: In einem Rutsch sollten die 1100 Kilometer mit 8000 Höhenmetern von Weilach über den Brenner nach Rom überwunden werden.

Neben den fünf Fahrern war ein kleiner Begleittross mit drei Autos geplant, um bei eventuellen Pannen zu unterstützen und die Heimfahrt mit vier statt zwei Rädern zu ermöglichen. Direkt im Anschluss an die Fahrt, deren Ziel der Petersdom wa,r hätten die Radfreunde noch ein paar schöne Tage in der Ewigen Stadt verbracht, bevor sie wieder zurück in die bayrische Heimat aufgebrochen wären.

Wegen der Corona-Situation und der Reisebeschränkungen in Deutschland und Italien konnte die Fahrt jedoch nicht stattfinden, was doppelt traurig war: Neben der sportlichen Herausforderung sollte der Reinerlös der Tour für das SOS-Kinderdorf in der Nähe von Rom gespendet werden.

Doch aufgeschoben ist bei den Kettensprengern eben nicht aufgehoben. Als in der Familie Freundl die Idee aufkam, dass sich die Reise ja trotz aller Widrigkeiten am ehesten virtuell machen lässt, war es schnell beschlossen - die Kettensprenger fahren die Kilometer auf der Terrasse und holen die eigentliche Fahrt dann im kommenden Jahr nach. Dann wird die Spende auch persönlich im Kinderdorf übergeben.

So wurden insgesamt fünf Rollentrainingsgeräte organisiert, ein Ventilator für die frische Luft montiert und dann ging es am vergangenen Freitag bereits um 8.24 Uhr für Michael Freundl (Weilach), Andreas Babl (Ehekirchen), Siegfried Veitinger (Obermaxfeld), Werner Freundl (Schrobenhausen) und Melanie Eichmair (Gachenbach) "auf die Piste". Pünktlich zur Abfahrt war der RSV-Vorstand zur Stelle und verabschiedete die ambitionierten Italienfahrer.

Aber wie bekommt man denn das Gefühl für die Strecke in den heimischen Garten? Die Bastler in Weilach hatten sich dafür etwas Besonderes überlegt: Die Rollentrainingsgeräte
waren jeweils mit einem Laptop verbunden, auf dem in einem speziellen Programm die Strecke Weilach - Rom gespeichert war. Die Software zeigt die aktuelle Position des Fahrers an und simuliert anhand der ermittelten aktuellen Position, welche ähnlich wie in einem Navigationsgerät angezeigt wird, auch den Widerstand beim Treten, da das Höhenrelief der Strecke ebenfalls hinterlegt ist. Über einen Beamer kann jeder der Fahrer die Position des aktuell letzten erkennen, so dass niemand zu weit zurückbleibt. Virtuell in der Gruppe zusammenzubleiben gestaltet sich an dieser Stelle etwas schwieriger.

 

Schnell merkten die Fahrer, dass es natürlich etwas anderes ist, durch die eindrucksvollen Alpen oder Norditalien zu fahren, als all das nur am Bildschirm zu erleben. Hier haben sich alle immer wieder gegenseitig motiviert und zum Durchhalten angespornt, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Gerade die Wärme am Wochenende stellte sich als Problem dar, da die Standfahrradfahrer natürlich keinen Gegenwind hatten. Wenn man auf der Stelle fährt, hilft es leider nicht, eine Zeit lang im Stehen zu fahren, um sich etwas abzukühlen.

Umso bemerkenswerter ist die Leistung der Fahrer vom Wochenende, die sich von nichts haben abhalten lassen, um ihre traditionelle Fahrt zusammen zu absolvieren. Ein Fahrrad kam aber tatsächlich noch in Bewegung: Seniorkettensprenger Oskar Seidel (Lichtenau) ist parallel zu den Terrassenradlern gestartet, um insgesamt 17-mal eine 60 Kilometer lange Schleife in der Region zu fahren. Vom Start in Weilach über Gachenbach, Peutenhausen, Hörzhausen, Sandizell, Winkelhausen, Langenmosen, Alteneich, Brunnen, Waidhofen und schließlich zurück über Mühlried wieder nach Weilach. Dabei legt er zwischendurch immer wieder Pausen ein, um mit den anderen Tourenfahrern zusammen zu essen und das Miteinander nicht aus den Augen zu verlieren. Hier ist es dann doch noch italienisch geworden: Mit Nudeln, Pizza und Lasagne haben alle ihre Akkus wieder aufgeladen, bevor es zurück in den Sattel ging.

Am Sonntagmorgen hatte Seidel nach insgesamt 679 Kilometern die Rundfahrt beendet. "Da wurde es langsam eng mit dem ruhig halten des Fahrrads, da kann es dann allein im Dunkeln auch gefährlich werden", erzählt er. Als besondere Herausforderung sah er vor allem das alleine Fahren an: "Man kann sich unterwegs mit niemandem unterhalten, muss die
ganze Zeit konzentriert sein und hat keine Ablenkung." Deshalb soll es in Zukunft auch wieder in der Gruppe auf die Straße gehen. "So langsam können wir beim RSV ja wieder die Ausfahrten beginnen, das ging ja bisher nicht."

Am Sonntagmorgen hatten drei der Rollenfahrer ihr Ziel erreicht. Die anderen haben vorzeitig abbrechen müssen. Die hohe Belastung des Radelns auf der Terrasse hat dann doch Tribut gefordert - wobei sich aber alle sicher sind, dass es bei einem realen Ausflug anders gelaufen wäre. "Wenn man draußen auf dem Fahrrad sitzt, zieht keiner zurück. Da will dann niemand mit dem Auto den Rest fahren", bestätigt Familie Freundl.

Die Aktion stieß übrigens auf großes Interesse in der Region: Insgesamt mehr als 60 Besucher kamen über das Wochenende immer wieder auf der Terrasse der Familie Freundl vorbei, um die virtuellen Fernfahrer anzufeuern, sich die Veranstaltung einfach nur anzuschauen, etwas zu ratschen oder mit den Familienangehörigen einen Kuchen zu essen - immer unter Einhaltung der Corona-Auflagen. Natürlich ging dabei auch der eine oder andere Euro in die aufgestellte Spendenbox.

Das Ziel, den Petersdom gab es dann am Sonntagmorgen immerhin als großes Bild auf dem Beamer zu sehen, als die Extremradler virtuell ihre Ziellinie erreicht haben. Insgesamt wurden so fast 1000 Euro an Spendengelder für das Kinderheim erradelt.

SZ

Tino-Ingo Richter