Kratzmühle
„Frustriert, fassungslos und demotiviert“

Ehrenamtliche der Wasserwacht klagen über das Verhalten von Badegästen am Kratzmühlsee

01.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:36 Uhr
Schwerstarbeit in der Hitze: Mit vereinten Kräften holten die Helfer am Wochenende eine Person aus dem Wasser des Kratzmühlsees. Doch keine Angst – diese und andere Szenarien waren Teil einer Großübung der Wasserwachten im Kreis Eichstätt. Zwei Tage lang −Foto: Rieger

Kratzmühle (DK) Wahre Besucherströme haben die Bäder und Seen in der Region in den vergangenen Tagen erlebt. Sonne, Hitze, Badespaß – alles wunderbar? Beileibe nicht, wie die Ortsgruppe der Eichstätter Wasserwacht beklagt. Sie berichten von ebenso leichtsinnigen wie unverschämten Badegästen, mit denen sie am Kratzmühlsee zu kämpfen hatten.

Es liest sich wie ein Hilfeschrei, den die Eichstätter Wasserwacht am Sonntagabend auf Facebook losgelassen hat. Sie hatten soeben ihren zweiten Kratzmühlsee-Dienst für diese Saison absolviert, bekanntermaßen teilen sich mehrere Ortsgruppen aus dem Landkreis diese ehrenamtliche Arbeit. Am Ende dieser Schicht am See seien sie einfach nur noch „entnervt, frustriert, fassungslos, schockiert, empört und demotiviert“ gewesen. Den ganzen Tag über hätten sie mit uneinsichtigen Badegästen zu kämpfen gehabt, die sich und andere in Gefahr brachten und die Arbeit der Ehrenamtlichen  behinderten, so die Klage in dem sozialen Netzwerk.

Es werden mehrere Begebenheiten geschildert. So sei beispielsweise das Motorrettungsboot der Wasserwacht vom Steg losgemacht worden und „fast herrenlos“ nur noch an einem Seil befestigt im See umhergetrieben. Später versuchten Badegäste, vom Steg aus über das Motorboot hinweg kreative Sprung-Einlagen zu vollziehen. Eltern wurden derweil dabei beobachtet, wie sie mit ihren Kindern (mit Schwimmflügeln)  durch Seerosen  schwammen, was schnell zu lebensgefährlichen Situationen führen kann. Und auch Durchgangsverbote und Warnschilder seien  konsequent missachtet worden. Auf Hinweise der Wasserwacht sei vielfach verständnisvoll, zum Teil aber auch unverschämt  reagiert worden − und zwischendurch mussten sich die Helfer auch mal „anschreien“ lassen, wie sie beklagen.  Kurzum: Der  Dienst sei für die Ehrenamtlichen am Sonntag ein großes Ärgernis gewesen. Auf Anfrage unserer Zeitung betonte die Ortsvorsitzende Stefanie Wittmann am Montag: „Wir sind als Ehrenamtliche für den Wachdienst am Badegewässer zuständig und nicht die See-Polizei.“ Genau so habe man sich am Sonntag aber bisweilen gefühlt. Und dadurch werde man von den eigentlichen Aufgaben abgelenkt. „Unser Ziel ist es doch nur, dass alle − die Badegäste und wir − am Abend wieder gesund nach Hause fahren können“, so Stefanie Wittmann. Solche Probleme wie am Sonntag habe man bislang zum Glück noch nie gehabt, das sei tatsächlich eine ungewohnte Konzentration gewesen. „Es war das erste und hoffentlich auch letzte Mal, dass wir so etwas erleben mussten“, fasst die Eichstätter Ortsgruppenleiterin zusammen.

Im sozialen Netzwerk  erhalten die Kameraden der Wasserwacht viel Unterstützung – von Privatleuten und auch von Kollegen. Die Kreiswasserwacht Eichstätt hinterließ unter dem Beitrag beispielsweise folgenden Kommentar: „Leider fällt solches Verhalten immer öfter auf und ist von uns nicht nachvollziehbar.“
Die Beilngrieser Wasserwacht, die ebenfalls regelmäßig gemeinsam mit den Kameraden aus Kipfenberg Dienst an der Kratzmühle verrichtet, ist von Ärgernissen dieses Ausmaßes bislang verschont geblieben, wie der Beilngrieser Ortsgruppenleiter Udo Lange auf Anfrage unserer Zeitung berichtete. Die von den Eichstätter Kollegen geschilderten Probleme mit Badegästen, die sich in den abgesperrten, weil rutschigen  Slipbereich für das Motorboot begeben, habe man zwar auch immer mal wieder – aber dann doch eher in einer überschaubaren Anzahl. Am vergangenen Sonntag hätte die diensthabende Gruppe aus Eichstätt wohl das Pech gehabt, besonders viele uneinsichtige Badegäste auf einen Schlag zu erwischen. 
Die aktuellen Schilderungen der Eichstätter  passen jedenfalls  in das Bild, das seit längerer Zeit weit über die Region hinaus rund um das Ehrenamt zu beobachten ist. Immer wieder leiden Feuerwehren und Rettungsdienste unter Gaffern, Behinderungen bei  ihrem Dienst und sogar unter Beleidigungen sowie körperlichen Angriffen. Auch in Beilngries hatte im vergangenen Jahr ein Vorfall für Aufsehen gesorgt. Als auf der Eichstätter Straße ein Motorradfahrer tödlich verunglückte, hatten die Einsatzkräfte der Feuerwehr gehörige Probleme mit Passanten, die in Richtung des Verunglückten filmten, und uneinsichtigen Autofahrern, die partout nicht akzeptieren wollten, dass sie nun eine Umleitung fahren müssen. Angesichts solcher Entwicklungen ist zu befürchten, dass die Vorfälle an der Kratzmühle nicht die letzten dieser Art waren. 

 

Kommentar

Seit Wochen muss unsere Zeitung nahezu an jedem Montag die selbe tragische Nachricht vermelden: „Mehrere Tote in bayerischen Badeseen am Wochenende.“ Jedes Mal kommt dann reflexartig die Frage auf: „Wie konnte das nur passieren?“ Wenn man die Schilderungen der ehrenamtlichen Retter hört, wie es an Badeseen bisweilen  zugeht, muss man antworten: „Genau so können solche Unglücke passieren.“ 
So spaßig und erfrischend es auch ist, an heißen Sommertagen im Wasser zu planschen − ein tiefes Gewässer kann eben schnell auch zur tödlichen Gefahr werden, wenn gewisse Grundregeln nicht beachtet werden. Genau deswegen sind Aussagen wie „Es ist ja nichts passiert“ oder  „War doch ganz harmlos“  nicht angebracht. Einsatzkräfte der Wasserwacht haben schon ihre Gründe, weshalb sie Vorgaben machen und Hinweise geben. Diese nicht zu beachten, ist in letzter Konsequenz ein Spiel mit dem eigenen Leben.
Davon abgesehen bleibt wieder einmal festzuhalten: Der Ärger und die Anfeindungen, mit denen sich ehrenamtliche Einsatzkräfte in unserer Gesellschaft regelmäßig  herumschlagen müssen, sind  unerträglich. Feuerwehr, Rettungsdienst, Wasserwacht und Co. – sie alle  opfern weite Teile ihrer Freizeit, um ihren Mitmenschen ein sicheres Leben zu ermöglichen. Während andere  schöne Stunden verbringen, sind sie im Einsatz. Dafür muss all den Aktiven mit größtem Respekt begegnet werden. Denn wenn  das nicht mehr der Fall ist, muss sich niemand wundern, wenn die Ehrenamtlichen irgendwann immer weniger werden und der Nachwuchs ausbleibt. Sollte es jemals so weit kommen, dann hätte unsere Gesellschaft ein ernstes Problem. Und diejenigen, die sich heute über Regeln am Badesee, Straßensperren bei Unfällen und Ähnliches beschweren, wären dann sicher die Ersten, die über fehlende Präsenz von Einsatzkräften schimpfen.

Fabian Rieger