Ingolstadt
"Früher zitterte das ganze Auto"

Fahrzeugakustik-Experte Jörg Bienert über Vibrationen und die Schwierigkeit, sie zu vermeiden

09.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:10 Uhr

Jörg Bienert ist an der Technischen Hochschule Ingolstadt Professor für Akustik und Technische Mechanik. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) An der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) startet an diesem Mittwoch eine dreitägige Konferenz zum Thema Schwingungsanalyse. Bei der 7. IMOAC (International Operational Modal Analysis Conference) geht es um Vibrationen in Fahrzeugen, Maschinen und Bauwerken. Die Veranstaltung findet alle zwei Jahre statt - immer in einem anderen Land. Rund 100 Wissenschaftler aus der ganzen Welt werden heuer zu Gast sein. Hauptorganisator an der THI ist Jörg Bienert, Professor für Akustik und Technische Mechanik. Eines seiner Spezialgebiete ist die Fahrzeugakustik. Wir haben mit ihm über Vibrationen und Schwingungen im Auto gesprochen.

Herr Bienert, was schwingt denn eigentlich in einem Auto?

Jörg Bienert: Im Prinzip gibt es in einem Auto zwei Arten von Schwingungen: zum einen das Schwingen in den Fahrwerksfedern, wenn Sie über eine Bodenwelle fahren. Bei der Konferenz geht es aber eher um Vibrationen - also hochfrequente Schwingungen, die auch auf die Elastizitäten im Fahrzeug zurückzuführen sind.
 

Zum Beispiel?

Bienert: Eine Fahrzeugkarosserie besteht ja nicht aus Panzerblech, sondern ist eher dünn und leicht gebaut. Da können sich Schwingungen ausbreiten, die man als Vibration spürt. Meinen Studenten gebe ich immer folgendes Beispiel: Als ich selbst noch Student war, hatte ein guter Freund von mir einen Golf Diesel der ersten Generation. Wenn man mit dem an der Ampel stand, dann rasselte der Schlüsselbund im Zündschloss. Die Vibrationen waren damals noch so stark, dass das ganze Auto gezittert hat. Heute ist man da natürlich weiter.

 

Welche Nachteile bringen die Vibrationen mit sich?

Bienert: Wenn Sie die Hand auf das Lenkrad legen - und das Auto ist nicht gut gemacht -, dann spüren Sie die Vibrationen. Auch im Sitz oder auf dem Schalthebel - da unterscheiden sich natürlich einfache Fahrzeugklassen von höherwertigen. Das andere sind die Geräusche: Wenn Sie Schwingungen auf Bleche übertragen, dann können die praktisch wie Lautsprecher Geräusche abstrahlen. Im Prinzip ist das, wie wenn Sie mit dem Kochlöffel auf ein Backblech schlagen - dann schwingt das Blech ähnlich wie eine Lautsprechermembran.

 

Wie schwer ist es, diese Vibrationen zu reduzieren?

Bienert: Es gibt zwei Ansätze. Die eine Möglichkeit ist, die Schwingfrequenzen der Bauteile in einen Bereich zu verlegen, in dem sie vom Motor oder Fahrwerk nicht angeregt werden können. Die andere Strategie ist, die Steifigkeit zu erhöhen - das nutzt auch der Fahrdynamik und dem Crashverhalten. Durch die erhöhte Steifigkeit verhindert man, dass die Schwingungen in den Fahrzeugkörper eingeleitet werden.

 

Wann ist es im Auto am lautesten?

Bienert: Üblicherweise nimmt das Geräusch mit Last und Drehzahl zu. Wenn das Fahrzeug aber schlecht abgestimmt ist, so dass Resonanzen getroffen werden, dann kann es auch vom normalen Gesetz abweichen. Dann kann es zwischendrin auch mal lauter werden. Das gilt es zu vermeiden.

 

Gibt es ein Teil, das besonders viele Vibrationen auslöst?

Bienert: Extrem viel Aufwand betreibt man in der Motorlagerung. Diese Gummiauslegung muss man sehr sorgfältig machen, damit wenig Schwingungen übertragen werden.

 

Kommt man bei der Reduzierung von Schwingungen nicht irgendwann zu einem Zielkonflikt?

Bienert: Schwingungen isoliert man im Fahrzeug gerne über weiche Gummis. Mit diesen weichen Aufhängungen verschlechtert man aber auch Fahrwerkseigenschaften. Ein Fahrwerksingenieur möchte eher steife Anbindungen - ein Fahrzeugakustiker eher weiche.

 

Welche Rolle spielen neue Werkstoffe bei der Reduzierung von Vibrationen?

Bienert: Fasermaterialien wie Kohlefaser dämpfen deutlich besser als beispielsweise ein reines Stahlblech.

 

Seit wann beschäftigt man sich mit Schwingungen im Auto?

Bienert: Früher hatte man die Schwingungen eher verstärkt im Sinne der Haltbarkeit im Auge. Schwingungen können ein Bauteil auch zerstören. Es kann zu einem Bruch kommen. Bei heutigen Fahrzeugen ist das aber sehr selten. Die Auslegung in Richtung Vibrationskomfort kam in den 70er-Jahren auf. In den 90ern begann man dann, den Akustikkomfort deutlich zu verbessern.

 

Die Fragen stellte Sebastian Oppenheimer.