Augsburg
Frisch gebackene Taufpatin im Wartestand

Box-Weltmeisterin Tina Rupprecht muss individuell trainieren - Nächster Kampf steht in den Sternen

20.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:19 Uhr
Gemeinsam mit dem WM-Gürtel: Tina Rupprecht und ihr Cheftrainer Alexander Haan. −Foto: kx

Augsburg - Selbstverständlich wäre sie sehr gerne zur Soba nach Schrobenhausen gekommen.

 

Hätte dort mit großer Freude Fragen beantwortet, sich mit Fans fotografieren lassen, fleißig Autogramme geschrieben. Aber nichts da, die Gewerbeausstellung an der Paar kann aufgrund der Coronakrise heuer ja nicht stattfinden. Und dementsprechend traurig blickt Tina Rupprecht drein: "Das alles ist schon ex- trem schade. Aber es wird hoffentlich bald eine andere Gelegenheit, mal wieder nach Schrobenhausen zu kommen. Denn dass es mir dort supergut gefällt, dass die Leute dort supernett sind - das ist längst kein Geheimnis mehr. "

Auch ansonsten gilt für die amtierende WBC-Boxweltmeisterin im Minimumgewicht sowie stolze Botschafterin der Aktion "Disco-Fieber": aktuell keine öffentlichen Termine, nicht einmal mehr Trainingseinheiten im Studio von ihrem Chefcoach beziehungsweise Entdecker Alexander Haan. Und wie löst die 27-Jährige diese schwierige Situation, schließlich muss sie körperlich hundertprozentig fit bleiben? Ganz klar, wie es für die sympathische Blondine typisch ist: mit einem Lächeln im Gesicht. "Es ist halt so, wie es ist", so Rupprecht: "Viele andere leiden unter der momentanen Lage viel mehr als ich. Ich muss nun eben individuell trainieren, das geht schon irgendwie - zumal ich von Alex sowie seinem Bruder Sergej regelmäßig Programme mitgeteilt bekomme, die ich zu absolvieren habe. "

Wann die Titelträgerin wieder offiziell in den Ring steigen darf? Achselzucken bei ihr und ihrem Cheftrainer Haan. "Ursprünglich war geplant, dass dies Ende Mai oder spätestens im Juni der Fall sein sollte. Aber danach sieht es zurzeit eher nicht aus", antwortet Letztgenannter dann doch - nachdenklich, traurig, frustriert.

Dass sich der Rupprechts Weltmeistergürtel in diesem Augenblick in Sichtweite befindet, leicht erhöht im Büro - es tröstet die Beiden. Beziehungsweise erinnert sie an bereits miteinander Erreichtes. Wie etwa den Sieg im bislang letzten WM-Kampf. Am 21. Dezember 2019 war jener im Cruise-Terminal in Hamburg-Altona ausgetragen worden - und stellte zugleich den ersten Titelfight der Blondine fernab ihrer bayerischen Heimat dar. Aber von wegen zurückhaltende Hanseaten: "Obwohl mich ein Großteil des Publikums zuvor nicht gekannt hatte, ist es trotzdem super mitgegangen. Es fühlte sich für mich im Ring megagut an, das Ganze entwickelte sich zu einer tollen Veranstaltung in einer tollen Location. "

Der sportliche Erfolg tat natürlich sein Übiges, dass die Disco-Fieber-Botschafterin so positiv über die Tage in Hamburg spricht - denn ihre dortige Kontrahentin, die Spanierin Catalina Diaz, schlug sie einstimmig mit 3:0 nach Kampfrichterurteil. "Ein Geschenk war diese Gegnerin allerdings nicht, sie konnte enorm einstecken", berichtet Rupprecht: "Dass mir meine eigene Faust nach all den Treffern weh getan hat, dass sie sogar ein bisschen angeschwollen ist, das hatte ich zuvor noch nie gehabt. Aber Diaz zeigte sich von alledem unbeeindruckt, blieb immer stehen. "

 

Was soll's? Auch ohne Knockout ging der Sieg ja letztlich ungefährdet an die Augsburgerin. "Und das war die Hauptsache", sagt Haan sofort: "Sie hat diesmal hundertprozentig auf mich gehört, und dies zahlte sich hundertprozentig für uns aus. "

Prompt lachen die Beiden. Wobei bei der Blondine auch gleich ein bisschen das schlechte Gewissen durchkommt: "Ich weiß genau, was der Alex jetzt mit dieser Äußerung meint. " Beim WM-Fight zuvor, am 6. April 2019 in Unterschleißheim gegen die Mexikanerin Maricela Quintero, hatte der Cheftrainer in der Ecke in der Tat sagen können, was er wollte - Rupprecht machte über einige der zehn Runden hinweg trotzdem ihr eigenes Ding. Die Konsequenz daraus: lediglich ein Unentschieden gegen die Lateinamerikanerin. "So ist halt leider der Kopf. In Unterschleißheim war leicht nervös, wollte deshalb immer etwas Besonderes machen - und erreichte damit genau das Gegenteil", erzählt die 27-Jährige: "In Hamburg dagegen war ich mir stets sicher, dass ich gewinnen werde. Prompt tat ich es. "

"Aber auch nur, weil du endlich mal wieder meine Anweisungen befolgt hast", ergänzt Haan mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ja, die Beiden verstehen sich, Rupprecht ist auch außerhalb des Jobs be-stens mit der Familie ihres Entdeckers beziehungsweise Cheftrainers befreundet. Das ging vor Kurzem sogar so weit, dass sie für das dritte Kind der Haans, dem Söhnchen Leon, als Taufpatin fungieren durfte. "Das macht mich natürlich ex-trem stolz", verrät die Blondine mit leuchtenden Augen. Ihr 39-jähriger Coach hebt derweilen humorvoll den Zeigefinger: "Jetzt warte erst einmal ab, wenn ich mal mit meiner Frau ausgehen will. Dann weiß ich ja, wen ich anrufen kann, als Patin hast Du eben auch solche Pflichten als Babysitterin. "

Noch einmal zurück nach Unterschleißheim, zum Fight gegen Quintero: Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Mexikanerin an jenem 6. April gedopt gewesen war, dass sie sich nur mit Abführmittel ihr erlaubtes Kampfgewicht (bis 47,627 Kilogramm) erarbeitet hatte. "Das Ganze geht jetzt als ,no contest' in die Wertung ein. Alle Weltranglistenpunkte, die Tina durch das Unentschieden verloren hat, dürften ihr also bald wieder zugesprochen werden", berichtet Haan. Und das hätte durchaus positive Folgen, wie Rupprecht ergänzt: "Aufgrund des Remis' war ich kurzzeitig von vier auf sechzehn zurückgefallen. Momentan liege ich auf neun - und sollte sehr bald wieder deutlich weiter vorne stehen. "

Wut auf Quintero empfindet sie allerdings nicht, sondern eher Unverständnis: "In erster Linie war das extrem dumm von ihr, denn wir werden ja immer wieder genauestens auf alle möglichen Dinge getestet. Das war doch klar, dass ihr Vergehen ans Licht kommen wird. "

Tja, und jetzt? Vorerst keine PR-Auftritte wie jenen auf der Schrobenhausener Soba, keine WM-Kämpfe, nicht einmal gemeinsame Trainingseinheiten mit Haan. "Gerade Letztgenannte fehlen uns Beiden doch sehr, schließlich machen wir neben all der harten Arbeit viel Blödsinn im Boxclub", sagt der 39-Jährige. "Aber auch diese Phase werden wir bewältigen", ergänzt Rupprecht: "Und dann werden wir zusammen mit unseren Fans hoffentlich wieder sehr viel Spaß haben. "

SZ

Roland Kaufmann