Roth
"Frauen hängen immer noch in Rollen fest"

Claudia Gäbelein-Stadler ist seit 2011 Gleichstellungsbeauftragte Sie fordert von den Arbeitgebern mehr Flexibilität

07.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:32 Uhr

"Es ist nicht angenehm, die Quotenfrau zu sein": Claudia Gäbelein-Stadler (53) ist Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt Roth und bei der Frauenquote hin- und hergerissen. Mit Veranstaltungen wie dem Vortrag von Sabine Asgodom und dem Equal Pay Day will sie auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit hinweisen. - Foto: Sonnenberger

Roth (HK) Heute ist der Internationale Frauentag. Den Tag gibt es seit dem Jahr 1911. Aus diesem Anlass hat Claudia Gäbelein-Stadler, Gleichstellungsbeauftragte beim Landratsamt in Roth, unserer Zeitung Fragen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit beantwortet.

Im Büro von Claudia Gäbelein-Stadler (53) im Landratsamt stehen vor einer Schrankwand viele Kartons. Darin liegen Flyer und Informationsmaterial für die von ihr organisierten Veranstaltungen im Landkreis Roth. Zum Internationalen Frauentag hat sie heute einen Vortrag mit Möglichkeit zum Netzwerken organisiert (siehe Infokasten). Gäbelein-Stadler ist seit 2011 Gleichstellungsbeauftragte.

 

Frau Gäbelein-Stadler, was sind Ihre Aufgaben als Gleichstellungsbeauftragte?

Claudia Gäbelein-Stadler: Es gibt interne und externe Aufgaben. Interne Gleichstellungsfragen betreffen das Landratsamt; so zum Beispiel die Beteiligung an Personalangelegenheiten sowie die Beratung und Unterstützung von Beschäftigten. Die Schwerpunkte der externen Arbeit sind insbesondere die Unterstützung und Hilfe bei Gewalt gegen Frauen, bei Benachteiligung am Arbeitsplatz, bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder beim Einstieg und Wiedereinstieg in das Berufsleben.

 

In Deutschland liegt die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern bei 21 Prozent. Wenn man berücksichtigt, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten, seltener in Führungspositionen aufsteigen und stärker in sozialen Berufen mit geringeren Verdiensten arbeiten, beträgt die Lücke noch sieben Prozent. Warum ist das so?

Gäbelein-Stadler: Frauen hängen immer noch in den Rollen fest, dass sie weniger fordern. Eine Frau führt Lohn- und Gehaltsverhandlungen völlig anders als ein Mann. Sie handelt damit häufig leider auch schlechtere Konditionen aus.

 

Viele Frauen arbeiten in typischen Frauenberufen wie in der Pflege oder der Kinderbetreuung, die schlechter bezahlt sind als klassische Männerberufe. Wie kann man Frauen motivieren, auch in Männerdomänen vorzudringen?

Gäbelein-Stadler: Da kann ich nur empfehlen, schon früh zu sensibilisieren. Beim Girls'-und-Boys'-Day möchten wir schon in der Berufsorientierungsphase zeigen, dass es nicht immer der typische Frauenberuf sein muss. Wenn Frauen in technischen Berufen landen, verdienen sie auch mehr. Auch beim Boys' Day ist es toll zu sehen, wie begeistert die Jungs sind, wenn sie einen Tag beispielsweise in der Krankenpflegeschule Erfahrungen sammeln.

 

Ein Grund für die Entgeltlücke ist auch, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten. Was kann man tun, um das zu ändern?

Gäbelein-Stadler: Die Kinderbetreuung ist so ein Thema. Da hat sich viel verbessert in den letzten zehn Jahren. Es wäre auch schön, wenn die Väter nicht nur ein, zwei Monate Elternzeit nehmen würden, sondern länger die Chance hätten. Es ist ja leider häufig so, dass es Männer teilweise noch schwerer haben als Frauen, nach einer Erziehungspause wieder beruflich Fuß zu fassen. Da gibt es noch viele Bedenken seitens der Firmen.

 

Welche Zeitspanne wird von den Arbeitgebern bei Frauen als Auszeit akzeptiert?

Gäbelein-Stadler: In der jetzigen, sich schnell verändernden Zeit kann man jeder Frau, die in den Beruf zurückkehren möchte, nur empfehlen, möglichst früh wieder einzusteigen. Flexible Arbeitszeitmodelle für Frauen und Männer sollten dazu von den Arbeitgebern angeboten werden.

 

In vielen Branchen ist es üblich, dass eine 40-Stunden-Woche nicht reicht, um in Führungspositionen zu kommen. Zusätzlich werden Überstunden von den Arbeitnehmern erwartet. Fehlt vielen Frauen der nötige Ehrgeiz, um es ganz nach oben zu schaffen?

Gäbelein-Stadler: Nein, das glaube ich nicht. Ganz im Gegenteil: Der Ehrgeiz fehlt nicht, aber die Zeit, denn immer noch übernehmen überwiegend die Frauen die ihnen traditionell zugedachte Verantwortung für Heim und Familie. Die Qualifikation wäre bei den Frauen schon da, weil sie mittlerweile mindestens so gut ausgebildet sind wie Männer. Die Ungleichheit entsteht noch nicht beim Berufseinstieg, sondern erst in der ersten Erwerbsphase um die 30, also just zum Zeitpunkt der Familiengründung.

 

Ist eine Frauenquote nötig, um Gleichberechtigung zu erreichen?

Gäbelein-Stadler: Ich bin nicht wirklich für die Quote. Die Qualifikation sollte schon ausschlaggebend sein, denke ich. Es ist für die Frauen nämlich nicht angenehm, die Quotenfrau zu sein. Aber ohne Quote ist es häufig so, dass gar nicht die Chance besteht, sich beweisen zu können.

 

Künftig sollen Arbeitnehmer in Betrieben ab 200 Mitarbeitern auf Wunsch erfahren können, was Kollegen des anderen Geschlechts für gleiche oder gleichwertige Arbeit verdienen. Wie bewerten Sie den Entwurf des Lohngleichheitsgesetzes von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD)?

Gäbelein-Stadler: Ich denke, es ist ein Meilenstein, den sich unsere Bundesfamilienministerin hartnäckig erarbeitet hat. Transparenz führt dazu, dass man fragen kann: Liegt es an der Qualifikation oder am Geschlecht, dass verschiedene Löhne bezahlt werden?

 

Kritiker sagen, mit dem Gesetz würde ein Bürokratiemonster geschaffen. Die Union hat deshalb darauf bestanden, dass es erst ab 200 Mitarbeitern gilt. Ist das Gesetz erst der Anfang?

Gäbelein-Stadler: Ich denke nicht, dass es ein Bürokratiemonster ist. Wo ist denn der Aufwand dabei, Transparenz zu schaffen? Wünschenswert wäre es schon, dass das Gesetz für kleinere Betriebe gilt. Ich denke dabei auch an die Rente der Frauen, weil die Lohnlücke sich zur weiblichen Altersarmut entwickelt.

 

Geschlechtergerechte Sprache regt viele Menschen auf. Malträtieren Regelungen wie das Binnen-I (zum Beispiel: PolizistInnen) nicht einfach nur die deutsche Sprache?

Gäbelein-Stadler: Wenn nur in der männlichen Form gesprochen wird, ist das sehr prägend. Von daher bin ich schon dafür, dass man beim Sprechen das weibliche Geschlecht nicht vergisst. Ich will es aber nicht übertreiben.

 

Wie handhaben Sie das Thema im Landratsamt?

Gäbelein-Stadler: Wir schreiben nach Gendersprache, also zum Beispiel "Liebe Kolleginnen und Kollegen".

 

Selbst unter Feministinnen ist Alice Schwarzer umstritten. Sie provoziert mit ihren Aussagen über das Frauenbild der Flüchtlinge oder durch ihre Berichterstattung im Kachelmann-Prozess. Wie stehen Sie zu ihr und ihrer Zeitschrift Emma, die es schon seit 40 Jahren gibt?

Gäbelein-Stadler: Wir dürfen sehr dankbar sein, dass Frauen in dieser extremen Form Frauenarbeit gemacht haben. Das kommt uns jetzt zugute. Ich bin jemand, der in der Sache hart bleibt, aber trotzdem einen weicheren Ton anschlägt. Gerade der Frauentag hat aber nicht an Aktualität verloren. In den USA zieht Donald Trump entwürdigend über Frauen her und wird auch noch gewählt. Gerade aus diesen aktuellen Geschehnissen heraus muss der Frauentag ein Impuls sein, wieder daran zu erinnern.

 

Das Gespräch führte

Georg Sonnenberger