Ingolstadt (DK) Nach einer Lebkuchenkrippe und einem Fatschenkindl beteiligt sich das Medizinhistorische Museum heuer mit einer kleinen Ausstellung rund ums Stillen am 17. Ingolstädter Krippenweg. Wie Museumsleiterin Marion Ruisinger bei der Eröffnung erläuterte, waren Darstellungen der stillenden Gottesmutter, der Maria lactans, vor allem in der Renaissance und im Barock verbreitet.
Ruisinger hat auch diese Ausstellung wieder mit einer Reihe sehr interessanter Objekte bestückt und in drei Abschnitte unterteilt: Das natürliche Stillen, der Ersatz fürs Stillen und der gesellschaftliche Aspekt, also Stillen als Pflicht der Frauen. Zu sehen sind zwei Tafelgemälde mit seltenen Darstellungen der Maria lactans, die in dieser Form erstmals um 1140 im Kloster Indersdorf auftauchen. „Das 19. Jahrhundert war da wesentlich prüder“, erzählte Ruisinger: Derartige Bilder galten der Gottesmutter als nicht angemessen und wurden teilweise übermalt. Während früher vor allem in höheren Kreisen das Ammenwesen sehr verbreitet war, bemühten sich einfache Frauen um diese natürliche Form der Säuglingsernährung. Gezeigt werden so außergewöhnliche Objekte wie ein 400 Jahre altes, getöpfertes Saugfläschchen, das bei Bauarbeiten im Bereich des Bürgerhauses gefunden wurde, und eine gläserne Brustpumpe aus dem 18. Jahrhundert, bei dem die Mutter selber saugen musste. Neben anderen Pumpen und Fläschchen (alten und neuen) sticht sofort die Wärmflasche für Säuglingsfläschchen ins Auge. Ein ganz besonders reizvolles Objekt ist ein Brustvotiv, gegossen im 20. Jahrhundert aus einem alten Model aus dem Besitz der Wachszieherei Hipp in Pfaffenhofen.
Auch beim Ersatz fürs Stillen kommt wieder eine Pfaffenhofener Firma dieses Namens ins Spiel – allerdings der andere Zweig. Denn Hipp ist bekanntlich ein großer Hersteller von Babynahrung. Zu sehen ist eine Originalpackung Hipp-Kinderzwieback aus den 30er Jahren mit der Abbildung eines der Hipp-Kinder. Wer will, kann auch eine der Schubladen öffnen und am Kümmel riechen, den man ja Kindern gegen Blähungen gibt. Medizinisch heißen Mittel wie diese übrigens Anticarminativa. Zur Erläuterung: Anti heißt bekanntlich gegen, und carmina sind die Lieder – also Mittel gegen die Lieder im Darm. Sehr sehenswert ist auch die kunstvolle Nachbildung der Darmentleerung eines gestillten Säuglings.
Auch der Ingolstädter Anatom Palmaz von Leveling, der ja in der Alten Anatomie, genau einen Stock über der Ausstellung, Leichen seziert hat, kommt zu Wort. Er schreibt in seiner Medizinischen Ortsbeschreibung aus dem Jahr 1797, dass nur wenige Mütter in Ingolstadt ihre Kinder stillen und stattdessen mit Brei füttern, was ihn sehr verwundert hat.
Ein Teil der kleinen Ausstellung befasst sich auch mit dem Stillen im Nationalsozialismus, das ja als „Pflicht“ betrachtet wurde. Aufschlussreich ist ein Blick in ein Standardwerk zur Kindererziehung, wo ein genauer Zeitplan des Tagesablaufs eines Säuglings dargestellt ist. Das Buch wurde (in entschärfter Form) bis in die 1980er Jahre gedruckt.
Während des Krippenwegs ist der Eintritt in das Deutsche Medizinhistorische Museum frei. Für Kinder gibt es an der Kasse ein unterhaltsames Suchspiel – und eine kleine Belohnung, wenn sie alle Fragen gelöst haben.
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