Wolnzach
Film ab, Schnitt und aus

Nach 55 Jahren Filmgeschichte schließt das Kino-Center Wolnzach im März für immer

15.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:30 Uhr

Mr. Bean hat vor einigen Jahren Ferien gemacht – und Irene Bäck zieht sich jetzt in den Ruhestand zurück. Nach 55 Jahren gibt sie ihr „Kino-Center Wolnzach“ auf. In der zweiten Märzwoche schon läuft der letzte Abspann – und das Kino schließt für immer seine Pforten - Foto: Ermert

Wolnzach (WZ) Letzter Abspann im Kino-Center Wolnzach: Die Familie Bäck schließt in wenigen Wochen ihr Kino, in dem 55 Jahre lang Filme von Oswald Kolle bis „Django Unchained“ gelaufen sind. Wolnzach verliert damit ein Stück Kultur.

„Man muss einfach auch einmal abschließen können – und das kann ich.“ Irene Bäck lehnt sich in der gemütlichen Sitzecke in ihrem Wohnhaus zurück – und man mag ihr diese Worte glauben. Auch, wenn es schwerfällt. Denn damit bestätigt sie das, was in Wolnzach schon durchgesickert ist: Die Familie Bäck, in Wolnzach untrennbar mit Kino verbunden, gibt ihr Kino-Center auf. „Das ist schon alles unterschrieben“, sagt die Chefin, für die mit dem Kino auch ein großer Lebensabschnitt endet. Einer, der sie geprägt hat, einer, der ein Stück Wolnzacher Kulturgeschichte und auch ein Stück Familiengeschichte für Irene Bäck, ihren verstorbenen Mann Sigi, Sohn Christian und dessen Familie geworden ist.

Denn vor 55 Jahren genau hat Irene Bäck, damals hieß sie noch Wimmer, schon einmal abschließen und neu anfangen müssen: Mit ihren Eltern, einem Münchner Metzgersehepaar, kam sie nach Wolnzach. Zusammen kauften sie das „Neue Lichtspielhaus“, das ein Jahr zuvor eröffnet hatte. Der Erbauer hatte es abgestoßen, weil die Arbeit einfach zu viel geworden war. „Sich einfach hinstellen, Karten verkaufen und Filme vorführen – das reicht nicht. Kino ist viel mehr.“ Irene Bäck muss es wissen. Denn 55 Jahre lang hat das Kino fortan ihr Leben und das der ganzen Familie bestimmt. 55 Jahre lang wurde sieben Tage die Woche gearbeitet, Feiertage waren die Ausnahme, Ferien ein Fremdwort.

Irene Bäck – drei Jahre nach ihrem Umzug nach Wolnzach hatte sie den Wolnzacher Sigi Bäck geheiratet – werkelte mit der ganzen Familie im Kino. „Sogar den Vorführschein für Kinofilme habe ich noch machen müssen. So etwas gibt es ja heute nicht mehr“, schmunzelt sie in der Erinnerung, die für sie damals harte Gegenwart war. Denn für so einen Vorführschein musste man allerhand wissen: über Optik, Elektronik und Physik. Denn die damals üblichen „Nitrofilme“ mit Zellulosenitrat als Träger verbrennen augenblicklich, fast explosionsartig, wenn sie mit Hitzequellen in Kontakt kommen. „Die haben ganz schnell Feuer gefangen“, weiß sie noch gut, dass man damals höllisch aufpassen und immer beim Projektor bleiben musste. Beim Projektor bleiben – das steht für viele Stunden Arbeit. Denn früher hatte man sich im Kino ganz auf die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung eingerichtet. Sonntags gab es beispielsweise Vorstellungen um 13, 15, 17 und 21 Uhr – ausgerichtet auf Feld- oder Stallarbeit.

Ihre Karten kauften die Besucher damals bei Irene Bäcks Mutter, der Vater riss die Karten ab und sie selbst und ihr Mann kümmerten sich um die Filme. Klar, dass auch Sohn Christian praktisch in dieses Kinoleben, um das sich alles drehte, hineingeboren wurde. Denn das Vorführhaus war lange Zeit auch das Wohnhaus der Familie Bäck, so dass privat und Geschäft untrennbar miteinander verschmolzen waren.

„Wir haben schon so einiges erlebt“, schaut die Kinobesitzerin heute zurück auf 55 Jahre Filmgeschichte – gespickt mit allerlei Episoden und Kuriositäten. Unzählige Liebespaare haben sich unter dem Sternenhimmel im Kino-Center, das damals noch „Neues Lichtspielhaus“ hieß und von den Hiesigen einfach nur das „neue Kino“ genannt wurde, den ersten Kuss gegeben. Unzählige Jugendliche haben probiert, in einen der Aufklärungsfilme der 1970er Jahre zu kommen, die erst ab 16 Jahren freigegeben waren. Aber an Irene Bäck, die später den Job ihrer Mutter an der Kasse übernahm, kam keiner vorbei. Problem: Sie kannte die meisten ihrer Besucher persönlich – und wusste deshalb auch, wie alt sie waren. Liebenswert, aber bestimmt wurden sie alle in die Schranken gewiesen – und notfalls sogar persönlich nach Hause gebracht. Schließlich kam es auch schon mal vor, dass Jugendliche einfach nicht abgeholt wurden. „Da habe ich nachts manchmal bis spät in die Nacht gewartet, bis auch die letzten Gäste weg waren“, denkt sie zurück.

Bis spät in die Nacht – nur noch wenige Tage wird sie nun abends gegen 19 Uhr ihr Wohnhaus verlassen und hinunter fahren ins Kino am Starzenbach, wo sie seit 55 Jahren beinahe jeden Abend verbracht hat. Denn die Tage des Kinos sind gezählt, das Gebäude ist verkauft, der neue Eigentümer hat damit ganz andere Pläne.

Derzeit läuft noch „Django Unchained“, danach wird die Familie Bäck für alle Kinogäste noch zwei Abschiedswochen mit besonderen Filmen laufen lassen, „damit alle ihre Gutscheine noch einlösen können.“ In der zweiten Märzwoche wird dann Schluss sein mit dem Kino der Familie Bäck.

Etwas wehmütig wird Irene Bäck schon, wenn sie an den letzten Abspann denkt. Aber sie ist auch realistisch genug, um zu sagen: „Man muss wissen, wann man aufhören muss.“ Die Kinolandschaft habe sich sehr verändert, gerade die kleinen Kinos auf dem Land hätten es immer schwerer, an die großen Filme zu kommen. Ihre 55 Kinojahre in Wolnzach seien eine gute Zeit gewesen, die nun einfach ihr Ende habe. Ein Ende, das ein großer Verlust für die Wolnzacher Infrastruktur ist. Schließlich war Wolnzach berühmt für seine drei Kinos – das Amper-Lichtspielhaus und eben die beiden Vorführsäle im Kino-Center Wolnzach. Wenn Letzteres nun bald schließt, wird ein Stück gelebte Kultur zur erinnerungswerten Geschichte.