Greding
Fehlsteuerung: Ärztemangel trotz Überversorgung

31.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:08 Uhr

Übergeben die Arztpraxis zum 1. April: Wolfgang Weigand und seine Frau und Arzthelferin Waltraud habe es nach einem guten Jahr Suche geschafft, einen Nachfolger für ihre alteingesessene Praxis in Greding zu finden. - Foto: Luff

Greding (HK) Tausende Landärzte sind kurz vor dem Rentenalter, es droht ein Ärztemangel. Mit dieser Meldung hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Anfang des Jahres Alarm geschlagen. Es fehle der Nachwuchs. Der Gredinger Arzt Wolfgang Weigand dagegen hat einen Nachfolger gefunden.

Wolfgang Weigands Praxis war geschlossen. Vorübergehend zumindest. Denn der alteingesessene Gredinger Arzt hat seinen Ruhestand angetreten, sein Nachfolger Markus Landes übernimmt zum heutigen 1. April die Praxis am Mettendorfer Weg. Weigand hat einen Nachfolger gefunden, in letzter Minute: "Ich hatte es eigentlich schon aufgegeben", sagt der knapp 65-Jährige.

Er sei bereits entschlossen gewesen, seine Praxis zum 31. Dezember 2009 zu schließen – ohne Nachfolger. Schon mehr als ein Jahr zuvor habe er im Gredinger Kollegenkreis von seinen Plänen erzählt und sich nach Ersatz umgesehen. Vergeblich. Erst Ende November 2009 fand sich mit dem Kindinger Landes, dessen Eltern aus Greding stammen, der passende Kandidat.

Weigands Erfahrung deckt sich mit den Beobachtungen der Bayerischen Landesärztekammer. Demnach will sich vor allem in ländlichen Regionen kaum noch ein Allgemeinarzt niederlassen, zu hoch sei die Arbeitsbelastung – weil etwa Bereitschaftsdienst rund um die Uhr erwartet wird –, zu niedrig der Verdienst im Vergleich zu Ballungszentren.

Von einem Ärztemangel kann man im Landkreis Roth bislang nicht sprechen, im Gegenteil. Es herrscht eine Überversorgung. Doch der Teufel steckt im Detail, warnt Kirsten Warweg, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Ihr zufolge könne es eine "gefühlte Unterversorgung" geben – trotz des augenblicklichen Rother Versorgungsgrades von 111,8 Prozent.

Hinter dieser Zahl steckt nämlich ein Berechnungsmodell zur Bedarfsplanung, das sich über den Landkreis Roth, die Stadt Schwabach und sogar ein wenig darüber hinaus erstreckt. 92,5 Arztstellen seien für dieses Gebiet die Sollstärke, 103,3 die Realität. Doch sagt dies nichts über die Verteilung aus: Im Extremfall könnten sich theoretisch also die mehr als 100 Ärzte auf Schwabach konzentrieren, dennoch spräche man im Landkreis Roth von einer Überversorgung.

Und wirklich: Die Erfahrung, die Wolfgang Weigand bei der Suche nach einem Praxisnachfolger einige Male machen musste: "Der wollte nur meine Kassenzulassung kaufen." Derzeit darf sich laut Kirsten Warweg kein Allgemeinarzt im Landkreis Roth oder in Schwabach neu niederlassen, das Gebiet ist wegen der Überversorgung gesperrt. Ausnahme: Der Bewerber steigt in eine bestehende Zulassung ein, etwa in der Praxisnachfolge. Doch kann er sich mit dieser Zulassung auch an einem anderen Ort niederlassen, zum Beispiel im gut betuchten Wendelstein.

"Das Interesse, sich auf dem Land niederzulassen, ist relativ gering", lautet Weigands Fazit. Mit seinem Nachfolger habe er Glück gehabt, er stammt aus Kinding, arbeitete zuletzt in Ingolstadt und wohnt in Greding, ist also regional verwurzelt. "Und er ist mit einer ehemaligen Arzthelferin von uns verheiratet", ergänzt Weigands Frau Waltraud und lächelt. Sie war eine Kollegin, Waltraud Weigand hat als Arzthelferin in der Praxis gearbeitet, hört jetzt aber zur gleichen Zeit wie ihr Mann auf. Jetzt wird die Freizeit genossen. "Viele Videofilme warten auf Bearbeitung", sagt der Ruheständler, sie müssten auf die digitale Technik getrimmt werden. Außerdem ist die erste Enkeltochter erst wenige Monate alt.

Doch Weigand hat sich nicht nur um die Zukunft der Praxis gekümmert, die er selbst von seinem Vater übernommen und 32 Jahre geführt hat. Seine Arzthelferin und die Auszubildende werden von Markus Landes weiter beschäftigt. "Die Praxis steht und fällt auch mit den Helferinnen", sagt Weigand. Viele Patienten müssten sich schon an einen neuen Doktor gewöhnen, da wollten sie wenigstens vertraute Gesichter am Empfang. "Einige haben tatsächlich gesagt: ,Wenn ihr da bleibt, komme ich auch wieder‘", schildert Weigand.

Das ist beim Verkauf der Praxis nicht unwichtig. Denn den Preis bestimmt vor allem der Patientenstamm, den der Arzt weiter gibt. Der Wert einer Hausarztpraxis hat sich nach Angaben von Wolfgang Schulze-Riedel von der Ärzte-Finanzberatung Europmed in der Oberpfalz in den vergangenen Jahren ohnehin halbiert. Es ist nicht attraktiv, Landarzt zu werden.

Genau deshalb sieht Kirsten Warweg auf Regionen wie den südlichen Landkreis Roth längerfristig eben doch Versorgungsprobleme zukommen – wenn sich der Ärztenachwuchs in solchen Strukturgebieten nicht niederlässt. "In zehn Jahren scheiden 43 Prozent der Hausärzte aus", sagt sie. Das sei zwar nur eine Prognose, weil der Einzelne den Zeitpunkt seines Ruhestandes selbst bestimmen könne – aber die Tendenz ist klar. "Und wir können keinen Arzt verpflichten."