Bernried
Farbenfroh, raffiniert, kunstvoll

Chinesische Bauernmalerei der Sammlung Ingrid Jansen im Buchheim Museum Bernried

11.02.2022 | Stand 22.09.2023, 23:43 Uhr
  −Foto: Sammlung Jansen

Bernried - Wer ins Buchheim Museum der Phantasie fährt, der erwartet ein Erleben von Kunst, Kultur und Natur mit allen Sinnen und viel Fantastisches. Dennoch überrascht die "Chinesische Bauernmalerei" mit der Klarheit und Intensität der Farben, mit Lebendigkeit und Detailgenauigkeit des Dargestellten, das vom Leben der ländlichen Bevölkerung in der Provinz Hebei erzählt.

Manchmal sogar innerhalb eines Bildes mit Perspektivwechseln - Draufsicht, Frontalperspektive oder von unten. Prägnant, künstlerisch, mit Wasserfarben. Zu sehen ist dabei viel vom Innenleben der ländlichen Bevölkerung, davon, wie tief verwurzelt Traditionen bei ihnen waren; der jahrzehntelangen Unterdrückung durch Mao Zedong und der KP China zum Trotz. Die Bilder schildern die sich durch die Liberalisierung von Wirtschaft ("Reich werden ist ehrenwert") und Kultur durch Deng Xiaoping ab 1979 bahnbrechende Sehnsucht nach Frieden und Harmonie sowie die Freude am Leben, nicht, dass die Realität schon so war.

Entstanden sind die Werke der Sammlung Ingrid Jansen wohl in den Jahren 1987 bis 1997. Entdeckt hat Jansen sie in einer Ausstellung im Nationalmuseum Peking während ihres dreijährigen Aufenthaltes in China ab 1986 gemeinsam mit ihrem - inzwischen verstorbenen - Mann Theo. In diesen Jahren konnte sie sogar die malenden 20 Bäuerinnen und 12 Bauern aus dem Kreis Xinji besuchen und direkt bei ihnen Bilder erwerben. Das ist auf den Fotografien dokumentiert, die Theo Jansen - er war für den deutschen Entwicklungsdienst tätig - auf Reisen im Land machte.

So sieht man die Malerinnen und Maler, wie sie ihre Bilder schufen; losgelöst von der plakativen Propaganda während der Mao-Ära (1949 bis 1976) besannen sie sich auf sich selbst, auf ihr Leben, ihre Träume und ihre Kultur. Zum Beispiel auf die Peking-Oper, die nun wieder von Wanderbühnen-Ensembles auf dem Land zur Freude aller gezeigt und zu einem Festtag wurde. Was sie zum Motiv machte. Im Buchheim Museum sind die wichtigsten Feste und Momente im Jahres- und Lebenslauf im Erdgeschoss zu sehen: Das Frühlingsfest zum Jahreswechsel mit Feuerwerk, rot (weil Glücksfarbe) geschmückten Hauseingängen wie Laternen, den Spruchbändern und den allgegenwärtigen Drachendarstellungen - zum Neujahrsfest wird ein ritueller Drachentanz aufgeführt. Auch diesen hat Theo Jansen in seinen Fotografien festgehalten, die damit die Bauernmalkunst ergänzen, kommentieren, auch einen Kontrast bilden - hier die oft noch schäbigere Realität, dort die Farbenpracht. "Am Neujahrstag" oder "Wünsche für ein fruchtbares Jahr" und "Drachen steigen lassen" heißen die Werke von Yang Guangxing oder Li Yunxiang.

Nicht fehlen darf ein Teigknetmann (Bild: Zhu Yinchao), der die bei Festen beliebten Jiaozi (Maultaschen) zubereitet. Wie überhaupt immer wieder Mahlzeiten und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen. Beim Plausch am Dorfteich mit planschenden Kinder-Nackedeis. Wer sich an die Prüderie jener Jahre erinnert, versteht das Revolutionäre dieser Darstellung. Bei der Abholung der Braut ins neue Heim mit Hausrat erweckt heute der Fernseher mit Knöpfen bei den kleinen Besucherinnen und Besuchern im Buchheim Museum Erstaunen. Sind sie doch an Flachbildschirme gewöhnt. Die weiß gekleideten Menschen auf den beiden Bildern einer traditionellen Trauerfeier und eines Begräbnis regen die älteren Besucher zum Gespräch an.

Immer wieder überrascht die feine Ausarbeitung. Hühner picken auf einem Kohlfeld nach winzigen Raupen und Zikaden. Doppeldeutig und bis heute aktuell sind die Menschen beim Bestäuben der Obstbäume. Das Bild erinnert an Kampagnen unter Mao - zuerst wurden 1958 die Spatzen als Körnerfresser verfolgt. Danach mit Pestiziden die "gefräßigen" Insekten vernichtet und damit auch die Bienen. Um seine 1,4 Milliarden Menschen mit Obst und Gemüse aus heimischen Ernten zu versorgen, sind weiterhin "menschliche Bienen" nötig. Witzig wirkt die Vertreibung des Schweins aus dem Melonenfeld.

Das Leben auf dem Land war hart. Nach der Arbeit auf dem Feld wurden drinnen Körbe geflochten und Spielzeug in Handarbeit hergestellt - weitere Bildmotive. Und draußen in großen Lehmöfen Tongefäße gebrannt. Wenn der Barfußarzt gerufen wurde, zum Beispiel zur Hausgeburt, nahm er die Teekanne im Wärmekorb mit.

In zwei Vitrinen sind solche Gegenstände zu sehen, die heute womöglich nicht mehr so alltäglich sind. Die Bauernmaler-Kolonie jedenfalls gibt es nicht mehr, heißt es auf den Infotafeln. Nach dem Tod Dengs (1997) fand ein Politikwechsel mit strengeren Kontrollen und Überwachung statt. Die Dorfbewohner wandten sich anderen Arbeiten zu oder verdingten sich als Wanderarbeiter in den Metropolregionen. Die Ausstellung bietet einen einmaligen Blick in die Geschichte, die Kunst und das Leben der Menschen des Global-Players China.

DK

Bis 26. Juni im Buchheim Museum, Am Hirschgarten 1, inmitten des Höhenrieder Parks in Bernried. Bis Ende März Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr, ab April von 10 bis 18 Uhr.

Barbara Fröhlich