München (DK) Ein Höllenfeuer lodert hinter einem großen, schäbigen Raum (Bühnenbild: Stefan Hageneier), der als Kommunikationsort einer verbittert sich bekämpfenden Dorfgemeinschaft und später als Gerichtssaal dient. Fünf schwarz gekleidete Frauen toben, schreien, brüllen in Hysterie und religiöser Ekstase, bis sie zusammenbrechen.
Wir schreiben das Jahr 1692 in dem amerikanischen Kaff Salem im Staate Massachusetts. Vom Teufel besessen sind diese Frauen , die von geifernd-bigotten Pastoren und einer auf beiden Augen blinden Justiz dem Exorzismus ausgeliefert werden.
Nach einer historischen Begebenheit verfasste der amerikanische Erfolgsautor Arthur Miller (1915 - 2005) diese reale Horrorstory. Als verschlüsselte Kritik an der unseligen Hetze gegen linke Intellektuelle in den 1950er-Jahren wollte der Pulitzerpreisträger diese 1953 in New York uraufgeführte "Hexenjagd" verstanden wissen. Denn der amerikanische Senator Joseph McCarthy rief damals den "Ausschuss für unamerikanische Umtriebe" ins Leben, vor dem sich Zehntausende kritische US-Bürger (unter ihnen Hollywoodstars wie Gary Cooper und Ginger Rogers oder der Atomphysiker Robert Oppenheimer), aber auch deutsche Emigranten wie Thomas Mann und Bert Brecht, von Denunzianten und Opportunisten angezeigt, vor Gericht verantworten mussten. Ihnen wurde vorgeworfen, mit dem Kommunismus zu paktieren, zumindest Sympathisanten der Politik des Kremls zu sein und damit als Feinde der USA zu fungieren.
Was aber interessieren uns heutzutage die Teufelsaustreibung vom Jahre 1692 in den vom Puritanismus beherrschten USA und die Verfolgung Andersdenkender während der McCarthy-Ära im Kalten Krieg? Eigentlich herzlich wenig, wären da nicht die eindrucksvolle Inszenierung mit tief auslotender Personencharakterisierung in ungemein vital-prallen Bildern der Regisseurin Tina Lanik und vor allem die großartigen schauspielerischen Leistungen. Allen voran Thomas Loibl als hartgesottener, wahrheitsliebender Gerechtigkeitsfanatiker John Proctor. Ein Außenseiter, der gegen die unsägliche Frömmelei und Verlogenheit in der dörflichen Scheinidylle von Salem ankämpft.
Doch auch er hat wegen mehrmaligen Ehebruchs Schuld auf sich geladen, wird deswegen freilich nicht angeklagt, sondern seine Magd Abigail (Valery Tscheplanowa), mit der er ein Verhältnis hatte. Und das Gericht stellt nach inquisitorischen Befragungen einiger hinterhältiger Dorfbewohner fest, dass "die Hure" Abigail vom Teufel besessen ist und daher - wie auch die "Kronzeugin" Mary Warren (Valerie Pachner) - der Folter zu unterziehen sei. Weshalb Abigail aus Rache die Frau ihres Lovers der Hexerei bezichtigt. Intrigen, skrupellose Verleumdungen und falsche Anschuldigungen - wie zweieinhalb Jahrhunderte später zu McCarthys Zeiten.
Viel zu langatmig und auch reichlich umständlich zum Drama geformt sind diese Szenen in der insgesamt viel zu langen dreieinhalbstündigen Aufführung. Und doch lassen die Schauspieler diese Neuinszenierung im Münchner Residenztheater zu einem äußerst spannenden Pandämonium menschlicher Abgründe geraten: Sibylle Canonica verkörpert beispielsweise geradezu faszinierend die von ihrem Mann betrogene Gattin, die sich freilich nicht ihrem Schicksal fügt, sondern mit Frauen-Power der Justizwillkür des keineswegs "Hohen Gerichtes" Paroli bietet. Und auch die anderen Darsteller (Thomas Lettow und Jörg Lichtenstein) sind keine Klischeefiguren, sondern kritisch gezeichnete Geistliche, die in geifernder Moralität sich ergehen oder als einseitig argumentierende Gerichtsherren (Arnulf Schumacher und Norman Hacker) nicht dem Recht, sondern ausschließlich dem Vorurteil verpflichtet sind.
Reichlich Applaus des Premierenpublikums für die Regisseurin und das 16-köpfige Ensemble.
Weitere Aufführungen am 9., 19. und 27. März. Kartentelefon: (089) 21 85 19 40.
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