Neumarkt
Europareise statt Grundstückskauf

Familie Thumann aus Neumarkt startet Ende Juli zu einer Tour mit offenem Ende

12.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:45 Uhr |
Sophia Meyer
In diesem Wohnmobil wird die Familie Thumann in den kommenden Monaten leben. − Foto: Meyer

Neumarkt (DK) Raus aus dem Hamsterrad, rein ins große Abenteuer, das sich Freiheit nennt: Nathalie und Moritz Thumann aus Neumarkt wagen mit ihren beiden Kindern, der neunjährigen Sophie und dem zweijährigen Jonas, einen Schritt, von dem viele träumen.

Am 28. Juli startet die vierköpfige Familie den Motor ihres Wohnmobils und bricht auf zu ihrer Europareise mit offenem Ende.

Die Route ist nur grob geplant, denn die Familie will sich ganz bewusst treiben lassen, ist es doch die neue Ungebundenheit, die sie ab Ende Juli gemeinsam genießen wollen. "Wenn es uns in einem Land oder an einem Ort besonders gut gefällt, bleiben wir dort länger, vielleicht haben wir auch die Möglichkeit, auf Höfen für Kost und Logis zu arbeiten. Festgelegt sind wir überhaupt nicht, wir schauen einfach, wo das Wetter am besten ist und die Leute am nettesten sind", erzählt der Familienvater schmunzelnd, der für das Reisen nun auch seinen Job als Projektmanager gekündigt hat.

Ein Risiko, sagen natürlich die einen. Mutig, die anderen. "Natürlich haben wir nicht von heute auf morgen beschlossen, aus dem System auszusteigen und loszufahren", so der 35-Jährige. Die Überlegungen hätten begonnen, als sich die Familie ein Grundstück kaufen wollte und das Ehepaar über die Finanzierung diskutierte. Die Schulden, die dabei auf sie zukommen werden, und der Gedanke, nur zu arbeiten und die Kinder beinahe nur am Wochenende zu sehen, haben die beiden zum Umdenken bewegt. Denn die Priorität wollen sie eigentlich auf die Familie setzen, auf gemeinsames Erleben und auf das Entdecken der großen, weiten Welt, von der sie noch so viel mehr sehen und vor allem den beiden Kindern so viel mehr zeigen wollen.

Im Herbst vergangenen Jahres reifte dann langsam die Idee, sich statt einem Grundstück ein Wohnmobil anzuschaffen, dieses nach ihren Bedürfnissen umzubauen und im Sommer nicht nur auf-, sondern vor allem auch auszubrechen.

Begünstigt wurde die Entscheidung von den fortwährenden Schulproblemen, mit denen die neunjährige Tochter Sophie zu kämpfen hatte. "Tatsächlich ist die Frage der Schulpflicht mit die häufigste, die uns in der jüngsten Zeit gestellt wurde", berichtet Nathalie Thumann. Sie erinnert sich mit Grauen an die vielen vielen Nachmittage, an denen sie sich mit Sophie durch die Hausaufgaben gekämpft hat, obwohl sie ihre Tochter so viel lieber hätte toben, spielen und turnen hätte lassen. An Wissbegierde hätte es der Zweitklässlerin nicht gemangelt, vielmehr an der Fähigkeit, sich dem System anzupassen. Mittlerweile betrachten die Eltern dies jedoch weniger mit Groll, sondern mit Stolz: "Jedes Kind hat andere Interessen und Fähigkeiten, denen man gerecht werden muss. " Das Paar möchte seine Tochter nun so fördern, dass sie Spaß am Lernen hat. Schulbücher, die dem Lehrplan folgen, möchten sie dabei ganz bewusst nicht mehr nutzen. Denn: Ab Sommer ist die Familie aus Deutschland abgemeldet und damit ist Sophie ab dem kommenden Jahr auch nicht mehr schulpflichtig.

Bis es aber endlich losgehen kann, musste viel erledigt werden - angefangen natürlich mit der doch recht aufwendigen Renovierung des Wohnmobils, was Nathalie und Moritz Thumann größtenteils in Eigenregie geschafft haben. Seit etwa fünf Monaten sind sie nun dabei, ihre Wohnung aufzulösen. Einlagern wird das Paar nur Persönliches wie Unterlagen oder Fotos, ihre Einrichtung wird weitestgehend verkauft, gespendet und verschenkt. Denn die Beschränkung auf wenige Quadratmeter bedeutet auch, sich von vielem zu trennen. Jedes Kind dürfe sich eine Kiste mit Spielsachen packen, die mitgenommen werden. Alles weitere - natürlich auch Klamotten, Deko und Haushaltsartikel - muss radikal ausgemistet werden. Doch die Familie möchte sich bewusst weg von Konsum und hin zu einem minimalistischerem Lebensstil bewegen. Und der Prozess ist leichter gefallen als vermutet: "Wir haben festgestellt, wie unglaublich viele Besitztümer sich mit den Jahren ansammeln, die man eigentlich gar nicht braucht und die einen im Denken und Handeln sogar einschränken", erzählt die 32-jährige gelernte Hotelfachfrau.

Sich von Unnötigem zu trennen, nehme viel ungeahnten Druck und schaffe neue Freiheiten. Natürlich wissen sie im Vorhinein nicht, ob sie zu viel oder zu wenig mitnehmen oder ob sie das eine oder andere noch hätten beachten müssen. Auf die Frage, "Was wäre, wenn. . . " reagieren beide dennoch ganz entspannt, wissen sie doch, dass sie jederzeit auch wieder in ihr altes Leben zurückkehren können. "Gerade freuen wir uns einfach nur auf das, was uns in der kommenden Zeit erwartet", meinen beide einstimmig.

Wer die Thumanns persönlich kennenlernen und ihnen vielleicht sogar noch etwas abkaufen möchte: Am Sonntag, 23. Juli, ist die Familie nochmals auf dem Flohmarkt in Berching. Auf Instagram kann man die Reise außerdem unter thumanns_travel_family verfolgen.
 

Sophia Meyer

Zu den Kommentaren