Ingolstadt
"Es ward Licht"

Das Pulsar Trio in der Ingolstädter Kulturhalle neun

28.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:11 Uhr
Ausgetüftelter Sound: Matyas Wolter in der Halle neun. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Zuerst ist da nur ein Ton.

Noch einer. Etwas klopft. Dann zirpt es. Allmählich verdichten sich die Geräusche. Man meint, einen Rhythmus zu erkennen. War da nicht eine kleine Melodie? Man hört die Klänge ganz deutlich, sieht aber nicht, woher sie kommen. Die Kulturhalle neun liegt im Dunkeln. Nur die Notbeleuchtung ist eingeschaltet. Das ist Absicht. Das Pulsar Trio gibt ihm Rahmen der Ingolstädter Jazztage ein "Konzert im Dunkeln".

Der Saal ist nur spärlich besucht. Das liegt wahrscheinlich am späten Beginn. 21 Uhr. Und das an einem Sonntag. Oder vielleicht daran, dass der typische Jazztage-Gänger mit allem, was auch nur ein klein wenig nach Avantgarde riecht, lieber nichts zu tun haben mag. Obwohl es nachher so avantgardistisch gar nicht wird, vor allem im zweiten Teil nicht. Nachdem sich Beate Wein (Klavier), Aaron Christ (Schlagzeug) und Matyas Wolter (Sitar) selbst auf die richtige Betriebstemperatur gebracht haben, bieten sie einen pulsierenden Mix aus auskomponierten Eckdaten und improvisierten Passagen. Federnde Drum-Grooves und freche Klaviereinsprengsel verbinden sich zu höchst originellen und akribisch ausgetüftelten Patterns, die durch den Sound der Sitar einen östlichen Touch bekommen.

"Es ward Licht und es ward gut so. " Nach der Pause sieht man auch, was die drei Musiker da eigentlich treiben, wie sie miteinander kommunizieren. Mit einem quer über die Bühne geschickten Augenzwinkern wird der Beat geändert, das heben der rechten Braue ist der Starschuss für einen abrupten Richtungswechsel. Ohne Licht sei die Verständigung ungleich schwieriger, sagt Beate Wein denn auch sichtlich erleichtert. Vielleicht deswegen sind nach der Pause die Flows eindringlicher. Sichtkontakt ist dann doch besser als Herumtasten im Zwielicht. Auch wenn - wie in diesem Fall - die Band bestens eingespielt ist und der eine ganz genau weiß, wie der andere tickt und wie er denkt.

Und das Publikum? Das genießt das Unerwartete. Sitzmöbel sind aufgestellt und man kann sich darin räkeln und den Klängen hingeben. Ob im Dunkeln oder bei Licht: die Waves verfehlen ihre Wirkung nicht. Bei manchen Passagen ist die Magie nahezu mit Händen greifbar, an anderer Stelle meint man fast, eine hypnotische Wirkung festzustellen. Nur: Muss man deswegen eine komplette Halbzeit lang im Dunkeln spielen? Ginge das nicht auch, wenn man zu Hause das Licht ausknipst und nur den CD-Player laut genug aufdreht? Nüchtern betrachtet vermutlich durchaus, aber die Akustik eines großen Raumes, die innere Verbundenheit mit den anderen Zuhörern - die natürlich da ist, auch wenn man seinen Sitznachbarn nicht sieht - das Klangbild und nicht zuletzt die Intensität, mit der man die Musik hier und jetzt aufnimmt und die alle anderen störenden Gedanken ausblendet, macht die Sache schon zu etwas Besonderem. Zu etwas, das man nicht alle Tage hat. Mal sehen, ob die Jazztage in ihrem weiteren Verlauf nicht noch ein paar solch kleiner Leckerbissen zu bieten haben.

Karl Leitner